Soll man jemanden korrigieren, der unabsichtlich eine mikroaggressive Bemerkung (etwa zum Gewicht anderer Leute) macht, oder ist das konfrontativ? – Natalie, Bern
Liebe Nathalie, ja, es ist konfrontativ, weil viele der Themen, die um Mikroaggression kreisen (politische oder sexuelle Ausrichtung, gesellschaftliche Klasse), sehr eng mit den eigenen Problemzonen zusammenhängen. Zudem basieren gerade solche Äusserungen weniger auf Boshaftigkeit als auf Ignoranz, so dass jede Kritik erst einmal völlig unerwartet kommt. Auch geht jemand, der gerne austeilt, umso empfindsamer mit den eigenen Gefühlswelten um.
Und, zu guter Letzt: Das Herumkritteln an anderen Leuten führt schnell dazu, dass diese auch einen strengeren Massstab bei Ihnen anlegen werden. Nachdem Sie also gewarnt sind: Sind Grenzen der Menschlichkeit (darum geht es letztlich ja) für Sie überschritten, haken Sie ruhig ein, erwarten Sie aber nicht allzu viel. Darüber hinaus kann ich jedem, dem ein Gerechtigkeitsthema am Herzen liegt, raten, die Energie anders einzusetzen: Statt sich im Klein-Klein gegeneinander zu verlieren, ist es klüger, an dem Schräubchen zu drehen, mit dem man das grosse Ganze vor Ort neu kalibrieren kann. Strukturen zu verändern, ist zwar ein dickes Brett, aber effektiver, als Mikrocourage zu zeigen.
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