Dienstag, März 4

Vergangene Nacht hat US-Präsident Donald Trump die Militärhilfe an die Ukraine pausiert. Am vergangenen Freitag kam es zum Wortgefecht im Oval Office. Wolodimir Selenski hat versucht, die Contenance zu halten. Am Ende wurde der ukrainische Präsident aber aus dem Oval Office rausgeschmissen und damit wurde tatsächlich sichtbar, was sich schon länger abgezeichnet hat.

Die USA sind dabei, das Lager zu wechseln. Sie sind dabei, die russischen Narrative zu übernehmen. Jeden Tag erreicht uns eine neue Nachricht, die die Sicherheit in Europa akut in Frage stellt. Europa hat jetzt lange Jahre, eigentlich seit dem Ende des Kalten Krieges, von der Sicherheitsgarantie der Amerikaner gelebt. Jetzt ist fertig mit dieser Sicherheitsgarantie, mit grosser Wahrscheinlichkeit. Darauf muss sich Europa einstellen. Die Europäer können wirtschaftlich noch so stark sein, solange diese wirtschaftliche Kraft, politische Kraft oder auch die Kraft der liberalen Demokratie nicht mit militärischer Kraft unterlegt ist, dann ist Europa schwach.

Europa stehen drei Varianten zur Verfügung. Die erste Variante sind noch schärfere Sanktionen gegenüber Russland. Wenn die EU aber die Sanktionen verschärft und gleichzeitig die USA allenfalls die Sanktionen sogar aufheben, dann wäre das transatlantische Verhältnis noch mehr geschwächt. Dann gibt es eine zweite Variante, die ebenfalls mit vielen Fragezeichen behaftet ist: russische Oligarchengelder, die gegenwärtig in Europa eingefroren sind, zu verwenden, um die Ukraine finanziell zu unterstützen, damit die Ukraine Geld hat für den Wiederaufbau, aber vor allem auch, um Waffen zu kaufen. Und dann gibt es noch die dritte Variante: Das ist die Friedenstruppe, die diskutiert wird, obschon der Begriff nicht wirklich präzise ist. Es ginge um eine physische Sicherheitsgarantie für die Ukraine – europäische Truppen in der Ukraine, allenfalls mit Unterstützung von ausserhalb von Europa. Die Problematik hier ist, dass Europa nicht wirklich viele Truppen zur Verfügung hat. Und wenn sie all-in geht und tatsächlich die Mittel einsetzt, die es braucht, um die Ukraine zu sichern, dann ist nicht mehr viel vorhanden, um Europa selbst zu verteidigen.

Militärisch, aber auch geopolitisch arbeitet man mit Szenarien. Gegenwärtig arbeiten die Europäer mit einem Szenario, das die USA weiterhin dabei behalten will. Vielleicht auch, um Zeit zu gewinnen. Weil wenn die Europäer militärisch auf eigene Füsse kommen wollen, dann brauchen sie Zeit, damit das überhaupt funktioniert. Ein weiteres Szenario ist, dass sich die USA wesentlich schneller zurückziehen. Europa alleine lassen mit dem «Ukraineproblem» und eine Konfrontation zwischen den restlichen europäischen NATO-Staaten und Russland zu einem wahrscheinlichen Szenario wird. Und dann gibt es ein weiteres sehr unangenehmes Szenario für Europa, nämlich, dass Europa zwischen Stühle und Bänke gerät. Dass sich die USA und Russland einigen, vielleicht auch mit China auf eine neue Weltordnung, wo Machtpolitik im Vordergrund steht.

Und dann muss sich Europa entscheiden, wie viel Wert die Freiheit, die liberale Demokratie hat und wie viel Wert die offene Gesellschaft hat – die Art und Weise, wie wir leben.

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