Vor acht Jahren protestierten in Washington noch Hunderttausende mit pinkfarbenen Pussyhats. Diesmal gab nur ein Hut zu reden. Donald Trump und seine Familie sind angekommen.
In der populären Satiresendung «Saturday Night Live» von letztem Samstag blickte Donald Trump freudig seiner Amtseinführung entgegen. Donald Trump wird in der Show auf NBC vom Komiker James Austin Johnson parodiert. Trumps Double sagte also: Die Inauguration finde drinnen statt – «zu viele Leute, um sie draussen unterzubringen».
Es war eine Anspielung auf Trumps Inauguration vor acht Jahren. Damals stritt sich Trump mit den Medien darüber, wie viele Zuschauer der Feier beiwohnten, die im Freien stattfand. Er behauptete, noch nie habe eine so grosse Menschenmenge einem Präsidenten zugejubelt. Die Bilder zeigten etwas anderes.
Weil es am Montag in Washington eisig kalt war, wurde die Feier in die Kuppelhalle des Capitols verlegt. Darin fanden 800 Gäste Platz. Der Raum war begrenzt, auch nach oben. Er wolle sein Land «in den Himmel führen», sagte Donald Trump dafür in seiner Antrittsrede. Auf dem Mars werde die amerikanische Fahne wehen.
Metaphysischer wurde er, als er das Attentat im Sommer erwähnte, die Kugel, die ihn bei einem Wahlkampfauftritt am Ohrläppchen traf. Gott habe ihn beschützt, sagte Trump, «um Amerika wieder gross zu machen».
Über so profane Dinge wie Zahlen muss man sich dieses Mal nicht streiten. Der Präsident hat das nicht nötig. Trump ist das Image des orangen Clowns, der nun vier Jahre mit seinem chaotischen Stil den Politbetrieb aufmischt, um danach wieder zu verschwinden, losgeworden. Das zeigten die Feierlichkeiten am Montag.
Joe Biden zu den Trumps: «Welcome home»
Donald Trumps Haare sind weisser geworden. Melania Trump hatte den Hut, der sie wie Zorro aussehen liess und über den seither alle reden, tief in die Stirn gezogen. «Welcome Home»: Mit diesen Worten wurden die Trumps von Joe und Jill Biden, dem abtretenden Präsidentenpaar, im Weissen Haus empfangen.
Tatsächlich wurde die Rückkehr zum Heimspiel. Der neue alte Präsident ist nicht mehr nur ein Aussenseiter. Er muss niemandem mehr beweisen, dass er am richtigen Ort ist. Trump weiss einen grossen Teil der anwesenden politischen Klasse auf seiner Seite. Alle nahmen willig den Platz ein, den er ihnen an diesem Tag unter der Kuppel zugewiesen hat. Seine Partei zeigte sich folgsam. Die Demokraten wirkten resigniert.
Während der Amtseinführung in der Rotunde des Capitols sassen die ehemaligen Präsidenten und ihre Frauen beisammen, als gehörten sie in eine andere Ära. Trumps Aufstieg markiert eine Zäsur in der amerikanischen Geschichte. Durch seinen Politstil bricht er mit all seinen Vorgängern. Das wurde in der Show, die folgte, klar.
Die Bushs, die Clintons, die Bidens, Kamala Harris: Man konnte nur erahnen, was in den Köpfen vorging, während Trump vom «Niedergang» Amerikas redete, von einer «Vertrauenskrise», für die er seine Vorgänger verantwortlich machte. Diese sassen mit starren Gesichtern da. Gesenkte Blicke, flüsternde Lippen, ein lautes Lachen.
Herausgelacht hat Hillary Clinton, als Trump in seiner Rede ankündigte, den Golf von Mexiko in Golf von Amerika umzubenennen. Bill Clinton verschränkte die Arme vor der Brust, als wolle er das, was er hörte, nicht an sich heranlassen.
Vielleicht wäre es für manche Demokraten ehrlicher gewesen, der Feier fernzubleiben so wie Michelle Obama, die sich aus Hawaii entschuldigen liess. Barack Obama immerhin war gut gelaunt. Als er von einem Mitarbeiter von George W. Bush gefragt wurde, ob er sich heute benehmen werde, antwortete er «Nein». Er tat es dann doch.
«Ich habe einen grossen Sohn namens Barron»
Obwohl Donald Trump rhetorisch lieber noch einmal austeilte an diesem «Befreiungstag», wie er seine Inauguration nannte, sah man auch versöhnliche Gesten. Sogar vom neuen Präsidenten selbst, als dieser nämlich, der Ton war abgestellt, seine Lippen zu einem «Thank you» formte, das er Biden zum Abschied sagte. Da war die Zeremonie bereits vorbei, und die Trumps begleiteten Joe und Jill Biden zum Militärhelikopter. Als dieser abhob, winkten sie den Bidens hinterher.
Aufgefallen ist durch seinen freundlichen Umgang Barron Trump, der jüngste Sohn der Trumps. Barron ging schon drinnen von sich aus auf Joe Biden und Kamala Harris zu und schüttelte ihnen die Hand, wechselte ein paar Worte.
Was seine Fans von Donald Trump nicht erwarten, da sie die Härte an ihm lieben, gefällt ihnen an seinem Sohn. Barrons staatsmännisches Verhalten kam an. «Dieser Junge wird eines Tages unser Präsident», schwärmten sie in den sozialen Netzwerken.
Barron ist in den acht Jahren vom hochgeschossenen Buben zum langen Mann geworden. Über 2 Meter misst der 18-Jährige. «Trump Tower» wird er auch genannt. Zum ersten Mal zeigten Trump und sein Sohn öffentlich, dass sie eine Beziehung haben. «Ich habe einen sehr grossen Sohn namens Barron, hat schon einmal jemand von ihm gehört?», fragte Trump in einer seiner Reden am Montag. Etwas unbeholfen ahmte dieser Trump nach. Daumen hoch – ihr seid grossartig. Hand ans Ohr, als hörte er den Jubel des Publikums nicht.
Der Präsident bedankte sich bei Barron, der ihm im Wahlkampf aufgezeigt habe, wie wichtig Auftritte bei Youtubern und Podcastern wie Joe Rogan sind. So erreichte Trump vor allem junge männliche Wähler. Barron, der an der New York University Wirtschaft studiert, soll laut Berichten sein eigenes Immobilienunternehmen gründen. Der Familienbetrieb wächst.
Bisher schirmte Melania Trump ihr einziges Kind vor der Öffentlichkeit ab. Sie wollte ihn schützen vor dem Gerede. Etwa, als es hiess, Barron sei autistisch, und er in der Schule deswegen gemobbt wurde. Nun lässt Melania Trump ihren Sohn los. Dieser emanzipiert sich. Als Barron bei der Inauguration Biden die Hand reichte, drehte sie den Kopf zu den beiden, als ob sie sein Verhalten verblüffte.
Die First Lady ehrt die Tradition
Die First Family ist endgültig angekommen. Das gilt auch für Melania Trump. Zwar tut die 54-Jährige weiterhin das, was sie seit zwanzig Jahren an Donald Trumps Seite tut: Sie versteckt sich, indem sie sich zeigt. Sie inszeniert sich durch Garderobe und Gebaren als Geheimnisvolle. Ihr marineblauer Mantel war zugeknöpft bis zum Hals, die Hutkrempe beschattete die Augen. Unmöglich, herauszulesen, was in ihr vorging. Doch dann lächelte sie. Und gleich noch einmal.
Melania Trump machte während der ganzen Feier einen gelösten Eindruck. Es wurde schon gewettet, sie würde sich von Donald Trump scheiden lassen, sollte er nicht zum Präsidenten gewählt werden. Die Gelegenheit ist verpasst, aber falls dies die First Lady betrübt, lässt sie sich nichts anmerken. Sie wirkte nicht so, als wäre sie lieber woanders. Das wurde ihr während ihrer ersten Amtszeit oft unterstellt.
Tatsächlich will sie nun mehr Zeit in Washington verbringen, statt sich in ihre Wohnung in New York oder nach Mar-a-Lago zurückzuziehen. Ihr Büro im Ostflügel haben ihre Mitarbeiter damals umgenutzt, da es so unbewohnt war.
Sie ist vorbereitet auf die Rolle, und auch Elon Musk wird ihr den Platz an Donald Trumps Seite nicht streitig machen. Über die «Bromance» zwischen den beiden Männern kursierten schon Witze, da Musk in den vergangenen Monaten kaum je von Trumps Seite wich, während sich Melania Trump rarmachte.
Designer erliegen den mächtigen Frauen
Es gelang Trump zwar nicht, seine Frau bei seiner Vereidigung zu küssen, weil ihm ihr Hut den Weg versperrte. Am Ball später tanzten sie dann aber Wange an Wange. Er im Smoking, sie im schulterfreien schwarz-weissen Abendkleid. Entworfen hat es ihr langjähriger Stylist Hervé Pierre. Für den Hut und den Mantel vom Nachmittag wählte sie zwei amerikanische Designer. Ein patriotischer Entscheid, nachdem sie in der Vergangenheit oft europäische Marken trug.
Dass sie sich früher um den «American first»-Slogan scherte, lag allerdings auch daran, dass sich einheimische Modeschöpfer wie Tom Ford oder Marc Jacobs weigerten, sie einzukleiden. Acht Jahre später ist alles anders. Niemand mag sich mehr von der Trump-Familie distanzieren. Weder die amerikanischen Tech-Milliardäre, die in der Rotunde eine ganze Stuhlreihe hinter dem Präsidenten besetzten, «Mitglieder seines Hofstaates», wie die «New York Times» schrieb. Noch die Designer.
Die Geschäftsstelle der amerikanischen Modemarke Oscar de la Renta liess verlauten: Man würde nie ausschlagen, «mit einer Führungspersönlichkeit zusammenzuarbeiten, nur weil sie eine bestimmte politische Einstellung hat». Man fühle sich im Gegenteil geehrt, dass der eigene Name mit der «wunderbaren» Tradition der Amtseinführung in Verbindung gebracht werde.
Den Gefallen machte der Marke an diesem Tag Usha Vance, die Frau von Vizepräsident J. D. Vance, die ein rosafarbenes Kostüm von Oscar de la Renta trug. Ebenso First Daughter Ivanka Trump – sie in Waldgrün.
Niemandem käme es also mehr in den Sinn, diesen Präsidenten zu unterschätzen und in ihm einen lächerlichen Irrtum der Geschichte zu sehen. Einen Mann, der zufällig Politiker wurde und nicht weiss, wie man mit Macht umgeht und in vier Jahren nichts mehr davon spürbar sein wird. Das haben seine Gäste, die ihn am Montag gefeiert haben, erkannt.
So lief es drinnen ab. Aber auch draussen hat sich vieles verändert. 2017 versammelten sich am ersten Tag von Donald Trumps Amtszeit eine halbe Million Menschen in Washington zu einem Frauenmarsch. Viele Frauen trugen pinkfarbene Strickmützen. Die sogenannten Pussyhats wurden weltweit zum Symbol im Kampf gegen Männer wie Trump. Acht Jahre später ist es nur Melania Trumps Hut, der für Aufregung sorgt.