Montag, November 25

Nach dem mörderischen Ende seines Flirts mit den Black Panthers wandelte sich der Berkeley-Absolvent und Wortführer der neuen Linken zum Konservativen und schliesslich zum Anhänger Trumps. Ihm hat David Horowitz bereits drei Bücher gewidmet hat.

«Trump war der beste Präsident, den wir in den letzten hundert Jahren hatten», sagt David Horowitz im Gespräch. «Mit ihm wären die Russen jetzt nicht in der Ukraine. Er wird wiedergewählt, selbst wenn er vom Gefängnis aus operieren muss, und wird Amerika wiederherstellen. Biden hingegen ist ein Lügner, ein Verräter und Verbrecher. Der übelste Mensch, den ich je in der Öffentlichkeit gesehen habe.»

Solche Äusserungen hört man oft in den USA. Dass sie aus dem Mund von jemandem wie Horowitz kommen, ist hingegen aussergewöhnlich. Immerhin handelt es sich um einen hochgebildeten Intellektuellen, Autor unzähliger Sachbücher und früheren Wortführer der Linken in den Sechzigern. Horowitz ist so begeistert von Trump, dass er bereits drei Bücher über ihn geschrieben hat. Das letzte, ein Bestseller, trägt den Titel «The Enemy Within» («Der innere Feind»).

Wie ein Mord der Black Panthers Horowitz umstimmte

Es gibt nicht viele Intellektuelle unter Trumps Anhängern. Horowitz ist einer von ihnen, zusammen mit ähnlich Gesinnten wie dem Kommunikationsberater und Essayisten Michael Anton, Charles Kesler von der Claremont University, dem Paypal-Mitbegründer Peter Thiel, dem ehemaligen Trump-Berater Steve Bannon oder Stephen Miller, der für Trump Reden schrieb und sich von Horowitz beraten liess. Aber kaum einer von diesen Mitstreitern erreicht mit seinen Büchern ein so grosses Publikum wie Horowitz. Er sei einer der wirkmächtigsten Propagandisten einer zerstörerischen Massenbewegung, die die Demokratie bedrohe, schrieb die Zeitschrift «New Republic» kürzlich.

Eine Analyse der «New York Times» zeigte unlängst, dass Trump seine Unterstützer nicht mehr nur in der bildungsfernen Unterschicht findet, sondern immer mehr auch unter «white collars» mit College-Abschluss. Leute wie Horowitz versorgen dieses Zielpublikum und auch Trump selbst mit einem ideologischen Überbau und tragen zur Radikalisierung bei. Da Horowitz wenig Konkurrenten in dieser rechten Ecke hat, erhält er mehr Publicity, als er sich in seinen besten Tagen als Linker erträumen konnte.

Auf die Frage, wie Horowitz sein Leben und seinen politischen Werdegang von ganz links nach ganz rechts zusammenfassen würde, erzählt der 1939 Geborene, wie er in New York mit stalinistischen Eltern aufwuchs, sich aber mit siebzehn Jahren, nach Chruschtschows Entstalinisierungsrede, vom dogmatischen Kommunismus emanzipierte und sich der neuen Linken zuwandte, die nichts mehr mit der Sowjetunion zu tun haben wollte. «Nach dem Studium in Berkeley ging ich nach Schweden und Grossbritannien, wo ich für eine Friedensstiftung arbeitete und Bücher über den Vietnamkrieg und über Shakespeare schrieb», sagt er. «1968 kehrte ich in die USA zurück und wurde Mitherausgeber der linken Zeitschrift ‹Ramparts›. Ich knüpfte enge Beziehungen zu den Black Panthers und vermittelte ihnen 1974 eine Buchhalterin.» Dann bricht er die Schilderung ab und verweist stattdessen auf seine Autobiografie «Radical Son».

Das ist bemerkenswert, weil es hier um den Wendepunkt seines politischen Lebens geht. Die Buchhalterin war Betty Van Patter. Sie verschwand Ende 1974. Als Horowitz die Black Panthers nach ihr fragte, wurde er aggressiv abgewimmelt. Im Januar 1975 wurde ihre Leiche gefunden. Man hatte sie offensichtlich gefoltert, vergewaltigt und umgebracht. Horowitz vermutete schon damals, dass sie die Führung der Black Panthers auf Unstimmigkeiten in der Buchhaltung aufmerksam gemacht hatte; man beseitigte sie, weil man befürchtete, sie könnte die weitreichenden Betrügereien und verbrecherischen Machenschaften öffentlich machen. Black-Panthers-Mitglieder bestätigten später diese Version der Geschehnisse, aber niemand wurde verurteilt.

Die Wende von ganz links nach ganz rechts

Der Mord stürzte Horowitz in eine Krise. Er distanzierte sich öffentlich von den Black Panthers, die er fortan als kriminelle und terroristische Vereinigung einstufte. Hinzu kam die Desillusionierung in Bezug auf den Vietnamkrieg. «Als die Kommunisten das Land übernahmen und 2,5 Millionen Menschen in Vietnam und Kambodscha umbrachten, schwieg die Linke», sagt er. «Eigentlich waren ihnen die Vietnamesen egal.»

Die nächsten Jahre publizierte er international erfolgreiche Bücher über die Familiengeschichte der Kennedys, Rockefellers, Fords und Roosevelts, die auch auf Deutsch erschienen. Seine grundsätzliche Abkehr von der Linken machte er allerdings erst Mitte der achtziger Jahre in einer Reihe von aufsehenerregenden Artikeln öffentlich. Während er vorerst als klassischer Republikaner und Neokonservativer ein gerngesehener Gastredner an Universitäten und Kommentator in führenden Zeitungen war, wanderte er im Folgenden immer weiter nach rechts, bis er schliesslich zum Trump-Anhänger wurde. Heute führt er das von ihm gegründete David Horowitz Freedom Center – das er als «Kampfpanzer» zur Verteidigung der freien Gesellschaft bezeichnet – und gibt das antiislamisch ausgerichtete «Frontpage Magazine» heraus.

Die Demokraten bezeichnet er als Marxisten und Rassisten

Ein Interview mit Horowitz ist nicht einfach. Er redet einfach drauflos, und Fragen sind bloss kurze Unterbrechungen seines Redeflusses, der wenig mit den Fragen zu tun hat. Vieles wirkt übertrieben und polemisch, auch wenn immer mal wieder sein Wissen und sein scharfer Verstand durchscheinen.

Auf die Frage, warum denn seiner Meinung nach Biden ein Krimineller sei, wirkt er einen Moment konsterniert. Offenbar ist das Urteil für ihn und in seinem Umfeld so evident, dass ihm die Nachfrage absurd erscheint. Dann sagt er, Biden habe 20 bis 50 Millionen Dollar von feindlichen Mächten wie China erhalten, er habe die Südgrenze der USA zerstört und dadurch 8 Millionen Immigranten, unter ihnen viele Terroristen und Kinderhändler, ins Land gelassen. Etwa 250 000 der unbegleiteten Jugendlichen würden als Sexsklaven von den Drogenkartellen kontrolliert. Einen Beleg für solche Zahlen hat er nicht.

Die Aufregung um den 6. Januar 2021 findet er lächerlich, weil ja schliesslich keiner der Beteiligten bewaffnet gewesen sei. Die Wahl von 2020 erachtet er als gefälscht, und die Demokraten bezeichnet er als Marxisten und Rassisten. Auf die Frage, ob er auch fragwürdige Züge an Trump entdecke, antwortet er genervt: «Nein! Was denn auch? Geben Sie mir ein einziges Beispiel!»

Auf die Bemerkung, dass er immer zum Extrem tendiere, früher als Linker, jetzt als Rechter, entgegnet er: «Was meinen Sie mit radikal? Wirke ich auf Sie etwa wie ein Fanatiker? Ich tue niemandem mit dummen Ideen etwas an. Ich will nur eine stärkere Verteidigung für das Gute. Sie lesen nicht, was ich schreibe, und wenn Sie es lesen, investieren Sie nicht genug Zeit, es zu verstehen. Ich bin ein Liberaler, der schreibt, das ist alles.»

Die Gefängnisreform, die freie Schulwahl und die Sklaverei

Im Zusammenhang mit dem Vorwurf, Trump sei ein «white supremacist», also einer, der die Überlegenheit der Weissen propagiere, spricht Horowitz allerdings durchaus Bedenkenswertes an; zum Beispiel die Tendenz der Demokraten, die Kriminalität in demokratisch regierten Grossstädten zu verharmlosen, während es doch oft die arme, schwarze Bevölkerung ist, die am meisten unter ihr leidet. Er erwähnt die Justizreform («First Step Act»), die 2018 unter Trump verabschiedet wurde. Sie weichte die strenge Bestrafung für Drogendelikte ohne Gewaltanwendung auf Bundesebene auf und sollte der Überbelegung vieler Gefängnisse mit schwarzen Insassen entgegenwirken. Es gilt als eines der wenigen Beispiele in der polarisierten amerikanischen Politik, bei denen eine überparteiliche Lösung für ein drängendes Problem gefunden wurde.

Ein anderes Trump-Projekt, von dem Horowitz’ Meinung nach vor allem die afroamerikanische Bevölkerung profitiere, ist die freie Schulwahl («school choice»). Dahinter steht die Idee, mehr freien Markt beim Bildungssystem zuzulassen: Die Eltern erhalten in Form eines Gutscheins einen bestimmten Anteil aus den Steuereinnahmen und können die Schule selbst wählen. Laut den Befürwortern wären dann insbesondere auch Afroamerikaner in armen Quartieren nicht mehr gezwungen, die Kinder in den dortigen, oft schlechten Public Schools unterzubringen. Kritiker befürchten, dass in den öffentlichen Schulen am Ende nur noch Kinder mit Lernschwierigkeiten unterrichtet werden, die man sonst nirgendwo aufnimmt. Obwohl sich alle einig sind, dass das gegenwärtige System schlecht ist, wird auch diese Diskussion zwischen den Parteien auf eine gehässige, ideologische Weise geführt.

Auch Horowitz’ Überlegungen zu Sklaverei und Reparationszahlungen, die er bereits 2003 in seinem Buch «Uncivil Wars» darlegte, sind zwar polemisch zugespitzt, aber nicht völlig aus der Luft gegriffen. «Sklaverei war eine Praxis, die in Afrika schon Jahrhunderte vor der Ankunft der Weissen existierte», sagt er. Sie sei zuerst unter Afrikanern selbst und dann mit arabischen Sklavenhändlern betrieben worden. Es habe sich um ein universales Phänomen gehandelt.

Von daher sei es unsinnig, darin «Amerikas Ursünde» zu sehen und das Land als «per se rassistisch» zu charakterisieren, so wie dies etwa die Critical Race Theory vertrete. «Die Behauptung, Schwarze seien minderwertig, ist nachträglich gekommen», sagt Horowitz. «Es war die Legitimation der Sklavenhalter gegenüber ihren Kritikern, die die Gleichheit der Menschen betonten.» Vor allem aber dürfe man nicht vergessen, was der Sklaverei ein Ende bereitet habe: «Die Sklaven wurden befreit, weil 360 000 vor allem weisse Amerikaner im Bürgerkrieg ihr Leben für die Freiheit der Schwarzen hergaben. In der ganzen Geschichte kenne ich keinen anderen Fall, in dem eine ‹Rasse› solche Opfer darbrachte, um eine andere zu befreien.»

Horowitz’ «Antirassismus»

Am meisten zur Weissglut treibt Horowitz der Vorwurf gegen Trump (und damit indirekt auch gegen ihn selbst), er sei ein Rassist. Das mag mit seinen Erfahrungen mit den Black Panthers zu tun haben, für die der Rassismusvorwurf gegenüber dem weissen Amerika geradezu eine Existenzgrundlage war, aber auch mit seinem jüdischen Hintergrund. Besonders empfindlich reagiert er, wenn jemand Trump als Faschisten oder Nazi und die Auffangcamps für illegal Eingereiste als Konzentrationslager bezeichnet. Er dreht den Spiess aber jeweils gleich um und behauptet, die Demokraten seien die «Vorhut des Faschismus» und insbesondere ihre schwarzen Bürgermeister Rassisten.

Immer wieder hebt er die Verdienste Trumps um Israel hervor. Die «Abraham Accords» – das 2020 unter der Ägide der USA zustande gekommene Abkommen von Israel mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain – bezeichnet er als die positivste Friedensinitiative in der Geschichte des Nahen Ostens, die Biden jedoch am ersten Tag seiner Präsidentschaft zerstört habe wie ein betrunkenes Kind.

Zum Beweis, dass er selbst kein Rassist sei, betont Horowitz, wie stark er unter Beschuss gekommen sei, weil er als einer der wenigen Republikaner Trayvon Martin verteidigt und die Bestrafung von George Zimmerman gefordert habe. Der unbewaffnete afroamerikanische Schüler Martin war von Zimmerman, einem Latino und selbsternannten Wachmann, 2012 in Florida erschossen worden; das Gericht sprach Zimmerman frei. Der Fall löste eine landesweite Diskussion über Rassismus und Demonstrationen aus.

«Propagandist einer zerstörerischen Massenbewegung»

Horowitz nervt es, wenn er von den Medien immer wieder in die reaktionäre Ecke gestellt wird. Er betrachtet sich als Verteidiger der Bürgerrechte, der Homosexuellen, der alternativen Lebensstile, der Rede- und Pressefreiheit. Bei der Abtreibungsfrage sieht er sich als moderat. Er ist eine seltsame Mischung aus Intellektuellem und Pyromanem, aus unorthodoxem Analytiker und hysterischem Polemiker. Er ist hyperempfindlich gegenüber linker Demagogie, aber wirft blindwütig mit rechten Allgemeinplätzen um sich. Äusserlich ist er ein alter Mann, innerlich, so kommt es einem vor, immer noch ein pubertierender Radikalinski – gewissermassen Trumps gebildetes und deshalb um so verstörenderes Alter Ego.

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