Dienstag, November 26

Die Winterdepression verschwindet im Frühling zum Glück wieder. Damit sich der Nebel auf der Seele schon vorher lichtet, raten Fachleute zu speziellen Lampen und zu Ferien im Süden.

Leserfrage: Nützen Tageslichtlampen gegen den Winterblues?

Draussen ist es kalt und dunkel. Müdigkeit macht sich breit. Und die Stimmung ist so düster wie der Herbst- oder Wintertag. Zehn bis zwanzig Prozent der Bevölkerung verspüren gemäss Studien solche saisonalen Stimmungsschwankungen. Rund zwei Prozent leiden gar an einer eigentlichen Depression während der dunklen Jahreszeit – einer saisonal-affektiven Störung.

Wohl & Sein antwortet

In der Rubrik «Wohl & Sein antwortet» greifen wir Fragen aus der Leserschaft rund um Gesundheit und Ernährung auf. Schreiben Sie uns an wohlundsein@nzz.ch.

«Es ist eine untypische Form der Depression», sagt Christian Cajochen, Leiter der Abteilung Chronobiologie an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel. Einerseits, weil sie im Frühling von selbst wieder verschwindet. Andererseits, weil die Betroffenen im Gegensatz zu anderen Depressionen nicht mit Schlafstörungen und Appetitmangel zu kämpfen haben. Im Gegenteil: Sie schlafen und essen zu viel. «Typisch ist ein Heisshunger auf Kohlenhydrate», sagt Cajochen.

Der Grund für das Stimmungstief ist gemäss Dieter Kunz, Chefarzt der Klinik für Schlaf- und Chronomedizin am St.-Hedwig-Krankenhaus Berlin, klar: zu wenig Licht. Eine noch offene Frage ist, ob der Körper dabei auch auf die tiefere Temperatur reagiert. Klar ist: Unsere Physiologie funktioniert im Winter anders als im Sommer. «Wir sind in einer Art Energiesparmodus, ähnlich dem Winterschlaf gewisser Tiere», sagt Kunz.

Dazu gehört, dass im Blut der Spiegel des Serotonins – auch als Glückshormon bezeichnet – tiefer ist. Denn Licht trägt dazu bei, dass im Körper Serotonin gebildet wird, wobei die physiologischen Vorgänge noch nicht im Detail bekannt sind. Interessanterweise tritt die Winterdepression typischerweise erst im Februar oder März auf. «Man weiss, dass der Serotoninspiegel im Laufe des Winters sinkt. Es scheint, dass es eine kritische Schwelle gibt, die erst in diesen Monaten erreicht wird», sagt Kunz.

«Die Mehrheit der Menschen merkt von den körperlichen Veränderungen in der kalten Jahreszeit nichts. Das ist vielleicht eine der grössten evolutionären Anpassungsleistungen des Menschen», sagt Dieter Kunz. Die Anpassung geschieht gemäss Cajochen vermutlich so, dass bei einem Mangel an Serotonin aufgrund von wenig Tageslicht dafür die Serotoninrezeptoren umso effektiver arbeiten. Aber eben nicht bei allen Menschen. Funktioniert diese Anpassung nicht, entsteht eine Winterdepression.

Ähnlich wirksam wie Antidepressiva

Kann den Betroffenen künstliches Licht helfen? Ja, sagt die Wissenschaft, und auch medizinische Fachgesellschaften empfehlen diese sogenannte Lichttherapie. «Bei rund 70 Prozent der Betroffenen hilft eine Tageslichtlampe deutlich», sagt Christian Cajochen. Gemäss einer Analyse wissenschaftlicher Studien sind die Effekte vergleichbar mit einer Behandlung mit Antidepressiva. Die Lichttherapie hat sich in Studien zudem auch bei nichtsaisonalen Depressionen und Schlafstörungen als hilfreich erwiesen.

Bei wem die Lichttherapie anschlägt, lässt sich nicht voraussagen, man muss es ausprobieren. Eventuell hilft es, verschiedene Lichtstärken zu testen. Empfohlen wird die Verwendung einer Lampe mit 10 000 Lux Lichtstärke – das ist gemäss Bundesamt für Gesundheit auch die Voraussetzung, damit sich die Krankenkassen an den Kosten beteiligen. In Deutschland gibt es in der Regel keinen Zuschuss. Wichtig ist, dass die Lampe kein UV-Licht abgibt, da sonst Augen- und Hautschäden drohen. In die Lampe zu blicken, ist übrigens nicht nötig. Man muss die Lampe während eines Arbeitstages auch nicht acht Stunden lang benutzen. «Eine bis zwei Stunden pro Tag genügen», sagt Cajochen. Die Wirkung sollte nach ein bis zwei Wochen eintreten – sonst müsse man davon ausgehen, dass man zu den rund 30 Prozent der Betroffenen gehöre, bei denen es nicht funktioniert.

Nichts ist besser als echtes Sonnenlicht

Tageslichtlampen erzeugen heute zwar ein Licht, das vom Spektrum her dem Tageslicht ähnlich ist. Trotzdem: Nichts übertrifft das Original. Wenn immer möglich sollte man auch im Winter ans natürliche Tageslicht gehen. Es ist zwar tagsüber weniger lang hell, das Licht ist aber durchaus stark genug, um unsere Stimmung zu beeinflussen. Vor allem die Zeit vor dem Mittag ist wertvoll, dann kann der Körper das Licht am besten aufnehmen und davon profitieren.

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Wer tagsüber im Büro ist, sollte versuchen, den Arbeitsplatz im Winter möglichst nah am Fenster zu haben. Das gilt auch für Personen ohne Winterblues: Zusätzliches Licht hilft, die Konzentration zu verbessern. «Sinnvoll wäre, auch durch entsprechende Architektur mehr Licht in die Gebäude zu bringen», sagt Kunz. Er empfiehlt von Winterdepressionen Betroffenen zusätzlich, im Herbst die Ferien im Süden zu verbringen, um nochmals Licht zu tanken. Damit könne das Stimmungstief hinausgezögert werden und dauere damit vielleicht nur noch einen Monat, bis bereits der Frühling wieder beginnt.

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