Mittwoch, März 12

Die Schweiz könnte zum nächsten Ziel des US-Präsidenten werden. Viele Unternehmen sind schlecht darauf vorbereitet.

Vor kurzem noch Avantgarde, jetzt ein Reputationsrisiko. Tesla-Fahrer kleben Sticker auf ihr Auto, um sich von dem Tesla-Chef und Trump-Berater Elon Musk zu distanzieren. «Ich habe diesen Tesla gekauft, bevor Elon verrückt wurde», steht dort. Die Tesla-Verkäufe brechen ein, nicht nur in Europa, sondern auch in den USA.

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Das ist die Chance für andere Hersteller. Honda baut seine Produktion von Elektrofahrzeugen in den USA massiv aus. Und setzt dabei auf Schweizer Hilfe. Die neuen Gussmaschinen für die Fabrik in Ohio liefert die Firma Bühler aus Uzwil. Diese Woche gab Bühler den Auftrag in zweistelliger Millionenhöhe bekannt.

Doch jetzt beginnt das grosse Zittern. Was, wenn Schweizer oder europäische Produkte plötzlich mit Strafzöllen belegt werden? Dann könnten US-Exporte zum Verlustgeschäft werden.

Die Schweiz befindet sich auf Trumps Liste

Auf chinesische Waren schlagen die USA seit dieser Woche einen Strafzoll von 10 Prozent auf. Mexiko und Kanada drohte Trump sogar mit Zöllen von 25 Prozent, doch nach Konzessionen hat er die Umsetzung vorläufig ausgesetzt. Als Nächstes dürfte Trump Europa ins Visier nehmen – und damit auch die Schweiz.

In den Chefetagen der Unternehmen herrscht Nervosität. Den Zollkrieg hatte Trump zwar schon im Wahlkampf angekündigt. «Viele Firmen hatten aber gehofft, die Suppe würde nicht so heiss gegessen wie gekocht», sagt Simeon Probst, Leiter Zollberatung und internationaler Handel bei PwC Schweiz. Das hat sich als Irrtum herausgestellt. «Dass Trump so schnell Ernst macht, hat viele überrascht.»

Die Schweiz befindet sich auf einer Liste mit fünfzehn Ländern, denen Trump vorwirft, dass sie dank ihren Handelsüberschüssen auf Kosten der USA leben würden. Bei der Schweiz beträgt dieser über 38 Milliarden Franken. Trump bezeichnet dies als «subsidies» – Subventionen.

So absurd der Vorwurf ist: Die Gefahr einer Attacke ist real. «Man muss davon ausgehen, dass die Schweiz auf den Radar der USA gerät», sagt Probst. Der Worst Case wären Strafzölle von 10 bis 20 Prozent auf Exporten in die USA.

Firmen wissen nicht, wie viel Zoll sie zahlen

Trumps Tempo hat viele Schweizer Firmen auf dem linken Fuss erwischt. In aller Eile versuchen sie nun herauszufinden, was die neuen Zölle für sie bedeuten. Das Problem dabei: Viele Firmen kennen ihre eigenen Lieferketten nicht. «80 Prozent der Firmen wissen nicht, wie hoch die Zollabgaben sind, die sie weltweit zahlen», sagt Probst. Das mache es für die Firmen unmöglich, «fundierte strategische Entscheide zu treffen».

Bis vor kurzem galten Zölle als Relikt der Vergangenheit. Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung, so der verbreitete Glaube, würden sie ganz automatisch auf dem Müllhaufen der Geschichte landen. Doch mit Trump hat sich das geändert. Zölle haben geopolitische Bedeutung erlangt. Für das Zurechtfinden in der neuen Weltordnung wird eine Zahl zur alles entscheidenden Grösse: die elfstellige Zolltarifnummer. Sie weist jedem Produkt den Platz im weltweiten Handelssystem zu und bestimmt, in welchen Ländern welche Abgaben darauf fällig werden.

«Wer die Zolltarifnummer nicht kennt, ist verloren», sagt Claudia Feusi, Inhaberin der Zollschule Schweiz, einer Beratungsfirma. Einen Grossteil ihrer Zeit verwendet sie darauf, ihren Kunden beizubringen, wie sie ihre Warenflüsse entschlüsseln und die Zolltarifnummern bestimmen.

Erst wenn die Firmen wissen, wie viel China, Mexiko, Kanada in ihrer Lieferkette steckt, haben sie Klarheit über die zusätzlichen Kosten. Doch auch das genügt noch nicht für eine umfassende Lagebeurteilung. «Die Firmen müssen auch wissen, wie ihre Kunden betroffen sind. Denn wenn die betroffen sind, ist man auch selber betroffen», sagt Feusi.

Für Schweizer Firmen ist dies besonders wichtig. Denn sie stellen oft nicht die Endprodukte her, sondern sind Zulieferer von technisch komplexen Teilen. «Schweizer Firmen sind bekannt für eine hohe Qualität und sind entsprechend geschätzt. Irgendwo steckt fast immer noch ein Schweizer Produkt drin», sagt Feusi.

Von Tricks bei den Tarifnummern, um Zölle zu umgehen, rät Feusi dringend ab. Wenn sich die Nummer bei einer Zollprüfung als falsch herausstellt, können rückwirkend für mehrere Jahre Nachforderungen erfolgen. Das kann eine Firma in den Ruin treiben. «Es gibt keinerlei Spielraum bei der Deklaration», sagt Feusi.

Das heisst aber nicht, dass die Unternehmen der trumpschen Zollordnung alternativlos ausgeliefert sind. Die Berater nennen drei Strategien, wie die Firmen reagieren können:

  • Die Lieferkette diversifizieren: Statt in China kaufen Firmen zum Beispiel in Vietnam oder Thailand ein, um bei Lieferungen in die USA Strafzölle abzuwenden. Diesen Kniff wenden auch chinesische Firmen an. Sie exportieren Zwischenprodukte in Nachbarländer, machen dort die Endfertigung und exportieren die Fertigwaren dann ohne Strafzölle in die USA.
  • Die Produktion verlagern: Firmen können in den USA eine eigene Produktion aufbauen. Damit machen sie zwar genau das, was Trump beabsichtigt, die Strafzölle sind sie aber los. Die Firma Bühler baut zwei der sechs Maschinen für Honda in den USA und liefert vier aus Europa. Falls Trump Strafzölle auf europäische Produkte erlässt, könnte sie den amerikanischen Anteil erhöhen.
  • Freihandelsabkommen nutzen: Die Schweiz hat mit 43 Ländern Freihandelsabkommen geschlossen, zum Teil im Rahmen der Europäischen Freihandelsassoziation (Efta). «Sobald sich der Handel mit diesen Ländern abspielt und die Regeln des jeweiligen Abkommens erfüllt werden, wird alles viel einfacher», sagt Claudia Feusi. Die Firmen können ihre Fertigungsschritte umlenken. Wenn bei einem Fahrrad, das bisher made in China war, höhere Anteile der Wertschöpfung in der Schweiz anfallen, kann es zu einem Schweizer Fabrikat werden.

Doch welche Massnahmen auch immer die Unternehmen ergreifen: Sie kosten Geld und binden Ressourcen. Ob sie sich jemals auszahlen, ist ungewiss, denn Trump kann schon morgen Zölle wieder kassieren. «Es wird kurzfristig etwas beschlossen und kurzfristig wieder aufgehoben. Diese Volatilität ist völlig neu», sagt der PwC-Berater Probst.

Die Schweiz hat einige Trümpfe gegen Trump

Die Wirtschaft hofft denn auch darauf, dass sie ihre Notfallpläne gar nicht aktivieren muss. Die Schweiz hat einiges in die Waagschale zu werfen, um Trump zu besänftigen: Schweizer Firmen gehören zu den grössten Investoren in den USA, bieten eine halbe Million Jobs und sind wichtig für die Gesundheitsversorgung und die Reindustrialisierung der USA. Zudem bezieht die Schweiz von den USA viel mehr Dienstleistungen als umgekehrt. «Es liegt am Bund, mit geschickter Diplomatie dafür zu sorgen, dass die Schweiz gar nicht erst ins Schussfeld gerät», sagt Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor des Industrieverbandes Swissmem.

Die Schweiz hat Industriezölle mit den USA und dem Rest der Welt Anfang letzten Jahres einseitig abgeschafft. Manche sehen darin einen Nachteil, weil man nun kein Instrument mehr hat für Vergeltungsmassnahmen. Die Schweiz könne dies aber auch als Trumpf bei den Verhandlungen spielen, sagen andere.

«Die Abschaffung der Industriezölle hilft uns, sie zeigt, dass die Schweiz den USA Vorteile gewährt», sagt Rahul Sahgal, CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer (Amcham). Er war schon Anfang Dezember in den USA und traf das Übergangsteam von Trump, Anfang März wird er erneut nach Washington reisen. Seine Botschaft: «Wir müssen den USA immer wieder klarmachen, dass die Schweiz nicht Teil der EU ist.» Dass die Schweiz keine Industriezölle erhebt, ist der beste Beleg dafür.

Das Schweizer Schicksal hängt davon ab, ob Trump die Lektion in politischer Geografie versteht. Wenn das der Fall ist, bleibt die Schweiz vom Konflikt der Grossmächte verschont.

Ein Artikel aus der «»

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