Sonntag, November 24

Mark Zuckerberg trägt seit neustem oversized Shirts, Goldketten und Pelzjacken. Ein gewagter Bruch mit seiner alten Garderobe. Was steckt hinter dem Modewandel?

Der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sagte 2014 in einer öffentlichen Fragerunde: «Ich habe das Gefühl, dass ich meine Arbeit nicht mache, wenn ich meine Energie auf Dinge verwende, die in meinem Leben albern oder trivial sind.» Von dieser Philosophie scheint er sich unterdessen verabschiedet zu haben. Die Hoodies, die immer gleichen grauen Shirts von Brunello Cucinelli und die blauen Jeans sind aus Zuckerbergs Kleiderschrank verschwunden. Ihren Platz nehmen nun Streetwear, Goldketten und Designerhosen ein – modische Attribute, die man dem 40-jährigen Milliardär nicht unbedingt zugeordnet hätte. Doch sie sind Teil eines gesamthaften Image-Wandels.

Zuckerberg und der Zeitgeist

Ein besonderes Faible hat Zuckerberg für Shirts mit bedeutungsschwangeren Zitaten entwickelt. So trägt er beispielsweise zu seinem 40. Geburtstag ein oversized geschnittenes T-Shirt mit dem Aufdruck «Carthago delenda est». Zu Deutsch: «Karthago muss zerstört werden.» Passend zum Kampfruf der alten Römer ziert eine dicke goldene Gliederkette seinen Hals, und er lächelt in die Kamera.

Die Instagram-Kommentatorinnen und -Kommentatoren nehmen kein Blatt vor den Mund. Ein User fragt, seit wann Mark Zuckerberg denn ein Mensch sei. Ein anderer schreibt: «Wie es aussieht, haben sie dir endlich den Chip für Emotionen installiert.» Es ist nicht lange her, da wurde Zuckerberg im Internet noch als Roboter oder Eidechse bezeichnet, so emotionslos wirkte er.

Seine neue Aufgeknöpftheit zeigt sich aber auch an anderen Beispielen. Beim letzten Meta-Event etwa, als er nicht mehr an der Seite von anderen Nerds stand, sondern neben Brandon Moreno, einem professionellen MMA-Kämpfer.

Tech-Milliardär mit Hobbys

Mark Zuckerberg praktiziert Jiu-Jitsu und nimmt an offiziellen Wettkämpfen teil. Nicht erfolglos: Der Tech-Milliardär gewann bei seinem ersten Turnier in Kalifornien gar die Goldmedaille. Ein Nerd, der ein Kampfsportturnier gewinnt, kann gar kein richtiger Nerd mehr sein. Hinzu kommt sein Besuch bei einem UFC-Kampf, bei dem er als Ehrengast empfangen wurde und aus der ersten Reihe bestaunen konnte, wie zwei Männer sich im Käfig windelweich prügelten.

Genau wie der Kampfsport ist auch die UFC besonders unter jungen Männern beliebt. Diese sehen einen milliardenschweren Konzern-CEO, der in neuen Kleidern coole Sachen macht. Sie sehen, wie er Sport treibt, einer Leidenschaft nachgeht und mit neuem Stil in der Öffentlichkeit präsent ist – ein Glow-up also. Was sie plötzlich nicht mehr sehen, so dürften die PR-Berater hinter Zuckerberg hoffen, sind die zahlreichen Klagen, mit denen sich sein Konzern Meta regelmässig konfrontiert sieht. Plötzlich redet man nur noch über Hobbys und Sneaker von «Zuck», wie er sich auch auf Social Media nennt.

Was steckt dahinter?

Aus modischer Sicht ist die Transformation gelungen. Kaum überraschend sieht Zuckerberg um einiges besser aus, seit er nicht mehr daherkommt, als schneide sein Gärtner ihm die Haare, und er Persönlichkeit in seine Garderobe fliessen lässt.

Für die Zuschauer von aussen bietet die radikale Stilentwicklung eines 40-jährigen Mannes auch einen gewissen Unterhaltungswert. Doch ganz bestimmt profitiert auch sein Ruf.

Zuckerbergs Inszenierung ist kein Einzelfall in der Welt der Superreichen. Auch Elon Musk vermag mit seinen schrillen Tweets und bizarren Auftritten von Produktionsproblemen bei Tesla abzulenken.

Kim Kardashian zeigte sich auf der Met-Gala 2021 in einem schwarzen Kleid, das sie vom Scheitel bis zur Sohle vollständig überdeckte. Und plötzlich sprach für einen Augenblick niemand mehr von ihrer kürzlichen Scheidung und den privaten Dramen rund um ihren Ex-Gatten Kanye West.

Kunstvolle Ablenkungsmanöver

Die Reichen und Schönen nutzen modische Veränderungen und pompöse Auftritte in der Öffentlichkeit bewusst, um die Wahrnehmung zu beeinflussen. Zuckerbergs Transformation mag auf den ersten Blick harmlos wirken, doch sie ist Teil einer Strategie.

Der Tech-Nerd, der für seine dürftige Garderobe und emotionslose Mimik belächelt wurde, hat sich in einen trendbewussten, athletischen Mann verwandelt. Und diese Verwandlung läuft auf Hochtouren seit seiner letzten grossen Anhörung vor dem US-Senat Anfang dieses Jahres. Dort musste Zuckerberg über die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Internet aussagen.

Zuckerberg erschien über die Jahre sieben Mal zu ähnlichen Anhörungen. Stets tauschte er seine übliche Garderobe gegen einen Anzug aus. Zuckerberg entschuldigte sich schon so oft vor dem Kongress, dass die «New York Times» seinen Anzug den «I’m Sorry Suit» nannte.

Praktisch also, wenn man einen Weg findet, davon abzulenken, welche Rolle Facebook und Instagram bei der Verbreitung von Falschinformationen haben oder wie diese Plattformen das Leben von Kindern und Jugendlichen negativ beeinflussen. Während auf Social Media über seinen neuen Stil diskutiert wird, die Goldketten und Sprüche auf seinen Shirts, mögen die ernsteren Fragen zu Meta in den Hintergrund geraten.

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