Mittwoch, Oktober 30

Am Holocaust-Gedenktag will eine Gruppierung in Zürich eine Pro-Palästina-Demo durchführen. Noch bevor klar ist, ob die Veranstaltung bewilligt wird, gibt es Kritik.

Am Montag lädt eine Gruppierung auf Instagram eine Einladung zu einer Grossdemonstration hoch: Am 27. Januar soll in Zürich für ein «freies Palästina» demonstriert werden, so steht es auf dem Flyer zur der Kundgebung.

Mehr als 2000 Personen liken den Aufruf des Palästina-Komitees Zürich – unter ihnen auch Anna Rosenwasser, LGBTQ-Aktivistin, Autorin. Ende Jahr wurde sie auch dank ihrer Bekanntheit als Polit-Influencerin überraschend für die SP in den Nationalrat gewählt. Rosenwasser ist in den sozialen Netzwerken eine wichtige Stimme, hat mehr als 40 000 Follower. Durch ihre Unterstützung bekommt auch die Palästina-Demo mehr Aufmerksamkeit. Doch kurze Zeit später löscht Rosenwasser diese Sympathiebekundung wieder. Weshalb?

Rosenwasser sagt auf Anfrage: «Ich habe den Beitrag gelikt, weil ich finde, dass alle eine Waffenruhe fördern und fordern sollten.» Sie habe sich dann aber umentschieden, weil sie sich bei diesem aussenpolitisch für sie sehr heiklen Thema nicht exponieren wolle: «In dieser aufgeheizten Stimmung muss ich vorsichtig sein und abwägen, was die Debatte weiterbringt und was mich gefährdet.» Es vergehe seit dem 7. Oktober kein Tag, an dem sie wegen ihres Nachnamens, der auf die jüdischen Wurzeln des Vaters zurückgeht, nicht Nachrichten erhalte – von allen Konfliktparteien.

Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG), ordnet den Aufruf der Gruppierung auf Instagram als höchst problematisch ein, verdeckt würden antisemitische Parolen benutzt. Auf Arabisch steht auf dem Flyer: «From the river to the sea, Palestine will be free.» Eine Parole, die die Auslöschung Israels impliziere und nach gängiger Lehrmeinung als antisemitisch gelte, so Kreutner.

«Die Veranstalter sind sich offenbar der Problematik bewusst, sonst hätten sie den Spruch nicht auf Arabisch geschrieben und damit für Laien kaschiert», sagt Kreutner. So hätten wohl viele Leute die Veranstaltung auf Instagram gelikt, ohne zu erkennen, dass da eine antisemitische Aussage stehe. Wäre es auf Deutsch oder Englisch geschrieben gewesen, hätte das manche abgeschreckt, sagt Kreutner. «Die Organisatoren versuchen Unterstützung zu erheischen von Leuten, die schnell etwas liken und glauben, eine angebliche Friedens-Demonstration zu unterstützen.»

Auf Instagram werben die Veranstalter zwar mit den unverfänglichen Worten wie «Grossdemo Zürich». Doch eher unauffällig prangt dazwischen auf Arabisch der Slogan, den Kreutner kritisiert.

Er sagt, aus seiner Sicht bedeute die Verwendung des Slogans auf dem Flyer eine neue Eskalationsstufe. Bisher sei die Parole bei Pro-Palästina-Demonstrationen lediglich skandiert und auf Bannern gezeigt worden. Nun werde der Slogan erstmals auf einem Flyer bewusst eingesetzt.

Für Kreutner ist die Veranstaltung noch aus einem zweiten Punkt problematisch: Sie findet am 27. Januar statt, dem offiziellen Gedenktag für die Opfer des Holocaust. «Die Kombination aus Aufruf zur Gewalt an Juden und dem Datum ist für mich unerträglich», sagt Kreutner. Aus seiner Sicht sei auch irrelevant, ob die Verwendung des Slogans strafbar sei.

Dieser Frage dürfte sich die Zürcher Staatsanwaltschaft stellen müssen. Die Zürcher Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) hat am Mittwoch Anzeige eingereicht gegen die Veranstalter. Im Schreiben an die Behörden hält die GRA fest, die Veranstalter verschleierten gegenüber dem Schweizer Durchschnittsleser ihre wahren Absichten, indem sie im Flyer schrieben, man sei gegen Antisemitismus. Gleichzeitig werde auf Arabisch aber zur Vertreibung und Vernichtung aller Juden aufgerufen.

Wie die Zürcher Staatsanwaltschaft den Fall bewerten könnte, zeigt ein Entscheid der Basler Behörden. Dort hat die Staatsanwaltschaft vor wenigen Tagen bekanntgegeben, dass sie die Parole als möglicherweise antisemitisch, aber nicht strafbar einstufe. In Basel hatten Demonstranten bei einer Kundgebung, die die Gruppierung aus Zürich mit organisierte, dieselbe Parole skandiert und auf Bannern mitgetragen.

Kreutner will die Bevölkerung für das Thema sensibilisieren, und er erhofft sich etwas Einsicht bei den Organisatoren der Demonstration, auch wenn er sich da wenig Hoffnung macht: «Vielleicht gibt es ein paar wenige Vernünftige, an deren Verantwortungsgefühl appelliere ich. Es darf nicht weiter Hass geschürt werden mit solchen Parolen.»

Ob die Kritik der SIG Einfluss auf die Veranstaltung haben wird, ist offen. Eine Anfrage der NZZ an die Veranstalter blieb unbeantwortet.

Sie haben bei der Stadtpolizei Zürich ein Gesuch für die Veranstaltung eingegeben. Ob die Demonstration bewilligt werde, könne noch nicht mitgeteilt werden, sagt Judith Hödl, Mediensprecherin der Stadtpolizei Zürich. Das Gesuch sei in Bearbeitung.

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