Die Schneedecke nimmt ab, es wird wärmer, die Anforderungen an die technische Beschneiung steigen. Die Frage zur Zukunft des Skisports ist längst keine rein klimatische mehr.
Wer einen Skitag plant, tut dies kaum mehr ohne einen Blick aufs Pistenbulletin. Wie hoch liegt Schnee? Wie ist der Pistenzustand? Sind die Antworten unbefriedigend, wählt man ein anderes Skigebiet.
Künftig bedeutet «ein anderes» vermehrt ein höher gelegenes. Ski fahren werden wir auch in 30 Jahren noch, wahrscheinlich auch in 50. Selbst in 80 Jahren könnte es den Skisport noch geben, doch je weiter wir in die Zukunft blicken, desto wichtiger werden die Zusatzfragen: Wo können wir noch Ski fahren? Auf welcher Unterlage? Und zu welchem Preis? «Die Frage zur Zukunft des Skisports ist längst keine rein klimatische mehr, sondern auch eine technische und wirtschaftliche», sagt Reto Knutti, Professor für Klimaphysik an der ETH Zürich.
Weniger Tage mit Schneedecke in den Alpen
Zuerst zur klimatischen Frage. Eine Forschungsgruppe der Uni Bayreuth hat eine Studie zu den Tagen mit natürlicher Schneedecke in allen sieben grossen Gebirgsregionen der Welt durchgeführt. Bei einem Szenario mit «hohen, aber nicht sehr hohen Treibhausgasemissionen» werden die Schneedecken-Tage in den europäischen Alpen bis ins Jahr 2100 um 42 Prozent zurückgehen. Die australischen Alpen trifft es am härtesten (78 Prozent), am schneesichersten sind die Rocky Mountains in Nordamerika mit einem Rückgang von 23 Prozent.
In der Schweiz ist die Nullgradgrenze im Winter seit den 1960er Jahren um 300 bis 400 Meter gestiegen, nochmals 300 Meter sollen es bis 2050 sein. Parallel dazu hat die Schneedecke in hohen Lagen (über 250o m ü. M.) um 15 Prozent abgenommen, in tiefen Lagen (zwischen 1000 und 1500 Meter und tiefer) sogar um 40 Prozent. «Diese Veränderungen werden sich fortsetzen», sagt Knutti. In den tiefen Lagen um bis zu 30 Prozent bis 2050. «Ein Grad wärmer in hohen Lagen ist kein Problem. Aber bei der Schneefallgrenze ist ein Grad der Unterschied zwischen Regen oder Schnee, Schmelzen oder nicht.»
Skigebiete unter 1500 Metern stehen vor grossen Problemen, auch wenn lokale Faktoren wie Nord- oder Südlage eine Rolle spielen. Gemäss einer Auswertung des Onlineportals Watson erreichen höchstens 100 der rund 250 Skigebiete der Schweiz die Höhe von 1500 Metern. Nach Prognosen könnte die Nullgradgrenze im Winter dort bereits 2050 oder 2060 erreicht sein.
Das führt zum nächsten Problem, denn tiefer gelegene Skigebiete leiden doppelt unter dem Klimawandel. Knutti sagt: «Die kalten Tage, an denen man beschneien kann, nehmen besonders in den tiefen Lagen ab.» In der Schweiz werden heute 54 Prozent der Pisten künstlich beschneit. Die Technik ist besser geworden: Früher dauerte das Beschneien einer Piste drei Wochen, heute schaffen es gewisse Maschinen in 24 Stunden.
Technische Beschneiung ist aber teuer und aufwendig. Der Verband der Schweizer Seilbahnbranche schätzt, dass es rund eine Million Franken kostet, einen Pistenkilometer beschneibar zu machen – nur für die Installation, nicht den Betrieb. Dazu kommen die hohen Kosten für Lifte und Bahnen sowie die Pistenpräparation. Ein Skigebiet muss sich fragen, ob sich diese Investitionen lohnen. Denn tendenziell gibt es zukünftig gleich viele oder weniger Skifahrerinnen und Skifahrer, und diese fahren seltener.
Die Frage ist auch, zu welchem Preis sie das dereinst tun. Dort gehen die Meinungen auseinander. Reto Gurtner, Verwaltungsratspräsident und Delegierter der Weissen Arena in Laax, sagte kürzlich im rätoromanischen Fernsehen und in der «Südostschweiz»: «In zehn Jahren wird eine Tageskarte in Laax zwischen 200 und 300 Franken kosten.» Andere Skigebiete gehen davon aus, dass die Kosten nicht auf die Skifahrer abgewälzt werden können.
Wurden die Auswirkungen des Klimawandels vor ein paar Jahren von den Skigebieten öfter noch verdrängt, spürt Knutti nun eine veränderte Haltung. Seilbahnen Schweiz, der Verband der Branche, hat die ETH, Meteo Schweiz und das Institut für Schnee- und Lawinenforschung gebeten, wissenschaftlich fundierte Daten zur Klimaentwicklung im Winter bis ins Jahr 2050 zu liefern, um diese seinen Mitgliedern zur Verfügung zu stellen. Die Betreiber der Skigebiete können auf den Grundlagen dieser Daten Entscheidungen zu Investitionen treffen – 20 bis 25 Jahre sind ein typischer Zeithorizont für solche Investitionen.
Nicht alle Schweizer Skigebiete werden in den nächsten 30 Jahren Probleme bekommen. Das Online-Magazin «Republik» hat aufgrund der Forschungsdaten aufwendige Grafiken für diverse Schweizer Skigebiete erstellt. Dort lässt sich ablesen, wie viele Berg- und Talstationen in den Jahren 2035, 2060 und 2085 im schneesicheren, gefährdeten oder kritischen Bereich sind.
Wie rüstet sich ein Gebiet für die Zukunft, das auch in 35 Jahren noch schneesicher sein wird? Ein Beispiel ist Andermatt-Sedrun, dessen Skigebiet bis auf knapp 3000 Meter geht. 2022 wurde das Gebiet für 149 Millionen Franken an Vail Resorts verkauft, 110 Millionen Franken fliessen in die Skiarena. Im Moment werden in Andermatt die gut 20 Jahre alten Leitungen für die Beschneiungsanlagen erneuert und erweitert. Das Ziel sei, 75 Prozent der Pisten beschneibar zu machen, sagt Ignaz Zopp, der Managing Director des Skigebiets; zurzeit sind es 55 Prozent.
Beschneien braucht Unmengen Wasser
Über die Kapazität des Gebiets macht man sich in Andermatt noch keine Sorgen. Erst einmal kam es an seine Grenze, als dank einer Sonderaktion über 12 000 Skifahrerinnen und Skifahrer kamen. 10 000 bis 12 000 könne man gut bewältigen, «und wenn es pro Winter nur drei bis vier solche Wochenenden gibt, müssen wir die Kapazitäten nur dort ausbauen, wo wir Engpässe haben», sagt Zopp. «Ein Ausbau des Skigebiets mit weiteren Geländekammern steht nur dort zur Diskussion, wo wir effektiv Mehrwert schaffen können. Nicht alles, was man machen könnte, ergibt auch Sinn.»
Neues Gelände zu erschliessen, bedeutet einen Mehraufwand, und dieser ist nicht immer finanzieller Natur. Die leistungsstarken Schneekanonen benötigen eine Unmenge an Wasser. In der Wintersaison werden in der Schweiz etwa 13 Millionen Kubikmeter Wasser für die Beschneiung verwendet. Das entspricht etwa dem Volumen des Gelmersees im Berner Oberland. «Das Wassermanagement ist eine Herausforderung», sagt Zopp. Andermatt-Sedrun brauche für die Zukunft eine Auslegeordnung. Momentan hat das Gebiet mit dem Elektrizitätswerk Urseren ein Wasserkontingent vereinbart. Ist dieses aufgebraucht, kann nicht mehr beschneit werden. Und die Auflagen für den Bau eines Speichersees sind hoch.
Aus klimatischer Sicht können wir erahnen, wo man am Ende des Jahrhunderts noch Ski fahren kann. Ob sich der Aufwand für die Skigebiete aber lohnt und die Ressourcen vorhanden sind, lässt sich heute nicht beantworten.
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