Dienstag, November 18

An Europas berühmtester Pilgerroute soll eine riesige Fabrik für die Herstellung von Öko-Kleidung entstehen. Dagegen wehrt sich die Bevölkerung.

Galicien, das grüne Herz Spaniens, ist die nordwestlichste Region des Landes und berühmt für seine weiten Atlantikstrände und den Jakobsweg, auf dem jährlich fast 500 000 Pilger unterwegs sind. Genau dort plant der portugiesische Konzern Altri eines seiner grössten Investitionsprojekte: den Bau einer Zellulosefabrik. Diese wird Biofasern für die Textilindustrie produzieren. Geplant ist der Bau unweit des malerischen Ortes Palas de Rei, der mit einer Kirche aus dem 8. Jahrhundert und einer mittelalterlichen Burg zu den Höhepunkten der Pilgerroute zählt.

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Bereits vor zwei Jahren versprach Altri, Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region zu schaffen, und gewann damit die Unterstützung der galicischen Landesregierung, die dringend nach Grossinvestoren suchte. Altri galt als idealer Partner, und der damalige galicische Regionalpräsident Alberto Núñez Feijóo vom Partido Popular (PP) hiess das Projekt gut, bevor er als Oppositionsführer nach Madrid wechselte.

Doch die Bewohner von Palas de Rei und den umliegenden Ortschaften waren von Anfang an besorgt. Denn das Projekt, das sie bereits das «Monster von Altri» tauften, benötigt 46 Millionen Liter Wasser am Tag. Das entspricht dem täglichen Verbrauch der 324 000 Bewohner der ganzen Provinz Lugo. Diese Art von Projekt plündere die natürlichen Ressourcen und zerstöre die Landschaft, klagte Ana Correidora, Biologin und Viehzüchterin aus Palas de Rei, bei einem Gespräch mit dem galicischen Rundfunk.

Auch Muschelsammlerinnen betroffen

Das Wasser stammt vom nahe gelegenen Fluss Ulla. Zwar haben die Portugiesen versprochen, 30 Millionen Liter pro Tag in den Fluss zurückzuleiten. Das Wasser ist dann allerdings auf 27 Grad aufgeheizt und mit Schadstoffen belastet, die beim Verarbeiten von Holz zu feinen, weichen Fasern entstehen. «Wer glaubt, dass dieses Wasser danach noch trinkbar sei, irrt sich gewaltig», sagt Correidora. Zusätzlich soll ein 75 Meter hoher Schornstein errichtet werden, der ebenfalls Schadstoffe in die Luft abgibt.

Hinzu kommt: Der Ulla mündet 130 Kilometer weiter in den Atlantik, wo er im Meeresarm Ría de Arousa mit seinen Schadstoffen die Lebensgrundlage der rund 4000 Muschelsammlerinnen gefährden könnte. An der Mündung fand sich bereits im vergangenen Mai eine Flotte von 300 Booten ein, unterstützt von einem Eisbrecher, um gegen die Ansiedelung von Altri zu demonstrieren.

Demo in Santiago de Compostela

Für die Zelluloseproduktion benötigt der Konzern Tausende Tonnen Holz, bevorzugt Eukalyptusbäume, deren Ausbreitung bereits grosse Schäden in den galicischen Wäldern verursacht hat. Seit 2021 ist das Pflanzen dieser Bäume verboten, da sie anderen Bäumen die Nährstoffe entziehen. Ein erfolgreiches Projekt von Altri könnte dieses Moratorium gefährden.

Mitte Dezember protestierten in Santiago de Compostela, dem offiziellen Ziel des Jakobswegs, Tausende Menschen gegen den Konzern. Auf den Plakaten standen Parolen wie «Mayday, Mayday, hier Galicien», «Nein zu Altri» und «Das Wasser gehört uns, nicht der Zellulosefabrik».

Derweil bedauert der portugiesische Konzern den negativen Eindruck, den die Galicier vom Projekt haben. Es erfülle alle EU-Vorgaben zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Die Biofasern seien für Textilunternehmen vor Ort, wie Zara, sowie für Produzenten in Nordportugal gedacht, einem traditionellen Zentrum der Textilindustrie. Auch Feijóos Nachfolger, der konservative Regionalpräsident Alfonso Rueda, bekräftigte nach den Protesten seine Unterstützung für das Projekt.

Einige EU-Parlamentarier aus Galicien haben bereits versucht, das Thema im Januar beim Petitionsausschuss in Brüssel auf die Tagesordnung zu setzen, da es gesellschaftlich von grosser Bedeutung sei. Bereits mehr als 23 000 Einsprüche wurden gegen das Projekt eingereicht. Doch die konservativen Parteien in Brüssel blockieren bis jetzt eine Diskussion. Die Umweltschützer geben jedoch nicht auf und fordern, dass Altri keine EU-Subventionen erhält. Von den geplanten 900 Millionen Euro Investitionen sollen 200 Millionen aus Brüssel kommen. Die Gegner hoffen, dass Altri das Projekt ohne diese Subventionen aufgeben wird.

Verschiedene Verbände sind ausserdem besorgt um das Image des Jakobswegs. Der Verband der Freunde des Jakobswegs aus Navarra schreibt in einem offenen Brief an alle Mitglieder, dass solche Projekte es erschwerten, den Weg auch in Zukunft zu schützen. Besonders stört man sich am Schornstein der Fabrik, der 75 Meter hoch sein soll und damit ebenso hoch wie der Glockenturm der Kathedrale von Santiago. Die Pilger, so die Befürchtung, könnten mit diesem Bild im Herzen in ihre Heimat zurückkehren.

Deutlich formuliert es José de la Riera von der Internationalen Bruderschaft des Jakobsweges in einem Interview mit der galicischen Nachrichtenagentur Galicia Press. Spanien habe 1993 die Ernennung des Jakobswegs zum Weltkulturerbe der Unesco ratifiziert. Damit sei das Land verantwortlich für die Erhaltung dieses Welterbes. Dass solche Projekte im 21. Jahrhundert überhaupt debattiert würden, sei für die Bruderschaft unverständlich.

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