Sonntag, November 24

Aus Gründen der Diversifikation sollten Anleger international investieren. Doch der strukturell steigende Franken schmälert oft die Rendite von ausländischen Investments. Ist eine Währungsabsicherung die Lösung?

Er ist Fluch und Segen zugleich: der starke Franken. Er ist Ausdruck der im internationalen Vergleich langfristig geringen Teuerung in der Schweiz, der politischen Stabilität und der hohen Rechtssicherheit. Importeure profitieren von attraktiven Einkaufspreisen, wenn sich der Franken aufwertet, Touristen geniessen günstige Ferien im Ausland. Im Gegenzug leiden Exporteure, die mit ausländischen Anbietern, die in schwachen Währungen fakturieren, im Konkurrenzkampf stehen.

Aber auch für Investoren kann ein starker Franken – und als Spiegelbild ein schwacher Dollar, Euro oder ein schwaches Pfund – ein Risiko darstellen. Erzielt ein Anleger mit den Aktien des Bergbaukonzerns BHP beispielsweise eine Rendite von 25%, aber das Pfund wertet sich in derselben Zeit um 15% ab, verbleibt ihm in Franken lediglich ein Zuwachs von etwas über 6%.

Strukturell starker Franken

Leider – zumindest aus Sicht eines hiesigen Anlegers – ist das ein typisches Bild. Der Franken neigt zur Stärke, während andere Valuten schwächeln. In seinem jüngsten Newsletter zeigte der Marktbeobachter Alexander Ineichen die strukturelle Frankenstärke eindrücklich auf: «Im Jahr 1900 kostete ein Pfund rund 25 Fr., 1950 waren es noch rund 12 Fr. Im Jahr 1971 kostete es 10 Fr., jetzt sind es bloss noch 1.13 Fr.».

Das Pfund ist beileibe kein Ausreisser. Auch der Dollar oder der Euro haben gegenüber dem Franken langfristig deutlich an Terrain eingebüsst. Als die europäische Einheitswährung vor einem Vierteljahrhundert eingeführt wurde, kostete sie rund 1.60 Fr., derzeit ist ein Euro für 94.50 Rappen zu haben.

Das wirft die Frage auf: Wie sollen hiesige Anleger mit einem strukturell steigenden Franken umgehen? Ist es sinnvoll, das Währungsrisiko bei Aktieninvestments abzusichern?

Vor- und Nachteile der Währungsabsicherung

Ganz allgemein lassen sich folgende Vorteile einer Währungsabsicherung festhalten: Ist die Prognose der Wechselkursentwicklung korrekt, sprich wertet sich der Franken auf, lässt sich ein Währungsverlust vermeiden, und die Gesamtrendite einer ausländischen Investition erhöht sich. Zweitens führt ein Hedge oft zu einer geringeren Volatilität einer Investition in ausländische Vermögenswerte. Drittens, schliesslich, mag der eine oder andere Anleger besser schlafen, wenn er sich keine Sorgen darüber machen muss, ob der Dollar oder der Euro zum Franken sinkt.

Da es im Wirtschaftsleben keinen «Free Lunch» gibt (einzige Ausnahme: die Risikoreduktion, wenn man sein Portfolio gut diversifiziert), müssen auch die Nachteile erwähnt werden. Liegt man nämlich mit der Währungsprognose falsch, d.h. wertet sich der Dollar beispielsweise wider Erwarten und entgegen aller Prognosen auf, entgeht dem Anleger der Währungsgewinn. Leider sind Währungsprognosen notorisch unzuverlässig.

Zweitens ist eine Währungsabsicherung, analog zu einer «herkömmlichen» Versicherung, mit Kosten verbunden: Diese sind umso höher, je grösser die Zinsdifferenz zwischen den entsprechenden Währungen ausfällt. «Da die Zinsen im Franken tiefer sind als in den meisten anderen Währungen, kostet die Absicherung üblicherweise mehrere Prozentpunkte pro Jahr», schrieb etwa Thomas Stucki von der St. Galler KB kürzlich in einem Marktkommentar. «Die Währungsabsicherung des Dollars hat sich in den letzten Jahren performancemässig daher meistens nicht ausbezahlt.»

Etwas besser sieht es beim Euro aus, weil die Zinsdifferenz in der Regel geringer ist, was sich in niedrigeren Absicherungskosten niederschlägt. «Zudem ist der Euro anfälliger auf Schwächeanfälle. Kursverluste zum Franken von mehr als 10% innert zwölf Monaten sind seit der Eurokrise und dem latenten Vertrauensproblem der Einheitswährung in regelmässigen Abständen vorgekommen», meint Stucki. Kräftige Kursgewinne des Euro seien dagegen eine Rarität.

Eine Währungsabsicherung muss zudem in regelmässigen Abständen erneuert werden, was aufwändig ist – und insbesondere bei exotischeren Valuten zu hohen Kosten führt.

Diversifikation erhöht Komplexität der Absicherung

Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass bei einem global diversifizierten Portfolio die Währungsrisiken kaum eruierbar sind. Ein ETF auf den Weltaktienindex von MSCI umfasst 2360 Unternehmen aus rund 40 Ländern, bei Fonds auf den FTSE All World sind es sogar 4000 Gesellschaften. Welche Währung soll da in welchem Umfang abgesichert werden?

Aber auch beim S&P 500 kann die Frage nicht einfach beantwortet werden. Natürlich ist der Index in Dollar ausgewiesen, aber die darin enthaltenen Unternehmen sind alles globale Konzerne. Apple entwirft seine Produkte in den USA, stellt sie in Asien her und verkauft sie rund um den Globus und ist damit in verschiedenen Währungsräumen exponiert.

Zudem gibt es «natürliche Hedges», indem Unternehmen ihre Produktion dorthin verlagern, wo sie ihre Produkte absetzen, oder sie sichern ihre Währungsrisiken gleich selber ab. Wenn jetzt ein Anleger mit einem Termingeschäft zusätzliche Absicherungen vornimmt, geht er womöglich neue, unbeabsichtigte Risiken ein.

Ein weiterer Effekt, den es zu beachten gilt: Wenn sich der Dollar abschwächt, profitieren US-Konzerne in der Tendenz von steigenden Gewinnen und Aktienkursen, was den negativen Einfluss der Währung für Schweizer mitunter mehr als kompensiert.

Da oftmals die negativen Effekte überwiegen, werden die Währungsrisiken bei Aktienanlagen in der Praxis in der Regel nicht abgesichert. Wem hohe Schwankungen den Schlaf rauben, kann mit Währungsabsicherungen die Volatilität ausländischer Aktien etwas verringern. Natürlich kann man auch taktisch, wenn man eine ausgeprägte Schwäche einer ausländischen Valuta erwartet, die Währung absichern.

An der Schweizer Börse findet man unter anderem folgende Produkte für Aktien aus der Eurozone, den USA und aus Japan:

  • Amundi Euro Stoxx 50 II UCITS ETF CHF Hedged Acc (Ticker: MSEC SE Equity, Valor: 26422706, ISIN: FR0012399731, TER: 0,2%, Replikation: synthetisch)
  • HSBC S&P 500 UCITS ETF CHF Hedged (Acc) (Ticker: HSPC SE Equity, Valor: 128198208, ISIN: IE000WMIYI33, TER: 0,12%, Replikation: physisch)
  • iShares MSCI Japan CHF Hedged UCITS ETF (Acc) (Ticker: IJPC SE Equity, Valor: 19328344, ISIN: IE00B8J37J31, TER: 0,64%, Replikation: physisch)

Alle drei ETF reinvestieren die Ausschüttungen umgehend.


Nur nicht aus dem Gleichgewicht geraten

Die Zahl der erhältlichen ETF wird immer umfangreicher und unübersichtlicher, und längst nicht jedes neue Produkt überzeugt. Das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens schlägt auch hier gnadenlos zu. Unter den vielen Fonds ist The Market unlängst aber ein von Invesco lanciertes Vehikel aufgefallen, das durchaus interessant zu sein scheint:

  • Invesco MSCI World Equal Weight UCITS ETF Acc (ISIN: IE000OEF25S1, Valor: 135860115, Ticker: MWEQ, TER: 0,2% p.a.)

Klumpenrisiken reduzieren

Anders als bei typischen ETF wird bei diesem gleichgewichteten Fonds jedem Unternehmen im MSCI World, der die wichtigsten Aktien aus den Industrieländern abbildet, das gleiche Gewicht gegeben – ob Apple (Marktkapitalisierung: 3,5 Bio. $) oder Japan Airlines (7,4 Mrd. $), ihr Anteil im ETF ist gleich gross. Der ETF setzt auf physische Replikation, d.h. er hält jede Aktie des MSCI World und verzichtet auf den Einsatz von Derivaten. Zudem reinvestiert er die Dividenden umgehend, was optimal ist für den langfristigen Vermögensaufbau. Derzeit ist der ETF an der Londoner und an der Frankfurter Börse kotiert, hoffentlich bald auch an der SIX.

Weshalb ist das Produkt interessant? Erstens lässt sich damit das Klumpenrisiko im klassischen MSCI World mindern. Allein Apple, Microsoft und Nvidia machen darin 13% aus und das, obwohl er mehr als 1400 Unternehmen umfasst. Die Top Ten stellen rund ein Viertel, US-Konzerne machen über 70% aus. Im gleichgewichteten Index schrumpft das US-Gewicht auf weniger erdrückende 42%, die grössten zehn Mitglieder kommen auf 0,7%.

Positive Akademische Evidenz

Zudem zeigen Untersuchungen (z.B. Swade et al., «Why Do Equally Weighted Portfolios Beat Value-Weighted Ones?», Journal of Portfolio Management, April 2023), dass gleichgewichtete Aktienindizes auf lange Frist oft besser abschneiden als die klassischen marktkapitalisierten Aktienbarometer.

Hinzu kommt ein weiterer Vorzug, den Kevin Khang und Co-Autoren in einem Aufsatz erwähnen (das Arbeitspapier ist hier erhältlich): die Robustheit. Ein gleichgewichtetes Aktienportfolio schlägt sich in einer Reihe von Marktszenarien wacker, was bei den meisten anderen Allokationen nicht der Fall ist.

Wer einen breiten, globalen Index sucht, der nicht von US-Technologiekonzernen dominiert ist, sollte sich diesen ETF genauer anschauen.


Sind die Finanzmärkte weniger effizient geworden?

Jeder Student der Finanzwissenschaften kennt den alten Witz über die Theorie der effizienten Märkte: Ein Wirtschaftsprofessor geht mit einem Studenten spazieren, als dieser zu Boden blickt und sagt: «Schauen Sie, da liegt ein 50-Dollar-Schein!» Doch der Professor schüttelt nur den Kopf und erklärt: «Das kann nicht sein. Wenn es ein 50-Dollar-Schein wäre, hätte ihn schon längst jemand aufgehoben.»

Zugegeben, Finanzhumor ist nicht jedermanns Sache, aber das Geschichtchen illustriert die Grundannahme der Finance ganz gut: An den Finanzmärkten liegen keine 50-Dollar-Scheine herum, weil so viele bestens informierte Akteure permanent nach aussichtsreichen Investments Ausschau halten. Die Konkurrenz ist gross, die Märkte verarbeiten Information extrem schnell, offensichtliche Fehlbewertungen sind selten und einfache Gewinne rar.

In den vergangenen Jahren haben fallende Handelskosten, schnelleres Trading und der einfachere Zugang zu (Finanz-) Informationen die Effizienz zudem nochmals erhöht. Das ist zumindest eine plausible Annahme.

Anleger bezahlen zu viel für populäre Aktien

Clifford Asness, Gründer des Hedge Funds AQR Capital Management, teilt diese Ansicht allerdings nicht. In einem Artikel mit dem Titel «The Less-Efficient Market Hypothesis», den er anlässlich des 50-Jahre-Jubiläums des ehrwürdigen Journal of Portfolio Management verfasst hat, vertritt er die Meinung, die Finanzmärkte seien in den vergangenen dreissig Jahren ineffizienter geworden.

Ein zentrales Argument dafür liefert in seinen Augen der so genannte Value Spread: Dieser zeigt das Verhältnis der Bewertung von teuren zu günstigen Aktien (das verwendete Bewertungsmass ist sekundär, da alle Kennzahlen das gleiche Bild zeigen). Ist die Spanne gross, zahlen die Anleger für ihre Lieblingsaktien im Vergleich zu denjenigen, die sie nicht mögen, eine ungewöhnlich hohe Prämie – und umgekehrt.

Während sich dieser Spread von 1950 bis 2000 in einem einigermassen engen Band bewegt hatte, war in den vergangenen rund 25 Jahren eine markante Ausweitung festzustellen. Derzeit ist die Bewertungsdiskrepanz zwischen den Aktien hoch wie selten.

Grosse Bewertungsspanne am US-Aktienmarkt

Asness, ein quantitativer Analyst, hat alle erdenklichen Faktoren – Unterschiede in der Rentabilität, die niedrigen Zinsen, die hohe Marktkonzentration, etc. – untersucht, die diese Bewertungsschere erklären könnten und ist zum ernüchternden Schluss gelangt, dass sich keine rationale Erklärung dafür findet. Sein Fazit: «Die Märkte haben sich im Lauf der Zeit zusehends von der Realität abgekoppelt.»

Technologischer Fortschritt als negativer Faktor?

Was sind mögliche Gründe für diese Entwicklung? Asness nennt deren drei. Erstens: Der Trend zum passiven Anlegen habe die Märkte in der Tendenz ineffizienter gemacht. Er weist darauf hin, dass die Zunahme des Value Spread in den vergangenen dreissig Jahren und der Trend zum indexnahen Anlegen Hand in Hand gegangen seien. «Es ist zwar immer noch umstritten, aber es gibt Hinweise und vernünftige Argumente dafür, dass der Anstieg der Indexierung die Aktienkurse unelastischer gemacht hat», schreibt Asness.

Zweitens habe die lange Phase extrem niedriger Zinsen die Anleger zu unvorsichtigen Investments animiert und eine Blasenbildung begünstigt. Wobei Asness eingestehen muss, dass die Zinsen während der Technologieblase zur Jahrtausendwende nicht wahnsinnig niedrig waren und es dennoch zu Übertreibungen kam.

Sein letztes Argument – das er selber für das stichhaltigste hält – ist, dass der technologische Fortschritt nicht positiv, sondern negativ wirkt: «Die Idee der Weisheit der Massen ist wohlbekannt. In Wirklichkeit beruht jeder einigermassen effiziente Markt darauf. Eine weise Masse setzt jedoch voraus, dass ihre Mitglieder weitgehend unabhängig voneinander sind.»

Wegen der sozialen Medien sei das aber immer weniger der Fall. «Gab es jemals ein besseres Mittel als die sozialen Medien, um eine kluge, unabhängige Gruppe in einen koordinierten, ahnungslosen und sogar gefährlichen Mob zu verwandeln?», fragt er rhetorisch. Angesichts der seltsamen Bewegungen, die während der Pandemie in Meme-Aktien zu beobachten waren, erscheint die These plausibel. Womöglich wirken auch alle drei Kräfte gemeinsam – soziale Medien, niedrige Zinsen und passives Anlegen.

Konsequenzen der Entwicklung

Doch was heisst das nun für Anleger? Asness ist der Ansicht, die abnehmende Effizienz und die dadurch ausgelösten grösseren Verzerrungen führten dazu, dass versierten und geduldigen Marktteilnehmern künftig lukrativere Anlagechancen winken werden. Allerdings warnt er, dass die Fehlbewertungen nicht nur ausgeprägter ausfallen, sondern auch für längere Zeit anhalten dürften. Dadurch würde erfolgreiches Anlegen aber auch schwieriger. Wer verfügt schon über das Stehvermögen, eine jahrelange Underperformance durchzustehen?

«Normale» Anleger sollten angesichts dieser Erkenntnis – so man sie teilt – keine Strategieumkehr vollziehen. Wenn es noch schwieriger wird, den Markt zu schlagen, kann man getrost weiterhin auf breite ETF setzen und sich an der Marktrendite erfreuen.

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