Freitag, Februar 28

Gaëtan Bally / Keystone

Bereits müssen Pisten aufgegeben werden: Steigende Temperaturen bedrohen den ganzjährigen Skibetrieb auf dem Feegletscher. Muss Saas-Fee sein Konzept radikal ändern, um zu überleben?

Wolken treiben. Als Michael Schwarzl vor 25 Jahren in Saas-Fee als Bergführer anfing, «sah man fast nie welche. Die Landschaft ist grüner geworden. Die Baumgrenze steigt.» Er blickt von der Bergstation Längfluh auf 2870 Meter Höhe auf die Viertausender Täschhorn und Dom. Wer wie Michael Schwarzl mit der Natur lebt, erkennt hier oben die Folgen des Klimawandels. Andere geniessen das perfekte Skiwetter und nehmen den Lift zum Sommerskigebiet auf dem Feegletscher, wo Schneekanonen trotz der Höhe weisse Eiskügelchen auf die Pisten sprühen.

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Michael Schwarzl, drahtig und sonnengegerbt, ist nicht zum Skifahren hier. Mit Seil, Teleskopstöcken und Schneeschuhen steigt er den Hang hinauf, vorbei an der Steinhütte. Oben legt er die Schneeschuhe an, knotet die Gruppe mit Achterknoten ans Seil und beginnt, fast im rechten Winkel zur Skipiste, eine Spur durch den unberührten Schnee des Feegletschers zu ziehen. Die Höhe macht sich schnell bemerkbar, der Atem wird kurz – die Längfluh liegt gut tausend Meter höher als Saas-Fee. «Bleibt schön in meiner Spur», ruft er dem Fotografen und mir zu. «Sonst kommen womöglich Touristen auf die Idee, das nachzumachen.» Die wissen nichts von der Windharschdecke. Sie bildet eine harte Schicht über Gletscherspalten, kann aber unter dem Gewicht eines Menschen blitzartig einbrechen. «Schwupp, einer ist weg, und wir Bergführer müssen ihn retten.»

Gang über zweihundert Jahre alten Schnee

Zu Beginn der Saison prüfen Bergführer die Routen mit Sonden, um sicherzustellen, dass die Schneeschicht über den Spalten trägt. «Eineinhalb Meter Pulverschnee oder ein halber Meter verfestigter Altschnee reichen aus, um alle sicher hinüberzubringen», erklärt Michael Schwarzl. Das Eis unter unseren Füssen ist zwischen zehn und fünfzig Jahre alt. Würde man bis zum Grund bohren, fände man Eis, das hundert bis zweihundert Jahre alt ist.

Bald hört man nur noch das Knirschen der Schneeschuhe im gleichmässigen Takt der Dreierseilschaft. Zwischen zwei eng stehenden, meterhohen Eistürmen, die wie polierter Marmor in blassen Grüntönen schimmern, verblasst der Trubel der Skipiste.

Schritte, das Klacken der Stöcke, marmorierte Eisklippen in blaugrünem Pastell – das ist Entschleunigung. Auf einem Kamm, wo das Eis senkrecht abfällt, hält Michael Schwarzl an. Die meisten Touristen, die er hierherführt, sagen, «sie wollen den Gletscher noch erleben». Michael Schwarzl greift in seinen Rucksack und holt heissen Tee hervor.

Ein Stück des Gletschers ist längst verschwunden. Schon kurz nach dem Einstieg in die Spielbodenbahn überquert die Gondel die gewaltige Endmoräne, die der Feegletscher einst aufgetürmt hat. Heute ragen dort Geröll und Bäume aus dem Schnee. Eis gibt es hier keines mehr. In den 1850er Jahren erreichte der Gletscher bei seinem letzten grossen Vorstoss den Talboden.

Damals stiegen die Leute nicht zum Vergnügen auf den Gletscher. Nur wer Eis für den Sommer einlagern wollte, wagte sich hinauf. «Siehst du das Holzkreuz dort drüben?», fragt Michael Schwarzl. «Man fand es 1968 bei Bauarbeiten für die Felskinn-Bahn. Die Bauern hatten es aufgestellt, weil sie Angst hatten, der Gletscher könnte noch näher an den Ort rücken», sagt der Bergführer beim Start der Gondel zur Bergfahrt.

Trotz Schneedepots und Beschneiung: Pisten müssen aufgegeben werden

Während die Lifte Skifahrer, Snowboarder und Winterwanderer auf die Berge bringen, bleibt Ingemar Supersaxo, Gemeinderat von Saas-Fee, optimistisch: «Auch in fünfzig Jahren wird man auf dem Feegletscher Ski fahren – zumindest im Winter. Wir arbeiten mit dem, was wir haben, und schaffen Übergänge, wo das Eis sie nicht mehr bietet. Höher und weiter zurück können wir nicht.» Der Aufwand wächst jedoch jedes Jahr. «Manchmal fragen wir uns, welche Massnahmen noch sinnvoll sind. Bauen wir Stahlkonstruktionen, die im Sommer die Landschaft verschandeln? Sprengen wir Fels? Im Moment beschneien wir bis zum Gletscherrand und arbeiten mit Schneedepots.» Fünf solcher Depots gibt es bereits, weitere könnten folgen. Einige Pisten wurden aufgegeben, weil Übergänge fehlen und der Aufwand, sie jedes Jahr neu herzurichten, zu gross wäre. Schneemangel und Gletscherrückgang greifen ineinander.

Der Feegletscher umfasst noch knapp 570 Millionen Kubikmeter Eis. Klingt beeindruckend, ist es aber nicht. 2015 betrug die durchschnittliche Dicke 41 Meter – «wenig für einen Gletscher dieser Grösse», sagt der Glaziologe Matthias Huss von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Was grossteils daran liegt, dass er sich auf eine breite Flanke verteilt und steil abfällt. Am tiefsten ist das Eis unterhalb des Mittelallalin, bis zu 160 Meter. «Seit 1850 hat der Feegletscher ein Drittel seiner Fläche verloren», sagt Matthias Huss, der das Schweizer Gletschermessnetz Glasmos leitet. Im Vergleich zu anderen Alpengletschern sei das wenig, weil der Feegletscher steil sei und in grosse Höhen reiche. «Das hilft ihm, sich besser an ein wärmeres Klima anzupassen. Dennoch wird er sich bis 2100 weit zurückziehen. Eis bleibt dann nur noch im oberen Bereich.»

Der schmelzende Permafrost wird zur Gefahr

Saas-Fee wird Alternativen zum Sommerski brauchen. «Wir denken über neue Angebote nach», sagt Mattia Storni, Leiter Marketing und Kommunikation von Saas-Fee/Saastal. «Vorletzten Sommer war das gesamte Skigebiet auf dem Gletscher offen, vor drei Jahren nur die Hälfte der Pisten.» Für die Wintersaison modernisiert Saas-Fee die Bahnen, baut Beschneiungsanlagen aus und setzt auf Winterwandern und Schlitteln. Ein visionäres Konzept ist jedoch nicht wahrnehmbar. Supersaxo verweist auf verdoppelte Mountainbike-Trails, neue Wanderwege und einen vierten Klettersteig, der im Sommer 2024 eröffnet wurde.

Im Sommer zeigt der Klimawandel seine Wirkung besonders stark. Zwar lockt die Hitze mehr Touristen in die Höhe, doch der Permafrost taut, Steinschläge häufen sich, manche Touren werden gefährlicher. 2022 und 2021 starben je 23 Alpinisten und Bergwanderer in den Walliser Bergen, 2023 meldete der Walliser Bote bereits im August 24.

Michael Schwarzl weist mit dem in seiner Hand dampfenden Teebecher auf das Allalinhorn (4027 m): «Früher stiegen die Leute vom Tal zur Steinhütte und übernachteten dort, bevor sie weitergingen. Heute bringt die Gondel sie bequem auf 3500 Meter.» Der Viertausender wurde damit zu einem der am leichtesten zugänglichen der Alpen, so dass zunehmend auch Menschen mit weniger Bergerfahrung dorthin drängen. Gleichzeitig erschwert der tauende Permafrost die Besteigung. «Früher nahmen wir fünf Leute in eine Seilschaft, heute nur noch drei. Bald müssen wir entscheiden: Überbrücken wir wegbrechenden Fels, oder nehmen wir nur noch erfahrene Bergsteiger mit?»

Saas-Fee rüstet sich für klimatische Herausforderungen

Saas-Fee versucht gegenzusteuern. Der Ort ist autofrei, trägt das Energiestadt-Goldlabel. Doch der Tourismus bleibt abhängig von Autos und attraktiven Angeboten. «Die Schweiz hat 45 Skigebiete über 1500 Meter Höhe, die als schneesicher gelten», sagt Storni. «Das Saastal hat durch seine Höhenlage einen Vorteil. Wichtig ist, nachhaltige Entwicklung voranzutreiben und sich anzupassen.» Sommerski werde in fünf bis zehn Jahren schwierig. «Im Winter fehlt der Schnee nicht, aber wir beschneien.»

Die Bedingungen wechseln ständig. Auf dem Feegletscher trainiert die Weltelite. Doch die Gletscher verlieren rapide an Masse. «2022 und 2023 schmolzen zehn Prozent des Schweizer Gletschereises – so viel wie zwischen 1960 und 1990 zusammen», sagt Huss. Das Eis schmilzt, der Schnee fehlt, die Kosten steigen. Schneedepots bewahren das Weiss über den Sommer, Bagger und Pistenfahrzeuge verteilen es im Winter. Selbst die Gletscherpisten erfordern Bauarbeiten, weil der Gletscher sich bewegt und mit ihnen auch die Lifte, deren Pfosten neu verankert werden müssen. Immer wieder müssen entstehende Spalten mit Schnee verfüllt werden, damit keine Skifahrer darin verschwinden.

Nach Stunden auf dem Gletscher kehren wir zur Skipiste zurück. Schwarzl löst die Knoten, rollt das Seil ein und schnallt die Schneeschuhe ab. In der Liftgondel bergab sinniert er: «Die Leute wollen immer früher im Jahr Ski fahren und später aufhören. Vor zwanzig Jahren war der März der stärkste Monat. Keiner wäre auf die Idee gekommen, im Dezember Ski zu fahren. Heute kommen viele ohne Ski – für die Gletschertour. Früher hätte daran niemand gedacht. Jetzt wollen sie den Gletscher erleben, solange es noch geht.»

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