Der Aufstieg von Leo XIV. war steil. So verweilte er nur kurze Zeit im vatikanischen Amt, das für die Bischöfe zuständig ist – doch dabei traf er einen besonders heiklen Personalentscheid.

Der verstorbene Papst Franziskus hielt viel vom Amerikaner Robert Prevost und sah in ihm einen potenziellen Nachfolger. So förderte er den Mann, der viele Jahre in Peru gewirkt hatte, und sorgte für einen schnellen Aufstieg: Im Januar 2023 holte er Prevost nach Rom, machte ihn zum Erzbischof und gleichzeitig zum Präfekten des Dikasteriums für die Bischöfe. Diese Behörde ist für die Ernennung der Bistumsleiter und für die Kontrolle von deren Amtsführung zuständig.

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Nach wenigen Monaten, noch vor seiner Beförderung zum Kardinal, musste Prevost in dieser Funktion einen heiklen Entscheid treffen. Es ging um das Erzbistum Vaduz und dessen umstrittenen Erzbischof: Wolfgang Haas. Am 7. August 2023 wurde Haas 75 Jahre alt. Und musste damit wie alle Bischöfe, die dieses Alter erreichen, dem Papst seinen Rücktritt anbieten.

Die zahlreichen Kritiker von Haas hatten jahrelang auf diesen Moment gewartet. 1997 wurde Haas in seine liechtensteinische Heimat wegbefördert, der Vatikan hatte das Erzbistum Vaduz eigens für ihn gegründet. Die Situation im Bistum Chur, wo Haas seit 1990 herrschte, war unhaltbar geworden. Eine Mehrheit der Katholiken von Zürich bis Poschiavo lehnte den Oberhirten ab, der jegliche Konzession an den Zeitgeist für einen Verrat am wahren Glauben hält.

Skepsis im Fürstentum

Doch auch in Vaduz empfing man ihn nicht gerade mit offenen Armen. Es gab eine Demonstration und eine Petition gegen Haas. Die Regierung und fast der gesamte Landtag blieben der Feier zur Amtseinführung aus Protest fern. Fürst Hans-Adam II. schlug sich indes auf die Seite des ultrakonservativen Erzbischofs und unterstützte auch die Gründung des Erzbistums.

Haas weihte rund sechzig Priester, vor allem aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – eine sehr grosse Zahl für ein Bistum mit zehn Pfarreien. Unter ihnen sind einige zwielichtige Gestalten, die man in ihren Heimatbistümern als untauglich für das Priesteramt eingestuft hatte. Manche von ihnen wurden des Kindsmissbrauchs und des Besitzes von Kinderpornografie beschuldigt, verbreiteten rechtsextreme Verschwörungstheorien oder schossen sich wegen dessen Reformagenda auf Papst Franziskus ein.

Viele Gläubige im Fürstentum verfolgten dieses Treiben mit einer Mischung aus Abneigung und Sarkasmus. Und selbst das Fürstenhaus wandte sich von Haas ab. Erbprinz Alois sprach sich für einen personellen Wechsel aus: Man müsse mehr auf die Leute zugehen. Doch Haas hatte unter konservativen Katholiken auch viele Fans. Sie hofften, dass er länger im Amt bleiben würde.

Standhaft bis zum Schluss

Und auch der Erzbischof selbst machte klar, dass er seine Mission noch nicht für beendet hielt und ein paar Jahre anhängen wollte. In einem Hirtenbrief zeigte er sich empört über die Hartnäckigkeit und «Arroganz» seiner Kritiker, die immer wieder auf das Rücktrittsdatum hinwiesen. Schon Jesus habe seinen Jüngern erklärt: «Ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden; wer aber bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet.»

Haas schwieg in der Zeit rund um seinen 75. Geburtstag beharrlich. Offenbar liess er mehrere Tage verstreichen, bevor er dem Papst seinen Rücktritt anbot. So war es an seinem Vorgesetzten Robert Prevost, über die Zukunft des Bistums zu bestimmen. Und er tat dies in einer Art, die Haas’ Anhänger bitter enttäuschte: Nicht nur nahm Prevost das zähneknirschend formulierte Rücktrittsangebot an und schickte Haas damit in den Ruhestand. Er weigerte sich auch, einen Nachfolger einzusetzen, der das Erbe des umstrittenen Erzbischofs als Bruder im Geiste nahtlos fortgesetzt hätte.

Mit einem Dekret, das er am 20. September 2023 unterzeichnete, ernannte Prevost stattdessen den Bischof von Feldkirch, Benno Elbs, zum apostolischen Administrator für Vaduz. Elbs verwaltet damit das Erzbistum ad interim, bis ein fester Nachfolger gefunden ist. Wie Elbs kürzlich nach der Wahl von Prevost zum Papst im österreichischen Fernsehen sagte, ist der Amerikaner ihm gegenüber sehr hilfreich gewesen – gerade auch angesichts der «komplexen Situation» in Liechtenstein.

Ein schwieriger Job

Obwohl er aus einer fernen Weltgegend stammt, ist Leo XIV. also bestens informiert über die Vorgänge im Fürstentum. Wie es dort personell weitergeht, ist unklar. Dass das Erzbistum auch nach der Ära Haas bestehen bleiben soll, haben verschiedene Kirchenvertreter bereits bestätigt. Eine Wiedereingliederung ins Bistum Chur, wie sie manche Reformkatholiken gefordert haben, dürfte damit vom Tisch sein.

Doch dem Vernehmen nach ist es nicht einfach, einen Mann zu finden, der den Job übernehmen möchte. Denn gerade der Umgang mit den zahlreichen von Haas eingesetzten Priestern dürfte für einen Erzbischof, der ein moderneres Kirchenkonzept verficht, äusserst schwierig werden.

Sollte es auch in den nächsten Monaten keine Lösung geben, ist es gut möglich, dass sich Prevost wieder um das Mini-Bistum mit seinen knapp 30 000 Katholiken kümmern und ein Machtwort sprechen muss – nun nicht mehr als Präfekt, sondern als Pontifex.

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