Beim Anlegen gilt: je einfacher, desto besser. Ein Portfolio mit wenigen börsenkotierten Anlagefonds, ETF genannt, kann genauso erfolgreich sein wie anspruchsvollere Strategien.

Für einen komfortablen Ruhestand ist privates Vorsorgen unumgänglich. Aber auch um während des Berufslebens persönliche Ziele zu erreichen – eine Ausbildung, eine Immobilie –, braucht es Vermögen. Da es auf dem Sparkonto kaum mehr Zinsen gibt, ist Anlegen die einzige Möglichkeit, um dieses aufzubauen. Über sogenannte ETF ist das Investieren in Reichweite fast aller Sparenden – und das praktisch ohne Fachwissen oder Bankberater.

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ETF – Exchange-Traded Funds – sind an der Börse gehandelte Fonds, die einen Börsenindex nachbilden. Über diese Finanzprodukte können Sparende günstig und diversifiziert Aktien, Obligationen, Immobilien oder alternative Anlagen wie Gold oder Krypto kaufen. ETF sind bei der Hausbank, über Broker-Plattformen oder Finanz-Apps erhältlich.

Der Entschluss, mit ETF zu sparen, steht am Anfang. Entscheidend für einen erfolgreichen Vermögensaufbau ist die Auswahl der richtigen Fonds und eine passende Anlagestrategie. Wichtig ist dabei, sich zu informieren und ein «Gefühl für die eigene Ausgangslage» zu bekommen, sagt Tobias Hochstrasser, verantwortlich für die Anlagestrategie bei der Neobank Findependent.

«Was ist mein Einkommen, was mein Nettovermögen, und was sind meine Finanzziele?» sind die Leitfragen. Wesentlich ist, zu wissen, wie viel man monatlich zur Seite legen und investieren kann. Dann sollte man sich Klarheit darüber verschaffen, was das Ziel ist: Ob man auf ein konkretes Vorhaben im nächsten Jahr oder für den Ruhestand spart, ist ein Unterschied. So ist es auch sinnvoll, die persönlichen Ziele und die individuelle Risikobereitschaft mit einem Finanzberater oder einem Bekannten zu plausibilisieren.

ETF: Ein Finanzprodukt erobert die Welt

Exchange-Traded Funds (ETF) haben das Geldanlegen revolutioniert. Sie versprechen Diversifikation, niedrige Kosten und Transparenz – und eröffnen damit Privatanlegern wie institutionellen Investoren gleichermassen den Zugang zu globalen Märkten. Doch hinter der scheinbar simplen Struktur verbergen sich auch Risiken.

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«Eine Handvoll ETF genügen»

Die Risikoneigung und -fähigkeit ist deshalb so wichtig, weil erst auf dieser Basis Zusammensetzung und Risikoprofil des Portfolios bestimmt werden können. Anlegen ist keine Wissenschaft: «Einfachheit ist wichtig, eine Handvoll ETF genügen», sagt Hochstrasser. Dann geht es lediglich darum, die Gewichtungen zwischen den Anlageklassen zu bestimmen. Dabei ist die Aktien-Allokation der «Ankerpunkt»: Sie definiert die Risikoneigung – je höher der Aktienanteil, desto grösser sind das Risiko und die Schwankungsanfälligkeit des Portfolios.

Neben dem Aktienanteil, der bei hoher Risikoneigung bis zu 100 Prozent des Portfolios ausmachen kann, sollte der Rest mit traditionellen Anlageklassen wie Obligationen oder Immobilien aufgefüllt werden – sie sind dazu da, eine niedrigere, aber dafür beständigere Rendite zu liefern und die Schwankungsanfälligkeit zu mindern. Ist das primäre Ziel die Kapitalvermehrung, dann sollte ein möglichst hoher Aktienanteil gewählt werden, sagt Hochstrasser.

Für Sparende, die in Franken rechnen, kann es zudem sinnvoll sein, im Aktienteil auf Schweizer Aktien zu setzen. Wobei hier zwischen grossen, stabileren Titeln und kleineren unterschieden werden muss. So finden sich bekannte Blue-Chip-Aktien wie Nestlé, Novartis oder Roche in ETF auf Indizes wie dem SMI oder SLI.

Risikoreichere, aber dafür dynamischere Unternehmen wie Lindt & Sprüngli, Schindler oder Straumann sind in ETF auf Indizes wie dem SMIM oder SPI zu finden, die auch kleinere Schweizer Titel abbilden. Weil die meisten kotierten Schweizer Konzerne einen Grossteil ihres Umsatzes im Ausland machen, ist auch mit Schweizer Aktien eine gute geografische Diversifikation gegeben.

Ein weiterer Vorteil von Schweizer Aktien ist die Währung, weil diese Konzerne in Franken rechnen. Im Aktienteil gibt es aber auch so wenig Grund, die Währung abzusichern, weil die meisten Firmen international aufgestellt sind. ETF mit Währungsabsicherung sind teurer, weil Derivate im Spiel sind. Bei der Absicherung zahlt man auch für die Zinsdifferenz zwischen den Währungsräumen.

«Langfristig lohnt sich das für Schweizer-Franken-Anleger nicht», sagt Hochstrasser. Bei Obligationen und Immobilien hingegen spiele das Währungsrisiko eine grössere Rolle. Deshalb ist es sinnvoll, in diesen Bereichen im Franken zu bleiben und das Währungsrisiko also abzusichern.

MSCI World: Ein ETF, eine Strategie – reicht das?

Wer über die Schweiz hinausgehen will, kann einen ETF auf den Weltindex MSCI World kaufen. Diesen sollte man jedoch regional abstufen, so Hochstrasser. Denn Welt-Indizes wie der MSCI World oder der FTSE All-World decken zwar über 1300 beziehungsweise 4000 Unternehmen ab. Beide haben aber einen sehr hohen US-Anteil von über 65 Prozent, mit hoher Gewichtung amerikanischer Tech-Aktien wie Apple, Nvidia oder Microsoft. Zudem sind kleinkapitalisierte Firmen, sogenannte Small-Caps, in den beiden «Welt-Indizes» deutlich untervertreten.

Es ist somit sinnvoll, den MSCI World mit ETF zu ergänzen, die diese blinden Flecken abdecken. Hierfür kommen Varianten infrage wie der MSCI World Emerging Markets Index, der Aktien aus 24 Schwellenländern umfasst. Alternativ kann man auch auf den MSCI ACWI zurückgreifen, der Aktien sowohl aus den Industrie- wie den Schwellenländern enthält. Um kleinere Unternehmen abzubilden, bieten sich ETF auf den Index MSCI World Small Cap an. Dieser bildet Tausende kleinere Konzerne mit einer durchschnittlichen Kapitalisierung von rund 2 Milliarden Dollar ab.

Ein ETF-Portfolio kann somit lediglich aus einem oder zwei ETF auf einen Weltindex und einem ergänzenden ETF bestehen. Die Performance der letzten Jahre validiert diesen Ansatz: In den vergangenen fünf Jahren hat der MSCI World eine annualisierte Rendite von rund 10 Prozent pro Jahr abgeliefert. Und mittel- bis langfristig schafft fast kein aktiver Vermögensverwalter eine bessere Rendite als der Gesamtmarkt.

«Wartungsarme» ETF-Strategien bevorzugen

Für die Bedürfnisse der meisten Privatanleger genügen also zwei oder drei ETF, ohne dass eine spezifische Strategie umgesetzt werden muss. Für Hochstrasser ist klar: «Je komplexer und wartungsintensiver eine Strategie, desto mehr Fehler kann man machen.» Deshalb seien ausgeklügelte Strategien für Nicht-Profis ungeeignet. «Nur wenige ausgewählte ETF zu halten, ist zwar langweilig, nützt dem Kunden aber langfristig», sagt er.

Es gibt aber durchaus ETF-Strategien, die Laien umsetzen können und die wenig fehleranfällig sind. So findet Adrian Bienz, Anlagechef beim Vermögensverwalter WHP, spezialisierte ETF-Strategien grundsätzlich sinnvoll, besonders für Privatanleger mit begrenztem Finanzwissen und einem langfristigen Anlagehorizont.

Zusätzlich hilfreich sind ETF-Sparpläne, die auch in der Schweiz immer mehr Verbreitung finden. Sie ermöglichen diszipliniertes Investieren ohne viel eigenes Zutun. Dabei wird in regelmässigen Zeitabständen ein bestimmter Betrag automatisiert in einen oder mehrere ETF investiert.

Zunächst boten lediglich Neobanken wie Yuh, Neon oder Findependent solche Pläne an. Mittlerweile haben sie auch Mainstream-Anbieter wie Postfinance oder Swissquote im Angebot – dabei gilt es, die anfallenden Gebühren zu beachten, sie unterscheiden sich stark zwischen den Anbietern, auch wenn von «Gratis-ETF-Sparplänen» die Rede ist.

Ob mit oder ohne Sparplan, folgende wenig anspruchsvolle ETF-Strategien eignen sich für Finanz-Amateure:

Das Core-Satellite-Portfolio

Bei diesem Anlagemodell besteht ein Grossteil des Portfolios aus einer breit diversifizierten Kernanlage (Core) ergänzt durch risikoreichere, kleinere Positionen bestehend aus ETF oder Einzelaktien (Satellites). Ein Core könnte etwa ein ETF auf den MSCI World sein, ergänzt durch ETF aus den Schwellenländern und/oder Japan; auch thematische ETF beispielsweise zu KI, Pharma oder nachhaltiger Technologie können nach Vorliebe verwendet werden. Diese Strategie werde von vielen jungen Anlegern bevorzugt, stellt Bienz fest. Sie sei für Risikofreudige «sehr praktikabel».

Das klassische 60/40-Portfolio

Ein in der Vermögensverwaltung verbreitetes Standard-Portfolio besteht aus 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Obligationen. Diese «klassische» Gewichtung kann mit ETF einfach nachgebaut werden. Dabei kann der Aktienanteil aus einem bis drei Aktien-ETF bestehen, der Bond-Teil aus einem oder zwei ETF, welche Indizes von Staats- und/oder Unternehmensanleihen abbilden. Die Idee: Der risikoreiche Aktienanteil sorgt für Wachstum, der defensive Obligationenanteil für Absicherung in unsicheren Zeiten. Gemäss Bienz hat sich diese Strategie bewährt. Doch bei sehr langfristigem Horizont und hoher Risikofreudigkeit kann der Aktienanteil erhöht werden.

Das Allwetter-Portfolio

Dieses vom amerikanischen Star-Investor Ray Dalio entwickelte Modell soll unter allen wirtschaftlichen Szenarien – Hochkonjunktur, Rezession, Inflation, Deflation – funktionieren. Es ist anspruchsvoller in der Umsetzung und bedarf mindestens fünf ETF mit unterschiedlichen Gewichtungen. Die Kern-Position sind rund 40 Prozent Staatsanleihen mit langen Laufzeiten, ergänzt durch Anleihen mittlerer Laufzeit. Hinzu kommt ein Aktienanteil von rund 30 Prozent. Die übrigen 15 Prozent teilen sich in Gold und Rohstoffe auf. «Ein solches Portfolio ist defensiv ausgerichtet, insofern ist es nicht ideal für jemanden, der Vermögen vergrössern will und eine hohe Risikobereitschaft hat», sagt Bienz.

Das Dividenden-Portfolio

Für Sparende, die längerfristig orientiert sind, aber ein passives Einkommen generieren möchten, bietet sich eine Dividendenstrategie an. Dabei werden die anfallenden Dividenden ausbezahlt und nicht wie bei thesaurierenden ETF wieder investiert. Der ETF iShares Swiss Dividend etwa hat eine Ausschüttungsrendite von knapp 4 Prozent. Unternehmen, die eine substanzielle Dividende zahlen, sind meist etabliert und weniger anfällig für starke Kursschwankungen, insofern ist auch das Dividenden-Portfolio eher defensiv ausgerichtet.

Vorsicht bei Nischenthemen

Strategien, die sich einem bestimmten Thema verschreiben, sind nur für bewanderte Anleger geeignet, die Vorwissen mitbringen. So kann ein Portfolio auch auf Nachhaltigkeit oder grüne Technologien ausgerichtet werden – mit entsprechenden Risiken. Unter dem Überbegriff Smart-Beta werden derweil Ansätze zusammengefasst, die langfristig vermeintlich bessere Ergebnisse liefern sollen als das simple Anlehnen an Länder-Indizes. Darunter fallen Strategien wie «Value», «Momentum» oder «Qualität».

Doch beim Rückgriff auf spezialisierte und nischenhafte ETF oder sehr volatile Produkte wie gehebelte ETF ist gemäss dem Anlageprofi Bienz Vorsicht geboten. Solche Produkte seien oft nicht für langfristiges Wachstum geeignet. Auch Produkte mit undurchsichtigen Strukturen oder hohen Gebühren sollten gemieden werden.

Den neu erhältlichen ETF auf Kryptowährungen wie dem Bitcoin steht Bienz jedoch nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Krypto-ETF können als «ergänzender Satellitenanteil» sinnvoll sein, «allerdings nur bei sehr hoher Risikotoleranz». Aufgrund der sehr hohen Volatilität von Kryptowährungen sollte ihr Anteil aber stark begrenzt bleiben.


ETF: Ein Finanzprodukt erobert die Welt

Exchange-Traded Funds (ETF) haben das Geldanlegen revolutioniert. Sie versprechen Diversifikation, niedrige Kosten und Transparenz – und eröffnen damit Privatanlegern wie institutionellen Investoren gleichermassen den Zugang zu globalen Märkten. Doch hinter der scheinbar simplen Struktur verbergen sich auch Risiken.

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