Sonntag, Oktober 6

Kamala Harris› Vize Tim Walz überzeugt durch sein unprätentiöses Auftreten. Dafür sorgt nicht die Auswahl seiner Garderobe, die gern eher «Farm» denn «Büro» ruft, sondern auch deren offensichtlich gebrauchter Zustand.

In Fernsehkrimis ist das Duo Böser-Bulle-guter-Bulle gut etabliert, um Informationen aus Verhafteten herauszubekommen. Auch Kamala Harris setzt auf dieses Prinzip bei ihrer Präsidentschaftskandidatur, allerdings im modischen Sinne: Sie ist die elegante, gepflegte Businessfrau, ihr Vize Tim Walz der burschikose Kerl in Casual-Klamotten. Das ist wahrscheinlich ein schlauer Schachzug, auch wenn man fast schon staunt ob so viel offensichtlicher Gegensätzlichkeiten.

Die Garderobe eines Farmers

Der sechzigjährige Walz ist alles, was Harris nicht ist, nämlich ein sogenannter alter weisser Mann (auch wenn die beiden eigentlich nur ein Jahr trennt). Und soll so jene unentschlossenen Wählerinnen und Wähler abholen, denen Harris trotz ihrem Leistungsausweis zu weiblich, zu Schwarz und zu elitär ist. Sie steht für das urbane Amerika. Er für das rurale: In Minnesota ist der ehemalige Lehrer und Football-Coach seit 2019 Gouverneur. Er gehört der DFL an, der «Minnesota Democratic-Farmer-Labor Party» die 1944 gegründete Demokratische Bauern- und Arbeiterpartei Minnesotas. Seine politischen Ansichten aber sind für Amerika progressiv: Er proklamiert eine Elternzeit und betont, dass das Recht auf Abtreibung in Minnesota auch für Frauen aus anderen Staaten gilt.

Und obwohl er sich bei offiziellen Auftritten in gut sitzenden Anzügen zeigt, nach Möglichkeit trägt er eine Garderobe, die aussieht wie die eines amerikanischen Farmarbeiters, sie besteht aus T-Shirts, Arbeiterjacken und -stiefeln von uramerikanischen Marken wie Carhartt.

Kontrast zu Trump

Natürlich hat Walz den Kniff nicht erfunden, so anzuziehen, als hätte er keinen Bürojob, sondern würde sogenannte ehrliche Arbeit mit den Händen verrichten. Denken wir nur an Wolodimir Selenski, der seine militärischen Outfits zu seinem Markenzeichen gemacht hat. Oder all die deutschen Politiker von Olaf Scholz bis Markus Soeder, die in überfluteten Gebieten in Gummistiefeln posieren.

Was Walz aber besser macht als seine Stil-Vorgänger: Seine Sachen sind offensichtlich getragen und gebraucht. Man nimmt dem in Nebraska in einem kleinen Ort aufgewachsenen Walz ab, dass das keine Rolle ist, kein Posieren, selbst wenn das Wahlkampfteam ähnliche Caps wie seines nun vermarktet.

Die T-Shirts schlabbern, die Hosen sind ausgebeult, die Jackenkragen abgewetzt. Dabei bewegt Walz sich aber immer ganz knapp auf dem schmalen Grat zur Ungepflegtheit; er wirkt dennoch sympathisch-adrett, und vor allem bescheiden, authentisch und ehrlich. Letzteres könnte im Kampf gegen Donald Trump sehr hilfreich sein, der bekannterweise seine eigene, durchaus kreative Auffassung von Wahrheit hat. Denn nicht nur zu Kamala Harris, auch zu Donald Trump bildet der grundsolide Tim Walz einen guten Kontrast. Ob das reicht, um im November zu gewinnen, muss sich noch zeigen. Modisch überzeugt das Duo Kamala-Walz auf jeden Fall.

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