Brasiliens Justiz geht gegen führende Busunternehmen vor. Die Drogenmafia soll sie zur Geldwäsche benutzt haben. Die organisierte Kriminalität hat das Wirtschaftszentrum Südamerikas unterwandert.

Mit der «Operation Endstation» haben Sondereinheiten mehrerer Behörden in São Paulo zwei Busunternehmen wegen des Verdachts auf Geldwäsche unter munizipale Aufsicht gestellt. Drei Besitzer sitzen nun in Untersuchungshaft, einer ist flüchtig, gegen 52 Verdächtigte wird ermittelt. Ein Vermögen von umgerechnet 120 Millionen Franken wurde beschlagnahmt.

Der Busverkehr werde aber aufrechterhalten, beeilte sich der Bürgermeister Ricardo Nunes zu erklären. Er will im Oktober wiedergewählt werden. Ein Chaos im öffentlichen Nahverkehr der Zwölf-Millionen-Einwohner-Stadt wäre dabei hinderlich.

Bei Transwolff, dem grösseren der beiden Busunternehmen, handelt es sich um einen Vorzeigekonzern der Branche. Die 1200 Busse transportieren täglich rund 700 000 Passagiere in der reichen Südzone São Paulos, also etwa so viele Menschen, wie in der Schweiz täglich den Autobus nutzen.

Ein Vorzeigekonzern in der Hand der Drogenmafia

Mehrfach wurde Transwolff als modernstes und bestgeführtes Busunternehmen Brasiliens ausgezeichnet. Derzeit beginnt die Transportfirma ihre Dieselbusse durch elektrisch betriebene Fahrzeuge des chinesischen Fabrikanten BYD zu ersetzen. Dafür hat es einen Kredit der staatlichen Förderbank erhalten. Die Gemeinde São Paulo hat letztes Jahr die Transportleistungen der beiden Unternehmen mit umgerechnet 450 Millionen Franken subventioniert.

Die Behörden haben den Verdacht, dass die führende kriminelle Organisation Brasiliens, das Primeiro Comando da Capital (PCC), die Busbranche kontrolliert und für Geldwäsche im grossen Stil benutzt. Bei fünf weiteren Busunternehmen in São Paulo prüfen die Behörden ebenfalls, ob sie Verbindungen zur organisierten Kriminalität unterhalten.

Das PCC (übersetzt: Erstes Kommando der Hauptstadt) ist von São Paulo aus in 30 Jahren von einer lokalen Bankräuberbande zur grössten Drogenmafia Brasiliens aufgestiegen. Wie bei den meisten Mafiagruppen in Südamerika sitzt die Führung des PCC seit Jahren im Gefängnis. Doch von dort aus steuern sie ihre Geschäfte.

Das PCC ist heute auch international vernetzt. Der grösste Teil des Kokainschmuggels von Brasiliens Häfen nach Europa wird von der Organisation kontrolliert. Die brasilianische Mafia arbeitet dazu eng mit kolumbianischen Drogenkartellen als Zulieferer und europäischen Drogenclans als Abnehmer zusammen.

Doch das PCC beliefert auch den lokalen Drogenmarkt. Brasilien ist nach den USA der zweitgrösste Kokainmarkt weltweit. Da das Drogengeschäft weiter vielfach in bar abgewickelt wird, muss das PCC grosse Summen waschen, um sie in die legale Wirtschaft einzubringen. Dafür hat die Organisation systematisch Busunternehmen unterwandert, vermutet nun die Staatsanwaltschaft.

Der öffentliche Nahverkehr eignet sich dafür besonders, weil dort noch viel Bargeld fliesst. Zwar wird in Brasilien immer mehr bargeldlos bezahlt. Doch immer noch gelten Busunternehmen, wie Restaurants, Tankstellen, Detailhandel und das Glücksspiel, als die bevorzugten Waschanlagen für Drogengelder.

Schon der Ursprung der Busunternehmen war illegal

So war es schon lange ein offenes Geheimnis in São Paulo, dass das Transportgewerbe vom PCC unterwandert ist. Schon der Ursprung der Busunternehmen war illegal: Anfang der 2000er Jahre hatten Minibusfahrer die ersten Kooperativen gegründet. Diese sorgten vor allem in der ärmeren Peripherie der schnell gewachsenen Stadt für öffentlichen Transport. Sie waren informell, bezahlten keine Steuern und kämpften brutal gegeneinander um die besten Routen und Standorte.

Obwohl die Besitzer der Kooperativen wie Clanchefs auftraten, legalisierte die Präfektur immer wieder deren Organisationen und liess sie an öffentlichen Ausschreibungen für Buskonzessionen teilnehmen. Dadurch entstanden in der Peripherie Monopole im öffentlichen Nahverkehr. Das erklärt auch, warum jetzt Beamte der Kartellbehörden an den Ermittlungen beteiligt sind.

Vor zehn Jahren versuchte der damalige Bürgermeister Fernando Haddad – heute Finanzminister in der Regierung von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva – die Anforderungen an die Busunternehmen und Kooperativen zu erhöhen, um die Bewerber aus dem informellen Sektor fernzuhalten. So musste deren Eigenkapital mindestens zehn Millionen Franken betragen.

Bei Transwolff gelang das, indem 88 «Investoren» innert weniger Wochen hohe Bargeldbeträge ohne Herkunftsnachweis aufs Firmenkonto einzahlten oder ihre gebrauchten Autos als «Kapital» registrieren liessen. Doch diese Gelder flossen über die Jahre wieder zurück: Die neuen Teilhaber bekamen jährlich hohe Dividenden ausbezahlt, auch wenn der Transport Verluste einfuhr.

Die engen Beziehungen zwischen dem PCC und den Busunternehmen kamen immer wieder zum Vorschein: Einmal wurde in der Busgarage eine halbe Tonne Marihuana entdeckt. Sie gehörte dem flüchtigen Teilhaber von Transwolff. Gegen den jetzt verhafteten Geschäftsführer des Unternehmens wurde bereits 2006 ermittelt, weil er den versuchten Gefängnisausbruch eines PCC-Chefs organisiert haben soll.

Warum waren die Behörden so lange untätig?

Angesichts der offensichtlichen Verbindungen zwischen der organisierten Kriminalität und den Busunternehmen ist es erstaunlich, dass sich die Behörden so lange Zeit liessen bei ihren Ermittlungen.

Die organisierte Kriminalität ist jedoch tief in die Lokalpolitik und ihre öffentlichen Organe eingedrungen. Auf Lokalebene ist die Kontrolle durch Justiz und Medien geringer als in Brasilia. Für den PCC sei der Einfluss auf Gemeinderäte entscheidend, sagt der Staatsanwalt Lincoln Gakiya von der Sondereinsatzgruppe für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität in São Paulo. Diese würden über die Verträge für die Müllabfuhr entscheiden, die Regeln für den öffentlichen Nahverkehr aufstellen sowie die Nutzung und Besetzung von Grundstücken diskutieren.

Exit mobile version