Freitag, November 22

Bis 2050 könnte sich die Nullgradgrenze um 300 Meter nach oben verschieben, zeigen neue Berechnungen der ETH. Schon heute leiden Skigebiete unter 1500 Metern an Schneemangel. Doch es gebe Perspektiven, sagt Berno Stoffel.

Herr Stoffel, Schnee ist in diesen Tagen auf 1000 Metern angesagt. Kommt bei Ihnen Stimmung auf?

Wir gehen dem Winterwetter entgegen – und das ist sehr positiv. Schnee bis in tiefe Lagen am Anfang des Winters wirkt sich sehr gut auf die Nachfrage in den Skigebieten aus.

Die Frage ist dann aber: Wie lange hält der Schnee?

Es gab in jüngster Zeit sehr gute Winter, wie etwa 2020/21. Der Schnee kam sehr früh, was die beste Situation darstellt. Dann gab es aber auch ganz schwierige Jahre, wie 2022/23, als es erst spät im Januar schneite. Im vergangenen Jahr gab es einen frühen Saisonstart mit einer Wärmeperiode mitten im Winter. Wichtig sind zudem tiefe Temperaturen. So kann man mit der Produktion von technischem Schnee beginnen. Dann ist ein guter Start gewährleistet.

Laut Meteo Schweiz sind die Schneetage selbst auf 2000 Metern seit 1970 um 20 Prozent zurückgegangen. Sind die Winter für Sie zunehmend zur Zitterpartie geworden?

Wir haben die ETH, Meteo Schweiz und das Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) gebeten, uns wissenschaftlich fundierte Daten zur künftigen Klimaentwicklung im Winter bis ins Jahr 2050 zu liefern. In den Resultaten sieht man, dass der Schneefall auch ab 2000 Metern abnehmen wird, aber in einem unproblematischen Ausmass. Die Gebiete werden dort schneesicher bleiben. Schwieriger wird es aber für die Schneesportregionen unter 1500 Metern.

Das sind immerhin 109 von insgesamt 250 Skigebieten. Löst das nicht Sorgen aus?

Die Branche sieht und spürt die Veränderungen. Was die Berechnungen aussagen, ist Folgendes: Die Entwicklung wird sich weder verlangsamen noch beschleunigen. Aber sie setzt sich linear fort. Diese Tatsache ist nicht schön, aber auch nicht unglaublich schlimm. Es kommt keine Endzeitstimmung auf. Die Branche stellt sich auf diesen Prozess ein und passt sich an, wie sie es bisher auch immer wieder getan hat.

Trotzdem: Laut den ETH-Berechnungen könnte die Nullgradgrenze bis 2050 um 300 Meter ansteigen. Bereits heute sind Skigebiete unter 1500 Metern nicht sehr schneesicher. Einige haben aufgegeben, andere kämpfen ums Überleben.

Was jetzt funktioniert, müssen wir 300 Meter höher umsetzen. Das ist ein Szenario, das planbar und realistisch ist. Gebiete zwischen 1000 und 1500 Metern sind es gewohnt, dass es manchmal Schnee hat und dann wieder nicht. Zentrale Zukunftsentscheide werden bei grösseren Investitionsvorhaben gefällt.

Für diese Orte wird es aber auch zunehmend schwierig, Kunstschnee zu produzieren, weil die Frosttage seltener werden.

Um die Pisten einzuschneien, braucht es tiefe Temperaturen während einer bestimmten Zeit. Doch diese Tage nehmen ab. Gewisse Anlagen müssen deshalb erneuert werden, um ihre Leistung zu erhöhen. Da fallen Investitionen an.

Wie bereiten sich die gefährdeten Gebiete vor?

1500 Meter in der Ostschweiz sind nicht gleich 1500 Meter im Wallis. Die klimatischen Bedingungen sind sehr unterschiedlich. Deshalb kann man keine pauschale Aussage machen. Die Bergbahnen setzen bereits heute verschiedene Strategien um: Die erste betrifft die Schneesicherheit. Dazu gehört, dass die Beschneiung ausgebaut wird, dass Anlagen in höhere Lagen versetzt werden und der Unterhalt der Pisten verbessert wird – so dass man sie auch mit weniger Schnee gut präparieren kann. Zu diesem Punkt gehört aber auch, dass Lifte in tieferen Lagen aufgegeben werden.

In Sörenberg im Kanton Luzern ist das zum Beispiel passiert. Da wurden Lifte definitiv geschlossen.

Das waren nicht die zentralen Lifte, sondern zwei, die sehr tief lagen und in den vergangenen Jahren bereits kaum Betrieb hatten. Nun konzentriert sich Sörenberg auf die höher gelegenen Anlagen. Das sind Prozesse, die schon immer stattgefunden haben.

Wie können sich die gefährdeten Gebiete weiter dem Wandel anpassen?

Einige verkleinern das Angebot und richten die Lifte auf Kinder aus. Oder sie bewegen sich weg von den Pisten und bieten kulturelle Events an, Wintergolf, Snowtubing oder Snowkiting. Andere verstärken ihre Angebote im Sommer. Es wird nicht so sein, dass alle unter einer gewissen Höhe den Betrieb einstellen müssen. Es kann auch wieder drei schneereiche Winter geben und dann fünf schneearme. Da braucht es langfristige Perspektiven.

Ein grosses Angebot an Pisten hat die Schweiz in hohen Lagen. Wie wollen Sie die Gäste besser dorthin bringen?

In den vergangenen zwanzig Jahren wurden keine neuen Berge mehr erschlossen, jedoch viele Bergbahnen modernisiert, mit grösserer Transportkapazität und mehr Komfort: mit Sessel- statt Skiliften und mit kürzeren Wartezeiten.

Auch das kostet. Die Schweiz gilt bereits heute als teures Schneesportland. Werden die Preise höher mit dem knapperen Angebot und den grösseren Herausforderungen?

Insgesamt sind die Preise in den letzten zehn Jahren um 15 Prozent gestiegen. Treiber waren vor allem Energie- und Personalkosten, zuletzt auch Ersatzteile und Unterhalt der Bahnen. An einigen Orten wird das Angebot kleiner werden, dafür wird es in höheren Lagen ausgebaut. Es wird sich aber nicht derart reduzieren, dass die Preise steigen. Für diesen Winter ist der Anstieg in mittleren und kleineren Skigebieten mit 2 bis 3 Prozent höher als in den grossen Gebieten in hohen Lagen. Dort beträgt er nur 1 Prozent.

Einen Teil des verlorenen Marktes versuchen die Berggebiete im Sommer aufzufangen. Helfen die Hitzewellen im Mittelmeerraum, mehr Gäste in die Berge zu locken?

Diese These bestätigt sich nicht. Aber unsere Berge sind für Ausflüge an Wochenenden und Kurzferien sehr begehrt – auch bei Jugendlichen. Da braucht es nicht überall Fun-Aktivitäten. Die Natur und das Berg-Feeling sind sehr starke Faktoren für den Schweizer Tourismus.

Sie blicken somit optimistisch dem Winter und der Zukunft entgegen?

Unsere Wirtschaft läuft, unsere Lage ist attraktiv. Die Tourismusbranche macht einen guten Job und hat auch Corona gut überstanden. Das Wetter können wir nicht beeinflussen. Wir lassen es auf uns zukommen.

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