Mittwoch, April 30

Die Universität Bern stellt dem Verwaltungspersonal persönliche Fragen.

«Menstruierende» in der Zürcher Stadtverwaltung haben einen besonderen Stellenwert. Sie sollen sich bei starken Schmerzen jeden Monat bis zu fünf Tage von der Arbeit dispensieren lassen können – bezahlt, versteht sich. So will es ein Vorstoss der Grünen, den die linke Mehrheit des Parlaments im November 2022 an den Stadtrat überwiesen hatte.

Diese sehen die Sonderabsenz als «wichtigen Schritt zur Enttabuisierung der Menstruation» und als feministisches Anliegen. Das Problem sei nicht individueller Natur, sondern betreffe viele Frauen. Besonderes Gewicht legten die Grünen darauf, dass auch Trans- und nonbinäre Personen mitgemeint seien.

Die Bürgerlichen lehnten den Vorstoss ab. Wer medizinische Probleme habe, könne sich schon heute krankschreiben lassen, argumentierten sie. Die damalige SVP-Gemeinderätin Susanne Brunner – sie sitzt heute im Kantonsrat – empfand das Postulat als kontraproduktiv für Frauen: «Ich habe die Nase voll davon, dass wir von Links-Grün immer in die Opferrolle gedrängt werden.» Doch mit ihrer Haltung konnten sich die Bürgerlichen nicht durchsetzen.

Das Postulat forderte ein zweijähriges Pilotprojekt. Der Stadtrat sollte in Erfahrung bringen, ob ein Bedürfnis nach Mens-Urlaub bestehe und wie dieser ausgestaltet werden könne.

Universität Bern soll Erkenntnisse liefern

Nur: Knapp eineinhalb Jahre nach Überweisung des Vorstosses ist noch nichts passiert.

Die Idee der Grünen, den Pilotversuch in einer Dienstabteilung der Verwaltung durchzuführen, sei nicht umsetzbar, schreibt der Stadtrat jetzt. Sie könnte nur begrenzte Erkenntnisse liefern, da die Anzahl betroffener Personen wohl zu klein sei. Und es sei auch nicht klar, ob die Betroffenen bereit seien, dem Vorgesetzten ihre Mens-Beschwerden als Abwesenheitsgrund anzugeben.

Eine solche Übungsanlage widerspricht zudem dem Arbeitsrecht: Angestellte müssen den Grund ihrer Krankschreibung nicht angeben.

Einen Pilotbetrieb, wie ihn die Grünen verlangt hatten, gibt es deshalb nicht. Es ist auch keiner geplant, wie Finanzvorsteher Daniel Leupi (Grüne) gegenüber der NZZ sagt. Deshalb habe es bisher für Mitarbeitende auch noch keine Möglichkeit gegeben, sich explizit wegen Periodenschmerzen krank zu melden, auch wenn dies verschiedentlich kolportiert worden sei.

Der Stadtrat schlägt einen anderen Weg ein – und engagiert dafür gar eine externe Partnerin. Er lasse die Mitarbeitenden vom Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung der Universität Bern befragen, teilte der Stadtrat am Montag mit.

Das Wort «Frau» kommt in der Mitteilung zum Mens-Dispens nicht vor. Hingegen geht es um «potenziell betroffene Mitarbeiter*innen bis zu 55 Jahre» in der Stadtverwaltung, die sich dieser Tage mit einer ungewöhnlichen Anfrage konfrontiert sehen. Sie werden gebeten, über ihre Periode Auskunft zu geben. Ist sie schmerzhaft? Macht sie einen gar krank? Und welche Auswirkungen hat die Periode auf die Arbeitsfähigkeit?

Leupi sagt: «Wir haben festgestellt, dass es bei diesem Thema eine Vielzahl von Meinungen und Haltungen, aber auch unterschiedliche Betroffenheiten gibt. Deshalb möchten wir zuerst sauber abklären, wie gross das Bedürfnis nach einem Menstruationsdispens wirklich ist.» Die externe Vergabe an die Universität Bern sei naheliegend, weil die Stadt selbst keine Fachleute habe, die auf das Erstellen von Umfragen spezialisiert seien.

Die Umfrage kostet die Stadt Zürich 100 000 Franken. Befragt werden alle Personen in der Stadtverwaltung, die im System die Indikation «Frau» angegeben haben und jünger als 55 Jahre sind. Bei Spezialfällen werde darüber hinaus eine Teilnahme ermöglicht, heisst es bei der Stadt.

Die Umfrage ist freiwillig und soll 5 bis 15 Minuten dauern. Nach der Befragung erhält die Stadt eine anonymisierte Auswertung.

Leupi sagt, er habe darauf gedrängt, dass der Fragebogen nicht zu umfangreich sei, «dass nicht alles abgefragt wird, was wissenschaftlich auch noch interessant sein könnte. Wichtig ist uns eine hohe Beteiligung. Bildungsferne Personen sollen nicht abgeschreckt werden.»

Antworten gibt es erst in einem Jahr

Die Umfrage findet zwischen dem 6. Mai und dem 7. Juni statt. Bis die Resultate vorliegen, dauert es allerdings bis zum ersten Quartal kommenden Jahres.

Die lange Zeitdauer liege darin begründet, dass es sich um eine Zusammenarbeit mit einem externen Forschungspartner handle und die Befragung vor den Sommerferien stattfinde, so die Stadt. Zudem würden die Resultate erst kommuniziert, wenn der Meinungsbildungsprozess innerhalb der Stadtverwaltung abgeschlossen sei.

Offensichtlich ist, dass die Stadt die Zwei-Jahres-Frist nicht wird einhalten können, denn das Postulat wurde im November 2022 eingereicht. Ein Problem sieht Leupi darin nicht. Man werde wie vorgeschrieben nach zwei Jahren über den Stand der Abklärungen Rechenschaft ablegen. Und diese Abklärungen liefen jetzt.

Und: Die Befragung an sich trage bereits zu der im Postulat geforderten Enttabuisierung des Themas innerhalb der Stadtverwaltung bei, findet Leupi.

Hinter dem Vorstoss der Grünen stehen Selina Walgis und Anna-Béatrice Schmaltz. Dass der Stadtrat die Befragung erst eineinhalb Jahre nach Überweisung des Postulats in Auftrag gibt, stört Schmaltz nicht. «So läuft nun einmal der politische Prozess.» Sie begrüsst die Umfrage: «Dieses Vorgehen zeigt, dass der Stadtrat das Anliegen ernst nimmt.»

Bisher fehlten nämlich Daten, wie viele Personen in der Verwaltung von regelmässigen und starken Periodenschmerzen betroffen seien. «Es ist wichtig, dass wir über dieses stark tabuierte Thema reden und die Bedürfnisse von Betroffenen ernst nehmen.»

Der Mens-Urlaub ist keine Zürcher Erfindung. Mehrere asiatische Länder kennen ähnliche Regelungen. Als erstes europäisches Land hat Spanien Anfang 2023 die Einführung eines Periodenurlaubs genehmigt. Und in der Schweiz hat die Stadt Freiburg einen Spezialdispens eingeführt, allerdings mit bis zu drei statt wie in Zürich geplant fünf Tagen Absenz pro Monat. Ein Jahr hat die Exekutive Zeit, das Personalreglement entsprechend anzupassen.

Davon ist man in Zürich weit entfernt. Wie es weitergehe, sei stark davon abhängig, was die Reaktionen seien, die die Stadt aus der Umfrage erhalte. Leupi sagt: «Ich habe in meinem Umfeld gesehen, dass die Haltungen und Betroffenheiten unter Frauen vielschichtiger sind, als man das vielleicht erwarten würde.» Ob es den Menstruationsurlaub in Zürich wirklich geben wird, ist offen.

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