Der österreichische Immobilienspekulant hat mit seiner Signa eine der grössten Pleiten Europas hingelegt. Doch mit dem intransparenten Netz von Firmen und Stiftungen scheinen die Behörden überfordert. Im Februar findet in Genf eine Verhandlung vor einem Schiedsgericht statt.
Andreas Grabenweger hat Verständnis für den Unmut in der Bevölkerung. Der Anwalt sitzt in einem unscheinbaren Gebäude im Stadtzentrum von Innsbruck. Er ist für die Suche nach dem Vermögen von René Benko zuständig. Grabenweger ist Benkos gerichtlich bestellter Insolvenzverwalter.
Dieser hatte im März 2024 die Insolvenz als Einzelunternehmer beantragt, wenige Monate nach dem Untergang der von ihm gegründeten Signa-Gruppe. Ein knappes Jahr später scheint Benko davon immer noch unberührt. Nach wie vor thront er in seiner luxuriösen Villa im Innsbrucker Stadtteil Igls und fährt zur Arbeit in sein Büro in die Innenstadt.
Benko lebt in Saus und Braus
Periodisch werden Bilder veröffentlicht, die ihn etwa in Italien bei der Fahrt mit seinem Motorboot auf dem Gardasee zeigen oder beim Jagdausflug in der Steiermark – zum Missfallen nicht nur der Bevölkerung, sondern auch seines Insolvenzverwalters. Benkos Lebensstil bringt Grabenweger in grosse Erklärungsnot. Offiziell verdient dieser 3700 Euro pro Monat. Benko ist in einer seiner Gesellschaften, die nicht insolvent ist, als Vermögensverwalter angestellt.
Möglich macht das luxuriöse Leben des gescheiterten Immobilien-Tycoons ein ganzes Netz von Stiftungen und damit verbundenen Gesellschaften in Österreich und Liechtenstein, die Benko nahestehen. Formell ist der einst hochfliegende Unternehmer, dessen Netz von Luxusimmobilien und -kaufhäusern sich zwischen Wien, Berlin, Zürich und New York erstreckte, heute von den Zuwendungen seiner Mutter Ingeborg abhängig. Ingeborg Benko ist als Stifterin bei der österreichischen Laura-Privatstiftung und der Ingbe-Stiftung in Liechtenstein eingetragen.
Aus den Ausschüttungen der Stiftungen zahlt sie ihrem Sohn laut dem Insolvenzverwalter unter anderem die Miete für die Villa in Igls. 238 000 Euro seien es pro Monat, wie die österreichische Tageszeitung «Der Standard» schreibt.
Maserati oder Kleinwagen?
Wie kann Benko sein Geld und das anderer Signa-Aktionäre einfach über seine Mutter fliessen lassen? Grabenweger vergleicht die Situation mit der eines Jungunternehmers, der seinen gesamten Betrieb verliert und dessen Mutter ihm nun die Miete und die Rate für sein Leasingauto bezahlt. «Dann kommt langsam das Verständnis», sagt er. Ob jemand einen Kleinwagen oder einen Maserati fahre, sei aber immer noch ein riesiger Unterschied. Doch schliesslich handle es sich um emotionale und keine rechtlichen Unterschiede, und für erstere sei er als Insolvenzverwalter nicht zuständig.
Der Fall Benko sorgt in Innsbruck mit seinen rund 132 000 Einwohnern für Unverständnis. Man kennt sich, fast alle können eine persönliche Geschichte über den gefallenen Immobilienunternehmer erzählen. Doch für ihre Arbeit kommen die Behörden nicht gut weg. Zu sehr würden sie sich hinter Paragrafen und Checklisten verstecken. Das schädige den Ruf von Österreich als Wirtschaftsstandort, meint ein Beobachter.
Viele finden es unverständlich, dass sich Benko immer noch auf freiem Fuss befindet. Mit einem Verfahren von dieser Dimension seien die Behörden überfordert, sagt ein Kenner des Falls. Normalerweise würden sie die Konkurse von Handwerksbetrieben abarbeiten.
Der Kollaps der Signa ist eine der grössten Unternehmenspleiten Europas. Mehr als hundert Gesellschaften aus der intransparenten Gruppe haben mittlerweile Insolvenz angemeldet. Diese zu koordinieren, ist eine Herkulesaufgabe. Fast jede Gesellschaft hat einen eigenen Insolvenzverwalter, der die Ansprüche der jeweiligen Gläubiger durchsetzen muss. Notfalls auch in Konkurrenz zueinander.
Alleine gegenüber René Benko haben Gläubiger Forderungen in der Höhe von rund 2,5 Milliarden Euro angemeldet. Anerkannt hat der Insolvenzverwalter Grabenweger davon gerade einmal 47 Millionen. Bestritten hat er unter anderem die Ansprüche von Grossinvestoren der Signa, beispielsweise vom saudischen Staatsfonds Mubadala.
Dieser hat 2019 einen dreistelligen Millionenbetrag bei Benko investiert. Mubadala stellt sich auf den Standpunkt, dass die Investitionen nur zustande gekommen seien, weil Benko bei den Verhandlungen dabei gewesen sei. Also hafte er für den Schaden. Da Mubadala keine Beweise vorgelegt habe, bestreitet der Insolvenzverwalter diese Forderungen.
Als persönliches Vermögen sind bei Benko jedoch gerade einmal 350 000 Euro zusammengekommen. «Das sind vor allem persönliche Gegenstände des Schuldners wie Uhren, Armbänder und Schmuck», sagt der Insolvenzverwalter. Dazu kamen noch Rechte an Signa-Marken und Kleidung im Wert von 77 000 Euro. Diese hat ihm seine Mutter zurückgekauft. Die meisten dieser Vermögensgegenstände sind inzwischen verkauft. Der Kontakt zwischen dem Insolvenzverwalter und seinem berühmten Schuldner hat sich mittlerweile auf weniger als einmal pro Monat reduziert.
Stifterrechte der Mutter stehen im Zentrum
Die Jagd nach Benkos Vermögen konzentriert sich auf die Stiftungen in seinem Umfeld. Alleine in der Laura-Privatstiftung sollen nach wie vor Vermögenswerte im Umfang von mehreren hundert Millionen Euro liegen. Beispielsweise Immobilien, Kunst oder eine Sammlung teurer Autos. Verkäufe daraus kommen der Stiftung zugute. Zuletzt wurde laut dem «Standard» beim Auktionshaus Sotheby’s etwa ein Picasso für knapp 11 Millionen Euro versteigert.
Für die Vorgänge in der Stiftung interessieren sich auch andere Parteien. So klagt der saudische Staatsfonds Mubadala in einem Schiedsgerichtsverfahren gegen Benko. Laut einem Insider fordern die Investoren mehr als 750 Millionen Euro von ihm zurück. Sie wollen beweisen, dass die Laura-Stiftung Teil der Signa war und Gelder und Vermögenswerte hin und her verschoben wurden. Im Februar soll der Fall während zweier Wochen in Genf verhandelt werden.
Doch Benko hat sein Vermögen frühzeitig gegen den Zugriff allfälliger Gläubiger abgeschirmt. Dazu hat er das österreichische Recht bis an die Schmerzgrenzen ausgereizt. Offiziell hat er nach einer Verurteilung wegen Korruption 2013 seine Ämter in der Signa zurückgelegt. Seit damals ist er auch nicht mehr Begünstigter seiner Stiftungen, sondern andere Mitglieder seiner Familie.
Beschliessen diese, Benko in der Villa wohnen zu lassen oder ihn auf die Jagd in eines ihrer Reviere einzuladen, ist dies rechtlich zwar zulässig. Als Insolvenzverwalter sei das für ihn unbefriedigend, sagt Grabenweger. Anfechten lassen sich diese Änderungen aber nicht mehr. Die Frist dafür erlischt laut der österreichischen Insolvenzverordnung nach zehn Jahren.
Er fokussiert sich bei seinen Bemühungen auf die Mutter von René Benko. «Ich gehe davon aus, dass sie bei den Stiftungen in Österreich und Liechtenstein nur eine Art Strohfrau für ihren Sohn ist», sagt der Insolvenzverwalter. Er gehe davon aus, dass dieser tatsächlich das Sagen in den Stiftungen habe. Momentan ist ein Verfahren vor Gericht hängig, mit dem die Stifterrechte von Ingeborg Benko eingeschränkt werden sollen. Ziel ist, dass die Gläubiger Zugriff auf das Stiftungsvermögen erlangen. Der Verhandlungsauftakt findet Ende Januar statt. Bis zu einem rechtskräftigen Entscheid dürften allerdings noch Jahre vergehen.
Es geht weiter wie bisher
Doch anstatt für eine möglichst rasche Aufklärung der Signa-Pleite zu sorgen, scheinen sich die verschiedenen Behörden in einen Kleinkrieg untereinander zu verstricken. Einen ersten Versuch, die Kontrolle der Mutter über die Stiftungen zu beschneiden, hat das Gericht in Innsbruck ignoriert. «Nach der österreichischen Insolvenzverordnung kann ein besonderer Verwalter eingesetzt werden, der sich der umfassenden Vermögensverfolgung widmet», sagt Wolfgang Peschorn, der dies bei dem Gericht angeregt hat.
Als Leiter der österreichischen Finanzprokuratur vertritt er im Fall Signa die Interessen des österreichischen Staates. Für ihn wäre dies ein wichtiger Schritt gewesen, um zu verstehen, wie Vermögen genau in die Stiftungen gelangt ist. Der Richter sei darauf nicht einmal eingetreten. Peschorn hatte unter anderem in der NZZ davor gewarnt, dass Benko über seine Stiftungen ein paralleles System, eine Signa 2, aufbaue.
Ende Jahr hat der Oberste Gerichtshof ihm in einer anderen Sache recht gegeben und die beiden wichtigsten Immobiliengesellschaften der Signa, die Signa Prime und die Signa Development, in ein ordentliches Konkursverfahren geschickt. «Geändert hat sich seit damals noch nicht viel», sagt er.
Er moniert die fehlende Energie und Initiative bei der Aufarbeitung der Signa-Pleite. Zielführender wäre es laut Peschorn, wenn sich die zuständigen Behörden darauf konzentrieren würden, zu verstehen, welche konkreten Massnahmen die früheren Machthaber der Signa um René Benko in den mehr als tausend Gesellschaften der Gruppe gesetzt haben. So könnten sich Straftaten möglicherweise rascher nachweisen lassen.
Grabenweger weist die Kritik zurück. Er sieht Peschorn ebenfalls in der Pflicht. «Wieso hat die Finanzprokuratur denn die ganzen Jahre zugeschaut und ein derart intransparentes Konstrukt wie die Signa-Gruppe entstehen lassen?», fragt er.
Benko und seine Getreuen haben Hunderte von Gesellschaften gegründet, über die Finanzierungen aufgenommen und verschoben worden sind. Ganz ohne dass der Staat Kontrollen oder gar Sanktionen ausgesprochen hat. Nun zahlen die Behörden für ihre Versäumnisse. Weil sie so lange wegschauten, konnte Benko schalten und walten, wie er wollte. Und kann selbst nach der Pleite sein fürstliches Leben weiterführen.
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