Mittwoch, November 27

In der Schweiz wird zu wenig investiert. Ein Hinderungsgrund für viele ist, dass gerade in jungen Jahren die Sparbeträge vermeintlich zu klein sind. Dabei wirkt der Zinseszins auch bei sehr kleinen Beträgen.

In meiner Kindheit habe ich Einfränkler gesammelt. Immer wenn ich etwas gekauft habe, habe ich darauf geachtet, dass ich mein Rückgeld in 1-Fr.-Stücken bekam. Nach ein paar Jahren hatte ich so über 200 Fr. in meinem Kässeli. Als Belohnung gab es Donald Duck und Micky Maus: ein Jahresabonnement der «Lustigen Taschenbücher».

Nach einem ganz ähnlichen Prinzip funktioniert das «Wechselgeld-Investieren». Wer die Kreditkarte eines entsprechenden Anbieters benutzt, investiert bei jedem Einkauf automatisch das Wechselgeld in einen Aktien-ETF. Kaufe ich also bei Starbucks einen Coffee-to-go für 7.60 Fr., wird mir also der fehlende Betrag auf den nächsten Franken – 40 Rappen – investiert.

Marketingtechnisch genial, aber was bringt das? Ich habe mir das anhand meiner eigenen Ausgaben genauer angesehen.

Wie reich wird man, wenn man Wechselgeld spart und investiert?

Aus 394 Fr. Wechselgeld werden…

Gemäss dem Swiss Payment Monitor der Universität St. Gallen und der ZHAW tätigt ein durchschnittlicher Schweizer knapp zwei einmalige Transaktionen pro Tag (also rund 730 pro Jahr) – dazu kommen wiederkehrende Ausgaben wie Miete, Krankenkasse oder diverse Abonnemente. Diese Zahlen erreiche ich nicht ganz. Bei mir waren es vergangenes Jahr insgesamt rund 650 Transaktionen. Ich bin zwar nicht der Durchschnittsschweizer, aber ich sollte zumindest als Anschauungsbeispiel taugen.

Die Wechselgeldrechnung ist schnell gemacht. Alle meine Ausgaben auf den nächsten Franken aufgerundet ergeben: 394 Fr. Wechselgeld. Was passiert nun, wenn ich diesen Betrag in Aktien investiere – und zwar nicht nur in diesem Jahr, sondern in jedem Jahr zwischen meinem 18. und 65. Geburtstag? Wenn wir von einer langfristigen inflationsbereinigten Rendite von 6% für Aktien ausgehen, werden aus den 394 Fr. Wechselgeld pro Jahr bis zu meinem 65. Geburtstag ziemlich genau 100’000 Fr. Für 10 Rappen hier und 40 Rappen dort eigentlich ganz gut.

… je nach Strategie eine Million

Doch nur ab und zu einige Rappen zu investieren, ist mir zu wenig. Schliesslich konnte ich schon als Kind problemlos ganze 1-Fränkler sparen. Bei vielen Wechselgeldanbietern gibt es deshalb verschiedene Möglichkeiten. So kann man zum Beispiel das Rückgeld verdoppeln oder auf den übernächsten runden Betrag aufrunden.

Was dann passiert, zeigt diese Grafik.

Wenn ich bei meinem Starbucks-Kaffee nicht 40 Rappen, sondern einen Franken mehr spare, wird daraus im Alter etwas mehr als eine Viertelmillion Franken. Vervierfache ich das Wechselgeld von 40 Rappen auf 1.60 Fr., sind es an meinem 65. Geburtstag bereits 400’000 Fr. Umgerechnet in eine monatliche Altersrente sind das übrigens rund 1600 Fr. Zum Vergleich: Die durchschnittliche AHV-Rente liegt mit etwas über 1800 Fr. nur unwesentlich höher. Wer sehr ehrgeizig ist und das Zehnfache spart und anlegt, erreicht mit 65 Jahren sogar eine Million.

Das Beispiel mit dem Wechselgeld zeigt eindrucksvoll, wie auch aus sehr kleinen Beträgen langfristig sehr viel werden kann. Elegant finde ich den Ansatz aber auch für die vielen Menschen, die sich mit dem Sparen schwer tun – nicht weil sie zu wenig verdienen, sondern weil sie zu gerne Geld ausgeben. Etwas Kaufsucht kann also nützlich sein. Denn wer oft Geld ausgibt, sammelt auch mehr Kleingeld und damit langfristig mehr Ersparnisse. Zumindest dann, wenn sie dort angelegt werden, wo sie nicht jederzeit abgerufen werden können, zum Beispiel in der Säule 3a.

Patrick Eugster

Patrick Eugster hat an der Universität Zürich in Finance bei Prof. Dr. Thorsten Hens promoviert. Beruflich vermittelt er mit Videos, Podcasts und Blogartikeln Finanzwissen der Allgemeinheit. Sein monatlicher Newsletter «Besser Investieren» unterstützt Anleger mit wissenschaftlich abgestützten und direkt anwendbaren Tipps und Tricks zum Investieren. Zudem ist er aktiv auf Youtube als «Patrick investiert». In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Erwin Heri und Iwan Brot hat er vor kurzem das Buch «Die Schweiz sorgt vor» publiziert. In seiner Freizeit engagierte er sich politisch als Initiant und Präsident der eidgenössischen Volksinitiative «Renteninitiative» und betreibt regelmässig Crossfit.
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