Sonntag, September 29

Boris Collardi spricht über seinen Millionen-Coup mit der Bank EFG. Grosse Pläne hat er auch im Fussballgeschäft.

Herr Collardi, Sie hatten eine erfolgreiche Karriere bei der Bank Julius Bär und waren fast neun Jahre CEO. Kehren Sie bald wieder dorthin zurück?

Der Teil meiner Karriere, in der ich operativ tätig bin, ist vorbei. Ich bin bald 50 und habe mich 13 Jahre als CEO sowie als Managing Partner engagiert. Es gibt energetischere Leute, die absolut kompetent sind, um einen solchen Job zu machen. Julius Bär war ein schönes Kapitel. Doch jetzt schreibe ich ein neues bei der Privatbank EFG, bei der ich als Investor eingestiegen bin.

Es wird spekuliert, dass sich Julius Bär und EFG zusammenschliessen könnten. Haben Kontakte zwischen den beiden Banken stattgefunden?

Gespräche finden immer statt, sei es zwischen EFG und Julius Bär oder mit anderen Banken. Man kennt sich, und man schätzt sich. Ich werde aber keine Gerüchte kommentieren.

Weitere Zusammenschlüsse unter den Schweizer Banken sind aber unumgänglich.

Das stimmt. Die Erträge der Banken sind seit über zehn Jahren unter Druck, die Branche wird sich konsolidieren. Als ich meine Karriere begann, gab es 300 Banken, jetzt sind es nur noch 100.

Seit Sie vor zwei Jahren bei EFG eingestiegen sind, ist der Börsenwert stark gestiegen. Ihr Anteil ist statt 80 Millionen jetzt 140 Millionen Franken wert. Ist der Anstieg gerechtfertigt?

Der heutige Kurs widerspiegelt die Realität besser als vor zwei Jahren. Doch es gibt immer noch viel Potenzial. Ich glaube, das Vertrauen ist da, dass die Bank allein, ohne Übernahmen, wachsen kann. Wir haben 2023 netto über 100 Kundenberater neu eingestellt. Die Bank kann allein über diese Einstellungen in den nächsten Jahren bis zu 30 Milliarden Franken an Neugeldern anziehen.

Hauptaktionär von EFG ist die griechische Reederfamilie Latsis. Wie ist diese Verbindung entstanden?

Ich stand schon vor zehn Jahren mit EFG im Gespräch, als ich noch CEO von Julius Bär war. Damals habe ich auch Spiros Latsis kennengelernt. Vor drei Jahren sind wir wieder in Kontakt gekommen. Man sieht sich eben immer zweimal im Leben. Heute ist sein Sohn John Latsis mein Hauptkontakt. Wir verstehen uns sehr gut und wohnen sogar in der Nähe.

Collardis Neustart als Investor

Boris Collardi leitete von 2009 bis 2017 die Bank Julius Bär. Danach war er bis 2021 Teilhaber der Genfer Bank Pictet. Vor zwei Jahren stieg Collardi als Investor bei der Privatbank EFG ein. Daneben hält er ein Portfolio mit weiteren Beteiligungen. Dazu zählen die Anti-Aging-Kette Longevity Suite, das KI-Startup Unique oder die Firma Roboze, welche hochwertige 3-D-Drucker herstellt. Neben seinem Engagement beim FC Lecce und bei der App Footbao betreibt er zudem das Weingut Bec d’Or am Genfersee. (sal.)

Sie haben ein beeindruckendes Netzwerk von Menschen in der ganzen Welt aufgebaut. Nicht nur die Latsis, auch der Schauspieler Leonardo DiCaprio oder der Schriftsteller Paulo Coelho sind Bekannte von Ihnen. Wie machen Sie das?

Ich bin offen, mich interessieren Menschen. Auch Prominente sind Menschen wie Sie und ich, die einfach einen normalen Austausch wollen. Das Netzwerk habe ich jedoch nicht für mich persönlich gesucht, sondern im Dienste von Julius Bär aufgebaut. Wir haben sehr viel unternommen, um die Marke bekannter zu machen.

Als Banker waren Sie aber nicht nur an den Menschen, sondern vor allem an ihrem Geld interessiert.

Das ist kein Widerspruch. Viele Kunden lernt man zu Beginn in einem sozialen Kontext kennen. Der erste Schritt ist immer die Schaffung von Vertrauen. Danach kommen die Kunden mit ihren Problemen, für die sie eine Lösung suchen.

Wie unterhält man ein globales Netzwerk auf mehreren Kontinenten?

Bei Julius Bär war ich 300 Tage im Jahr unterwegs. Ich habe dem Job alles untergeordnet, deshalb haben meine Frau und ich auch das Thema Kinder lange zurückgestellt. Ein guter Tag war ein Tag, wo ich nicht im Büro war, sondern draussen bei den Kunden.

Bei der Bank Bär erlebten Sie einen kometenhaften Aufstieg und wurden bereits mit 34 CEO. Was hat Ihre Karriere angetrieben?

Ich habe schon als Kind gerne Neues ausprobiert – das ist in meiner DNA. Doch entscheidend waren meine Erfahrungen in Asien: Mit 23 Jahren kam ich nach Singapur – und Europa stand plötzlich nicht mehr im Zentrum. Das hat mir neue Perspektiven eröffnet. In Asien dreht sich alles um das Geschäft, um die Arbeit. Als ich nach Europa zurückkehrte, hatte ich einen Turbo eingeschaltet. Ich wusste, dass ich mit Motivation und Leidenschaft etwas erreichen kann – auch wenn ich nie gedacht hätte, einmal CEO einer Schweizer Bank zu werden.

Einen Turbo zündeten Sie auch in Ihrer Ära bei der Bank Bär. Kritiker sagen, das Wachstum mit Akquisitionen sei damals zu schnell gegangen.

Im Rückblick ist die Frage sicher berechtigt. Wir sind sehr schnell gewachsen. Damals jedoch war das die richtige Strategie. Vergessen Sie nicht, dass ich 2009 mitten in der Finanzkrise CEO wurde. Das war vielleicht der grösste Stressmoment in meiner Karriere. Unsere Aktie war stark unter Druck. Trotz Wachstum waren wir aber nie im Blindflug unterwegs, sondern haben in die Infrastruktur und Compliance investiert. Und dennoch haben wir die Organisation vielleicht ein Stück weit überfordert. Andererseits hatte sich der Börsenkurs bis zum Ende meiner Amtszeit mehr als verdoppelt.

Die Finanzmarktaufsicht (Finma) hat aber eine Rüge gegen Sie ausgesprochen, weil es bei der Bank Bär zu Verfehlungen mit Geldwäscherei kam. So wurden in Venezuela 700 heikle Konten identifiziert.

Die Rüge hat mich sehr getroffen, da ich mich stets zu 100 Prozent für die Bank eingesetzt habe. Allerdings hat die Finma klar festgehalten, dass keine direkte Kausalität bestand zwischen meiner Verantwortung und den aufsichtsrechtlichen Fehlern in der Bank. Insbesondere war ich in keinen einzigen der von der Finma beanstandeten Fälle direkt involviert. Aber als CEO trage ich letztlich die Verantwortung, und dieser habe ich mich immer gestellt.

Gab es in der Bank Bär eine «Collardi-Kultur», welche das Wachstum über das Risikomanagement stellte?

Nein, sicher nicht. Jeder neue CEO ist bei seinem Start mit Problemen aus der Vergangenheit konfrontiert, ich seinerzeit mit dem US-Steuerstreit. Man muss alle Probleme in ihrem damaligen Kontext sehen. Aber klar: Als Führungsperson ist man vom ersten Moment integral verantwortlich und nicht nur für die Erfolge.

2017 sorgten Sie mit einem spektakulären Wechsel für Aufsehen, als Sie Teilhaber der Genfer Privatbank Pictet wurden. Warum sind Sie nur drei Jahre dortgeblieben?

Für mich war es eine grosse Ehre, für Pictet arbeiten zu können. Allerdings habe ich mit der Zeit realisiert, dass ich den Wunsch nach mehr unternehmerischen Freiheiten verspürte. Ich wollte mich direkt in Firmen engagieren können, um etwas ganz Eigenes zu realisieren.

Allerdings gab es auch kulturelle Unterschiede: Während Pictet eine calvinistische Tradition hat, entsprechen Sie mehr einem Freigeist.

In meiner Karriere bin ich stets meinen eigenen Weg gegangen. Ich sehe mich als das, was die Amerikaner als Contrarian bezeichnen – so etwas wie ein Querdenker. Deshalb wechselte ich 1997 – mitten in der Asienkrise – für die Credit Suisse nach Singapur. Auch 2006, als ich zur Bank Bär ging, haben mir viele abgeraten. Es hiess, ich würde mir damit Chancen vergeben. Mich hat es aber immer gereizt, dorthin zu gehen, wo nicht alle anderen schon sind.

Zu Ihrer Mentalität als Contrarian passt, dass Sie sich als Investor am Fussballklub Lecce beteiligt haben.

Kurz nach meinem Engagement ist der Klub in die Serie A aufgestiegen und hält sich seither in der höchsten italienischen Lage. Die Familie meines Vaters stammt zwar aus Lecce. Doch der Kontakt zu den Investoren ist eher zufällig entstanden. Auch wenn sich Fussball finanziell nur selten lohnt, habe ich aus Leidenschaft zugesagt.

Was hat Sie gereizt?

Drei Viertel der italienischen Spitzenklubs sind von Ausländern beherrscht. Das Modell von Lecce, wo lokale Personen einen Fussballklub besitzen, ist eine Ausnahme. Wir haben die geringste Lohnsumme in der Serie A und zeigen trotzdem überzeugenden Fussball. Zudem arbeitet der Klub heute profitabel.

Lecce ist der einzige Spitzenklub südlich von Neapel. Deshalb fiebert eine gesamte Region für den Verein.

Die Emotionen, die der Klub in ganz Apulien auslöst, sind schon eindrücklich. Seit meinem Einstieg habe ich zudem viel über das Sportmanagement gelernt. Die wichtigste Aufgabe ist es, junge Talente zu finden. Doch wie entdecke ich den nächsten Kylian Mbappé? Bis heute gibt es dazu nur wenig bewährte Methoden, meistens läuft die Suche über Agenten. Genau hier setzt mein anderes Investment im Fussball an.

Das Geschäft der Agenten gilt als undurchsichtig. Wie funktioniert Ihr Modell?

Wir arbeiten daran, die Talentsuche auf eine elektronische Plattform zu verlagern und auf diese Weise zu demokratisieren. Unter dem Namen Footbao haben wir in Brasilien ein soziales Netzwerk lanciert. Dieses zählt schon über 500 000 Benutzer. Bis Ende Jahr wollen wir eine Million erreichen. Junge, talentierte Spieler können auf der Plattform ihre Daten registrieren und eigene Videos hochladen. Demnächst wollen wir in weiteren Ländern starten.

Zu den Investoren gehört auch der Schweizer Nationaltrainer Murat Yakin. Wie kommen Sie dazu, sich in zwei so unterschiedlichen Branchen wie dem Banking und dem Fussball zu engagieren?

Ich bin ein extrem neugieriger Mensch. Eine wichtige Erfahrung in meiner Karriere lautet: Ich habe stets dann am meisten gelernt, wenn ich unsicher und ausserhalb meiner Komfortzone war. Diese Unsicherheit hat mir geholfen, immer wieder über die Bücher zu gehen und neue Wege einzuschlagen.

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