Mittwoch, Januar 8

Die Behörde sucht mit einem aufwendig produzierten Video neue Arbeitskräfte. Fast 90 000 Franken hat der Streifen gekostet. Der Inhalt überrascht.

Das Ende ist da. Zürich ist tot. Die Bäume fahl, alle Blätter abgefallen. Fenster zerbrochen. Häuser abgebrannt. Tiefe Löcher ziehen sich durch den Asphalt an der Europaallee. Der Himmel voller Rauch. Postapokalypse.

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Die Bilder stammen aus einem Video, welches das Steueramt des Kantons Zürich kürzlich veröffentlicht hat. Und es zeigt, wie finster sich das Steueramt offenbar eine Welt vorstellt, in der eines fehlt: ein Steueramt.

«Wir sind der Antrieb der Gesellschaft»

Die kantonale Steuerbehörde hat das neue Image-Video produziert, um Mitarbeiterinnen zu gewinnen, und spuckt dabei grosse Töne. So sagt etwa die Sprecherin im Video: «Was ist ein Fahrzeug ohne Motor? Schrott. Was ist eine Gesellschaft ohne Antrieb? Richtig. Das Gleiche. Deshalb gibt es Steuern. Darum gibt es uns.»

Das Steueramt sorge mit seiner Arbeit dafür, dass der öffentliche Verkehr rolle. Dass das Sozial- und Gesundheitswesen funktioniere. Und alle bestens ausgebildet seien. Das Steueramt macht also eigentlich alles. Für alle. Immer. Und das selbstverständlich stets bestens gelaunt.

Im Werbevideo folgen Bilder von lächelnden Verwaltungsangestellten, die in bunter Fitness-Kleidung herumhüpfen, einander in der Cafeteria zulächeln und freudig klatschen, als eine Kollegin sagt, beim Steueramt erwarteten einen «Jobsicherheit und ein Superteam ohne Ellenbogen».

Kantonales Steueramt Zürich - Der Antrieb der Gesellschaft

Nach 1 Minute und 21 Sekunden endet das Video mit der Moderatorin, die unter blauem Himmel, zwischen blühenden Bäumen und zufrieden vorbeischlendernden Passanten verkündet: «Wir sind der Antrieb der Gesellschaft.» Eine Welt mit Steueramt: paradiesisch.

Das Steueramt als Motor der Gesellschaft – diese Botschaft sorgt für Kritik. Auf Youtube ist die Kommentarfunktion unter dem Video zwar ausgeschaltet, kommentiert wird aber trotzdem – einfach anderswo. Zum Beispiel auf der Social-Media-Plattform Linkedin.

Dort schreibt ein User: «‹Wir sind der Antrieb der Gesellschaft.› Bisher war dies die private Wirtschaft. Die rein behördlichen Modelle wie in der DDR oder von Lenin haben bekanntlich in der heutigen Welt nicht überlebt.»

Ein anderer kritisiert: «Professionelle Werbung gegen den Fachkräftemangel beim Staat; für all das kommt selbstverständlich der ‹reiche› Steuerzahler auf.» Doch es gibt auch Lob – wobei nicht immer klar ist, ob es sich nicht doch um Ironie handelt: «Video ist super. Schon beworben», schreibt eine Userin.

«Die Aussage ist aber nicht wörtlich zu verstehen»

89 000 Franken hat das Video laut Marina Züger, der Chefin des Steueramts, gekostet. Die Reaktionen seien überwiegend sehr positiv gewesen, sagt Züger. «Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ebenfalls viel positives Feedback erhalten, insbesondere auch von jüngeren Personen.»

Der Titel «Antrieb der Gesellschaft» sei aus heutiger Sicht vielleicht nicht ganz glücklich gewählt, sagt Züger weiter. «Die Aussage ist aber nicht wörtlich zu verstehen, sondern nutzt das Stilmittel der Übertreibung.» Das Steueramt leiste einen fundamentalen Beitrag für stabile öffentliche Services.

Wer jetzt trotzdem noch – oder erst recht – für das Steueramt arbeiten möchte: Derzeit sind auf dem Online-Portal des Kantons Zürich acht Stelleninserate aufgeschaltet. Gesucht wird zum Beispiel ein Steuerkommissär Erbschafts- und Schenkungssteuer. Im Inserat heisst es weiter: «Gemäss dem gesetzlichen Auftrag leistet das Steueramt den Vollzug der Steuergesetze und sorgt für richtige und gleichmässige Steuerveranlagungen und für einen einheitlichen Steuerbezug.»

Das klingt vielleicht trocken, aber doch immerhin nach einer Aufgabe, die tatsächlich ein Steueramt erledigen sollte.

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