Ein neuer Dokumentarfilm von Reto Brennwald beschäftigt sich mit der grassierenden Staatsgläubigkeit in der Schweiz und zeigt, wie die Bürokratie normale Menschen zur Verzweiflung treibt.
Im Winter 2020 brannte im Zürcher Oberland ein Bauernhof ab. Die junge Bauernfamilie verlor ihr Heim, den Stall, die Nebengebäude. Doch nicht nur das: Beim Wiederaufbau des Hofs sah sich die Familie einer kafkaesk anmutenden Bürokratie gegenüber, die nur schon für die Bereitstellung einer Notunterkunft auf zahlreichen Auflagen von Entwässerungsplänen bis Brandschutz beharrte und das sympathische Paar zur Verzweiflung trieb. So beginnt «Das Erfolgsgeheimnis der Schweiz», ein rund 40-minütiger Dokumentarfilm von Reto Brennwald, dessen Titel man durchaus ironisch verstehen kann. Denn wenn etwas die Schweiz erfolgreich gemacht hat, dann waren es nicht eine überbordende Bürokratie und staatliche Kontrollen, sondern freiheitliche Grundbedingungen und Eigenverantwortung.
Brennwalds Film, der letzte Woche Premiere hatte, führt vom Kleinen ins Grosse, vom Bauernhof im Zürcher Oberland ins Bundeshaus. Von der Arztpraxis, wo die Ärztin mit unsinnigen behördlichen Vorgaben kämpft, bis hin zu den endlosen Fluchten des Bundesamts für Gesundheit mit seinen Hunderten von Mitarbeitern. Er zeigt, wie der Staat auf allen Ebenen wächst, wie die Zahl der Gesetze steigt, jene der Staatsangestellten ebenso, wie sich die Sozialausgaben innert weniger Jahrzehnte vervielfacht haben – all das, ohne dass die grossen Probleme wie Altersvorsorge oder Migration gelöst wären.
Die Schweiz im «Semi-Sozialismus»
Einen eigentlichen Auslöser für den Film habe es nicht gegeben, es sei aber die grundsätzliche Faszination und Dankbarkeit einem Land gegenüber, in dem man wie sonst nirgends auf der Welt aus seinem Leben etwas machen könne, sagt Brennwald. Und die Beobachtung, dass die Entwicklung in die falsche Richtung gehe und ein zunehmender Etatismus und eine Gratiskultur («Gratistampons für alle!») Einzug hielten, die den Unternehmergeist bremsten. Oder wie der liberale Ökonom und Publizist Gerhard Schwarz im Film fast schon händeringend sagt: «Heute sind wir sicher im Semi-Sozialismus.»
Brennwald lässt neben weiteren liberalen Stimmen wie jenen der Ökonomen Christoph Schaltegger, Melanie Häner oder Aymo Brunetti, die kapitalismuskritische Stereotype widerlegen, auch Andersdenkende zu Wort kommen. Solche, die mit dem umsorgenden Staat nicht grundsätzlich fremdeln, wie den Bieler SP-Stadtpräsidenten Erich Fehr oder die SP-Ständerätin Franziska Roth. Sie halten die Kritik am Staatswachstum zwar für stark übertrieben, doch schimmern auch bei ihnen leise Zweifel durch, ob nicht weniger mehr wäre – manchmal zumindest.
Die Verantwortung für den teuren Staat liegt dabei keineswegs nur bei den linken Parteien. Die Bürgerlichen, die im eidgenössischen Parlament die Mehrheit stellen, sind nicht verlässlicher. Bei der Budgetdebatte spiele man sich als die grossen Sparapostel auf, doch während des Jahres gebe man das Geld dann für jeden Unsinn aus, sagt der frühere Finanzminister Ueli Maurer im Film.
Die Bürokratie und die Regulierungsdichte sind freilich nicht nur durch sich selbst getrieben und allein auf eine überambitionierte Verwaltung und ausgabenfreudige Politiker zurückzuführen. Zahlreiche Vorschriften haben ihre Grundlage in internationalen Abkommen. Im Film wird dies an der Istanbul-Konvention des Europarates illustriert, die sich gegen Gewalt an Frauen richtet. Bevor die Schweiz der Konvention 2018 beitrat, versicherte der Bundesrat gegenüber dem Parlament, dass man das Abkommen bedenkenlos abschliessen könne. Gesetzesänderungen seien nicht nötig, das Schweizer Recht genüge vollauf.
Ein paar Jahre später zeigt sich: Die Realität ist eine andere, die Liste der Vorstösse und Konzepte rund um die Istanbul-Konvention wird immer länger, inzwischen beschäftigen sich mehrere Bundesämter mit ihrer Umsetzung. Andere Beispiele für ausufernde internationale Verträge gibt es zuhauf. Und wieder einmal fragt man sich, warum Bundesrat und Parlament bei der internationalen Verrechtlichung so bereitwillig mitmachen und dadurch die Freiheit der Schweiz ohne Not immer mehr einschränken.
Stress in der «Arena»-Redaktion
«Das Erfolgsgeheimnis der Schweiz» hat Brennwald privat finanziert, ohne bei der Filmförderung um Unterstützung anzuklopfen. Der frühere SRF-Journalist zählt in der Medienbranche zu der überschaubaren Gruppe von Personen, die ein freiheitliches Weltbild haben und mit dem linken Zeitgeist wenig anfangen können. Beim Schweizer Fernsehen moderierte er sieben Jahre lang die Politsendung «Rundschau» und drei Jahre die «Arena». In der «Arena»-Redaktion fühlte er sich als Nichtlinker zusehends in der Minderheit, es gab endlose Diskussionen über Inhalt und Ausrichtung. Irgendwann waren die Spannungen so gross, dass Brennwald die Moderation der Sendung abgeben musste.
Er blieb noch ein paar Jahre bei SRF und beschäftigte sich vor allem mit Reportagen. Vor zehn Jahren machte er sich selbständig. Seither geniesse er die Freiheit des Unternehmertums, sagt er. Er könne Projekte angehen und Dinge tun, wie es ihm als SRF-Mitarbeiter nicht möglich gewesen sei.
Heute moderiert Brennwald landauf, landab Anlässe, die sein Sensorium für die Gefühlslage der Bevölkerung geschärft hätten. Er zeigt Politikern oder Wirtschaftsführern, wie man sich vor der Kamera verhält. Und er macht Filme. Sein – medienkritischer – Film über den Umgang mit der Corona-Pandemie («Unerhört!») wurde im Internet über eine halbe Million Mal angeschaut und hat ihn bei seinen ehemaligen Berufskollegen nicht beliebter gemacht. Brennwald ist überzeugt davon, dass auch sein Film über die einst so liberale Schweiz, die ihre Freiheit zusehends aufgibt, sein Publikum finden wird. Zu sehen ist der Film auf https://das-erfolgsgeheimnis-der-schweiz.ch.