Donnerstag, Oktober 10


Königsklasse der Komplikationen

Der 29. Februar ist vorbei, womit für die meisten die Sache mit dem Schaltjahr für die nächsten vier Jahre erledigt ist. Für Uhren mit dem ewigen Kalender hingegen nicht. Sie zählen jeden Tag, bis es wieder so weit ist. Wie machen sie das?

Zum Uhrensalon Watches & Wonders diesen April warteten etliche Uhrenhersteller mit sogenannten ewigen Kalendern auf. Der Zeitpunkt könnte nicht besser gewählt sein, denn 2024 ist einmal wieder ein Schaltjahr mit einem Februar, der einen Tag länger dauert als üblich. Ein ewiger Kalender in einer mechanischen Uhr ist ein mikromechanisches Wunderwerk und gehört wie auch das Tourbillon oder die Minutenrepetition in der Uhrenbranche zur Königsklasse der Komplikationen.

So verwundert es nicht, dass eine altehrwürdige, für komplizierte Uhren bekannte Marke wie Audemars Piguet eine Neuheit mit ewigem Kalender im Gepäck hat. Das limitierte Modell im Gewand der ikonischen «Royal Oak» ist in Zusammenarbeit mit dem Gitarristen und Sänger John Mayer entstanden und besticht durch die besondere Struktur des tiefblauen Zifferblatts, das Tausende von Facetten glitzern lässt.

Kalender von chinesisch bis jüdisch

Es gehört zu den Traditionen der Schweizer Uhrenindustrie, ihre Produkte auch auf andere Kulturen abzustimmen. Deshalb erstaunt es nicht, dass es neben den ewigen Kalendern mit julianischer oder gregorianischer Zählweise auch solche für muslimische, jüdische und chinesische Kalender gibt. So ist das Modell «Villeret Traditional Chinese Calendar» von Blancpain mit einem chinesischen Kalender ausgestattet, der in einem Fenster sogar das Symbol für das aktuelle Mondjahr anzeigt, den Drachen. Das Modell «Hijri Calendar» von Parmigiani Fleurier wiederum zeigt in arabischer Schrift den islamischen Kalender.

Dass sich die Komplexität des Werks nicht notwendigerweise auf dem Zifferblatt widerspiegeln muss, beweist das Modell «Streamliner Perpetual Calendar Concept Smoked Salmon» von H. Moser & Cie. Abgesehen vom gross dimensionierten Datumsfenster weist auf den ersten Blick nichts auf einen ewigen Kalender hin. Erst beim zweiten Hinschauen entdeckt man den winzigen Zeiger, dessen Position auf den Monat hinweist. Die Scheibe mit der Information über den Vierjahreszyklus findet man auf der Rückseite der Uhr, wo ein Saphirglas den Blick auf das schwarz beschichtete Werk freigibt.

Aufgrund ihrer Komplexität sind ewige Kalender meist auch entsprechend kostspielig. Die Genfer Marke Frederique Constant beweist jedoch mit ihrem Modell «Manufacture Slimline Perpetual Calendar», dass es auch günstiger geht. Mit einem Preis von 12995 Schweizer Franken zählt diese Uhr zu den preiswertesten dieser Gattung und gibt durch das Zifferblatt erst noch den Blick auf das komplizierte Innenleben frei.

Die Schaffhauser Manufaktur IWC hat ihren von Kurt Klaus entwickelten und erstmals 1985 im Modell «Da Vinci» vorgestellten ewigen Kalender weiterentwickelt, so dass er dem Adjektiv «ewig» noch näher kommt. Der sogenannte säkulare Kalender im neuen Modell «Portugieser Eternal Calendar» kennt nicht nur die Regel, dass alle vier Jahre ein Schaltjahr ist, sondern auch die Ausnahmen.

Das Sonnensystem tickt nicht wie eine Uhr

Was für uns heute betreffend Zeitrechnung selbstverständlich ist und von der allgegenwärtigen Elektronik automatisch erledigt wird, bereitete den Menschen in der Vergangenheit gehörig Kopfzerbrechen und sorgte vielfach für Verwirrung, Uneinigkeit und sogar Konflikte. Bis heute haben sich nicht alle Zivilisationen der Erde auf ein und dieselbe Lösung geeinigt. Die Rede ist von unserem Kalendersystem. Die Einteilung der Zeit in Tage, Monate und Jahre ist viel älter als die ersten Uhren, die den Tag in kleinere Einheiten zerstückelten. Und während kaum Uneinigkeit herrscht, wie lange ein Tag dauert, kann die Dauer eines Jahrs und eines Monats auch heute noch Verwirrung stiften.

Der Grund dafür liegt darin, dass Jahr, Monat und Tag von drei Bewegungen in unserem Sonnensystem abhängen, die nicht wie die Zahnräder im Inneren einer Uhr miteinander verknüpft sind, sondern völlig losgelöst voneinander ablaufen. Als tropisches Jahr bezeichnen wir die Zeitspanne, welche die Erde benötigt, um die Sonne einmal vollständig zu umrunden. Grundlage für die Länge eines Monats war ursprünglich die Zeit, die der Mond für eine Umrundung der Erde braucht. Die Tatsache, dass der Zeitraum von einem Neumond zum nächsten wegen der Eigensinnigkeit des Mondes durchschnittlich 29,530589 Tage dauert, zeigt bereits, dass unsere Monate mit dem Rhythmus des Mondes nicht mehr viel zu tun haben. Der Tag wiederum ist an die Rotation der Erde um die eigene Achse geknüpft.

Die Einführung der Schaltjahre

Da diese drei Bewegungen im luftleeren Raum des Alls unabhängig voneinander ablaufen, lässt sich die längste Einheit, das Jahr, auch nicht in eine ganzzahlige Anzahl Tage teilen. Das heisst, dass die Erde nach 365 Tagen noch nicht dieselbe Stelle auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne erreicht hat und der Mond die Erde in einem Jahr auch nicht exakt zwölfmal umrundet hat. Tatsächlich erreicht die Erde besagte Stelle erst nach durchschnittlich 365,2422 Tagen, also beinahe sechs Stunden später. Würde man Neujahr regelmässig alle 365 Tage feiern, fände der Jahreswechsel im ersten Jahr etwa 6 Stunden, im zweiten einen halben Tag und im vierten bereits fast einen Tag zu früh statt.

Um diesen lästigen Fehler zu beheben, führte der römische Kaiser Julius im Jahr 46 v. Chr. die Schaltjahresregel ein, die alle vier Jahre einen zusätzlichen Tag in den Kalender einfügt. Doch auch der julianische Kalender kumulierte im Laufe der Jahrhunderte Abweichungen, die sich insbesondere bei der Berechnung des Osterdatums negativ bemerkbar machten. Ende des 16. Jahrhunderts hatten sie sich auf zehn Tage summiert. Papst Gregor XIII. rang sich deshalb zu einer weiteren Reform des Kalenders durch und beauftragte seine Gelehrten, eine Lösung für das leidige Problem zu finden.

Das Resultat ist der heute beinahe weltweit geltende gregorianische Kalender. Er wurde 1582 erstmals eingeführt und sieht bis heute die folgenden Regeln vor: Alle vier Jahre findet ein Schaltjahr mit 366 Tagen statt. In Jahren mit den Endzahlen 00 fällt das Schaltjahr aus, mit folgender Ausnahme: In Jahren, die durch 400 teilbar sind, findet das Schaltjahr trotz Regel 2 statt.

Der gregorianische Kalender macht das Jahr im Schnitt 365,2425 Tage lang. Ein Jahr dauert damit nur noch 26,7 Sekunden zu lang. Als der neue Kalender eingeführt wurde, mussten mit einem Mal zehn Tage in der Zählung übersprungen werden. Protestantische Länder und Städte wehrten sich natürlich gegen die Einführung des katholischen Elaborats. Es dauerte Jahrzehnte, bis der gregorianische Kalender in ganz Europa eingeführt war, was zu einem heillosen Durcheinander führte. Noch heute gibt es in unterschiedlichen Kulturkreisen alternative Kalendersysteme, die das Jahr anders einteilen als wir.

Jahreskalender oder ewiger Kalender?

Anders als unser Sonnensystem sind die Abläufe in einem Uhrwerk über eine Reihe von Zahnrädern miteinander verbunden, was den Einbau unregelmässiger Vorkommnisse wie das Hinzufügen und Weglassen von Daten verkompliziert. Findige Uhrmacher haben jedoch auch dafür Lösungen gefunden. Armbanduhren mit einfacher Datumsanzeige zählen in der Regel die Tage stur von 1 bis 31 durch, weshalb man das Datum nach einem Monat mit weniger Tagen jeweils von Hand korrigieren muss.

Doch ein ewiger Kalender ist mechanisch so programmiert, dass er die unterschiedlichen Monatslängen kennt und sogar weiss, dass der Februar alle vier Jahre nicht 28, sondern 29 Tage hat. Sein etwas weniger komplizierter Cousin, der Jahreskalender, kann zwischen Monaten mit 30 und solchen mit 31 Tagen unterscheiden. Er muss nur einmal im Jahr von Hand korrigiert werden, nämlich Anfang März, egal ob Schaltjahr oder nicht. Ein übersichtlich gestaltetes Beispiel ist das Modell «Radiomir Annual Calendar» von Panerai, das letztes Jahr vorgestellt wurde.

In Einkerbungen sind Informationen versteckt

Kernelement der Komplikation des ewigen Kalenders ist das sogenannte Programmrad, ein Zahnrad, das sich in vier Jahren nur einmal um die eigene Achse dreht und monatlich um eine Position weiterbewegt wird. Abgesehen von den 48 Zähnen (4×12) trägt es eine Scheibe mit 48 verschieden tiefen Einkerbungen, für jeden Monat der vier Jahre eine. Die Tiefe der Einkerbungen trägt die Information für die Länge des Monats.

Einfach zu erkennen ist die Vertiefung für den 29. Februar im Schaltjahr. Sie ist weniger tief als die übrigen drei Februar-Kerben, aber tiefer als diejenigen für die Monate mit 30 Tagen. Die Monate mit 31 Tagen haben keine Vertiefungen. Für sie gilt der Umfang der Scheibe. Gegen Monatsende bewegt sich jeweils ein stiftförmiger Taster gegen die Programmscheibe und gibt die Information, die er ertastet an das Schaltwerk für das Datum weiter. Je weiter er in eine Kerbe eindringen kann, desto kürzer der Monat. Im Datumsfenster werden sodann um Mitternacht die zu überspringenden Daten weitergeschaltet, bis die «1» erscheint.

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