Sonntag, Oktober 13

Wer zu seinen Faszien schaut, beeinflusst die Regeneration nach dem Muskelkater und sorgt für mehr Stabilität und Beweglichkeit.

Das Training der Faszie rückt neben Muskelaufbau und Ausdauer immer mehr in den Fokus eines ausgewogenen Fitnessprogramms. So gehören Faszienrolle und -bälle bei vielen Freizeit- und Hobbysportlern wie selbstverständlich zu Ausrüstung. Viele schwören auf die wohltuende Wirkung bei Verspannungsschmerzen und Muskelkater, die durch die Massage mit der Faszienrolle quasi weggerollt werden.

Gerollt wird immer auf einer spezifischen Stelle, zum Beispiel auf der Rückseite der Oberschenkel oder Waden, so wirkt das Eigengewicht via Rolle auf die Faszie ein. Diese gezielten Roll-Druck-Bewegungen können die Durchblutung und die Wasseraufnahme der Faszie verbessern, was sie weicher und gleitfähiger macht. So wird der Bewegungsradius der bearbeiteten Körperregion gefördert.

Doch wovon reden wir überhaupt? Faszien findet man im ganzen Körper, sie bilden eine Art Netz und verbinden Muskeln, Sehnen und Organe mit den Knochen. Sie werden unterteilt in eine oberflächliche, eine tiefe sowie eine viszerale Faszienschicht und haben unterschiedliche Funktionen. Die oberflächlichen Faszien sind sehr elastisch, die tieferen hingegen stabiler und weniger dehnbar. Viszerale Faszien haben eine Stützfunktion: Sie bilden eine Membran aus Bindegewebe um die Organe.

Von der Medizin lange als «totes» Stütz- und Hüllgewebe ignoriert, rückten die Faszien durch ihre Verbindung zu chronischen, nicht lokalisierbaren Rückenschmerzen in den letzten 40 Jahren immer mehr ins medizinische Interesse.

Wichtige Rolle bei der Prävention

Die Sportwissenschaft befasst sich bei den Themen Kraftübertragung, Stabilität, Beweglichkeit und Koordination mit der Rolle der Faszien. So wird die Kraft bei Muskelkontraktionen über diese übertragen, was Bewegungen generiert oder den Körper stabilisiert. Sogenannte verklebte oder verfilzte Faszien haben einen negativen Einfluss auf das Training und allfällige Fortschritte. Ursachen dafür ist zu grosse sportliche Belastung oder zu wenig Bewegung, Folgen sind Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen.

Einen Einfluss auf die eigentliche Leistungsfähigkeit hat der Zustand der Faszien aber kaum, wie Arjen van Duijn, Sport-Physiotherapeut und Dozent Sportphysiotherapie an der ZHAW, relativiert. «Bei korrekter Faszienmassage kann aber die Beweglichkeit verbessert werden, so dass es eine Leistungssteigerung über die Beweglichkeit gibt», sagt er.

Weil sie Elastizität und Beweglichkeit des Bindegewebes fördert sowie die Durchblutung und Nährstoffversorgung der Muskeln anregt, vermindert die Faszienmassage die Verletzungsanfälligkeit, und ihr wird bei der Genesung eine wichtige Rolle zugeschrieben. «Faszientechniken fördern die Regeneration nach sportlicher Belastung», sagt van Duijn.

In der Wissenschaft gibt es verschiedene Hypothesen, weshalb das so ist. «Es könnte sein, dass die schnellere Regeneration über den verbesserten Flüssigkeitsaustausch und die erhöhte Durchblutung im Gewebe geschieht.» Allerdings warnt van Duijn vor der Anwendung auf verletztes Gewebe. Hier gelte es, die Struktur zu schonen und abzuwarten.

Faszientraining gegen Muskelleiden

Van Duijn setzt als Physiotherapeut die Faszienrolle in Kombination mit Dehnungen bei chronischen Muskelverkürzungen ein. Er rät davon ab, die Faszien direkt nach dem Sport mit einer druckintensiven Massage noch zusätzlich zu belasten. «So besteht die Gefahr, dass der Muskelkater noch grösser wird.»

Stattdessen empfiehlt er: «Ich würde bis zum Tag danach mit der Faszienmassage warten. Oder als Teil des Warm-ups vor dem Training auf der belasteten Muskulatur damit beginnen.» So sei das Risiko einer kontraproduktiven Wirkung kleiner. Besonders bei Sportarten mit grosser Maximalbelastung wie Crossfit oder Bodybuilding können verkürzte Muskeln von einem Faszienrelease profitieren. «Auch nach einer längeren Ausdauereinheit können Faszienrollen oder -bälle die überlastete passive Struktur entlasten», sagt er.

Die Rollen, Bälle und Doppelbälle aus Kunststoff, Korn oder Holz werden von verschiedenen Herstellern angeboten. Für die Anwendung gilt: keine Massage über Knochen, Narben und Verletzungen. Gerollt wird immer herzwärts, so dass kein Druck auf das Lymphsystem entsteht und keine Flüssigkeit in den Extremitäten gestaut wird.

Menschen mit Krampfadern oder einer Tendenz dazu rät van Duijn zur Vorsicht: «Krampfadern sind ein Zeichen, dass die Venen schon vorbelastet sind. Wenn mittels der Faszienrolle der Druck in die falsche Richtung auf die Venen gegeben wird, kann dies aus meiner Sicht die Venen zusätzlich belasten – zumal es auch noch wenige wissenschaftliche Studien dazu gibt.»


Drei Übungen fürs Faszientraining zu Hause

Hände, Finger und Handgelenke

Wer viel auf der Computertastatur schreibt oder regelmässig Kleinkinder trägt, der tut seinen Händen mit einer Faszienmassage etwas Gutes. Dafür gibt es eine extrakleine Faszienrolle für die Hände, aber auch ein Tennisball reicht für die Massage aus.

Die Handfläche mit der Innenseite über den Tennisball oder die Minirolle legen, sanft Druck geben und den Ball in alle Ecken der Hände bewegen, auch an die Aussenkante entlang des kleinen Fingers. Bei der Massage sollte man auch die Handgelenke unten und oben nicht vergessen.


Nacken und Rücken

Im Nacken und Rücken sitzt durch regelmässige Fehlhaltung und Fehlbelastung besonders viel Verspannung. Die Übung kann im Liegen oder stehend an einer Wand gemacht werden.

Zwei Faszienbälle oder Tennisbälle am Nacken links und rechts der Wirbelsäule platzieren und durch sanfte Bewegungen die Bälle dorthin bewegen, wo es guttut. Vom Nacken bis zum unteren Rücken der Wirbelsäule entlangrollen, darauf achten, dass die Bälle eng bei der Wirbelsäule und immer etwa gleich hoch platziert sind.


Oberschenkel und Waden

Um die Faszien auf Oberschenkel und Waden zu massieren, legt man sich in Bauchlage auf eine weiche Matte und bringt sich hoch in eine Unterarm-Stützposition (auch Unterarm-Plank genannt). So kann die Faszienrolle gut unter den Oberschenkeln hin- und hergerollt werden.

In der seitlichen Plank, mit der Hüfte auf dem Boden, geht man die seitlichen Faszien an. Mit Po auf dem Boden und gestreckten Beinen lassen sich die Waden massieren. Wichtig: Die Rolle nie über die Knie und Schienbeine rollen.

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