Sonntag, November 24

Die Laufschuhe von On werden in Vietnam hergestellt. Dennoch werden sie im Ausland mit einem Schweizerkreuz versehen. Die Praxis weckt Widerstand.

Man muss genau hinschauen, um es zu sehen. Wenn Roger Federer im Ausland mit Turnschuhen der Marke On – etwa dem Modell «The Roger» – unterwegs ist, kann am hinteren Teil des Schafts ein kleines Schweizerkreuz erkennbar sein. Wird derselbe Sneaker hingegen auf Schweizer Boden präsentiert, fehlt das weisse Kreuz auf rotem Grund. Das Modell – vom On-Teilhaber und Tennisstar mitentwickelt – wird im Ausland mit anderer Optik verkauft als im Inland.

Zweierlei Massstäbe

Das ist nicht dem Zufall geschuldet. Dahinter stecken rechtliche Gründe. Denn seit dem Inkrafttreten der Swissness-Gesetzgebung im Jahr 2017 ist streng geregelt, wann auf einem Produkt ein Schweizerkreuz angebracht werden darf. Diese Kriterien sind im Fall der in Vietnam produzierten On-Laufschuhe nicht erfüllt. Doch weil das Schweizer Recht nur im Inland gilt, sind im Ausland verkaufte On-Schuhe nach wie vor mit einem Schweizerkreuz verziert.

Diese Praxis unterschiedlicher Massstäbe stösst auf Unmut, wie der Sonntags-Blick schreibt. So prangert der Verein Swissness Enforcement den Schuhhersteller an. Der Verein ist eine gemeinsame Initiative des privaten und öffentlichen Sektors. Zu den Mitgliedern gehören das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE), aber auch private Wirtschaftsverbände wie Economiesuisse und Swissmem sowie global tätige Unternehmen. Ziel ist es, die missbräuchliche ­Verwendung von Schweizer Herkunftsangaben im ­Ausland zu bekämpfen.

David Stärkle ist Geschäftsführer von Swissness Enforcement. Er fordert den Schuhhersteller dazu auf, die Swissness-Regeln auch im Ausland einzuhalten. «On verkauft dasselbe Produkt im Ausland mit und im Inland ohne Schweizerkreuz. Das ist Etikettenschwindel», sagt er. Sein Anliegen habe er dem Unternehmen schon im November 2022 mitgeteilt. Im vergangenen Jahr hakte er nach, erhielt bisher aber keine Antwort. Das Unternehmen verhalte sich stur. Bei Swissness Enforcement behalte man sich rechtliche Schritte vor.

Doch wie sieht die Rechtslage aus? Wer das Gütesiegel der Swissness zu Werbezwecken verwenden und sein Produkt entsprechend vermarkten will, muss bestimmte Kriterien erfüllen. Diese Bedingungen sind je nach Güterart verschieden. Bei industriellen Produkten geht es um zwei Kriterien: Erstens müssen mindestens 60 Prozent der Herstellkosten in der Schweiz anfallen. Zweitens müssen auch jene Schritte, die dem Produkt seine «wesentlichen» Eigenschaften verleihen, in der Schweiz erfolgen.

Dass die Voraussetzungen bei On-Schuhen nicht erfüllt sind, ist gemäss Stärkle unumstritten. Daher verzichte On auf das Schweizerkreuz bei Schuhen, die im Inland verkauft würden. Nicht nur würden die Schuhe in Vietnam hergestellt. Im asiatischen Billiglohnland erfolgten auch die «wesentlichen» Fertigungsschritte. Was diese Schritte konkret ausmacht, ist zwar je nach Produkt unterschiedlich. «Es ist aber sicher nicht das Einfädeln der Schnürsenkel oder das Verpacken der Schuhe», sagt Stärkle.

«Swiss Engineering» statt «made in Switzerland»

Der Geschäftsführer von Swissness Enforcement betont die Ausstrahlung, die eine Firma wie On auf andere Firmen im Ausland habe. Das Unternehmen müsse mit gutem Beispiel vorangehen und klarmachen, dass es Schweizer Regeln weltweit respektiere. «Wenn sich On im Ausland nicht an die Regeln hält, werden sich ausländische Produzenten fragen, warum sie sich an die Swissness-Vorgaben halten sollen. Unserem Verein wird man dann im Ausland vorwerfen, wir würden mit ungleichen Ellen messen.»

Wie stellt sich On zum Streit? Das 2010 in Zürich gegründete Unternehmen schreibt auf Nachfrage, man sei stolz auf die Schweizer Wurzeln. Am Sitz von On Labs in Zürich seien über 900 Mitarbeitende beschäftigt, und dort fänden auch die Forschung, die Entwicklung und das Produktdesign statt. Auf den Schuhen von On stehe nicht «made in Switzerland», sondern «Swiss Engineering». Damit weise man darauf hin, dass Schweizer Innovation und Technologie in den Schuhen stecke.

Eine Annäherung signalisiert dies zwar nicht. Ein langwieriger Rechtsstreit ist dennoch unwahrscheinlich. So betont man bei Swissness Enforcement, der eigene Fokus liege bei ausländischen Firmen, die keine Verbindung zur Schweiz hätten und den Kunden dennoch eine Schweizer Herkunft vorzutäuschen versuchten, etwa durch die Verwendung des Wortes Swiss oder durch Symbole mit Schweizer Bezug. «Ich würde ungern gegen ein Schweizer Unternehmen vorgehen», sagt Stärkle.

Bis zu 50 Prozent höhere Verkaufspreise

Aus einer Marketing-Perspektive beurteilt Benjamin Gilgen den Clinch. Er ist Marken-Experte an der Hochschule für Wirtschaft Zürich und sagt: «Wenn ein Unternehmen mit seinen Produkten Swissness verkauft, muss in diesen Produkten auch Swissness drin sein.» Sei dies nicht der Fall, finde eine Täuschung statt. Denn mancher Konsument kaufe das Produkt ja nicht zuletzt aufgrund der Schweizer Attribute. Dass gegenüber On ein gewisser Druck aufgebaut werde, sei richtig, da sich andere Marken auch im Ausland an die Swissness-Regeln hielten.

Dass das Swissness-Etikett ein gewichtiges Verkaufsargument ist, hat unlängst das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) klargemacht. Gestützt auf mehrere Studien kam das Seco zum Schluss, dass der durch die Schweizer Herkunft gewonnene Bonus bei einigen Produkten bis zu 20 Prozent des Verkaufspreises gegenüber vergleichbaren Gütern anderer Herkunft ausmacht. Bei Luxusartikeln beträgt der Zuschlag gar bis zu 50 Prozent. Entsprechend gross bleibt die Versuchung, dem eigenen Produkt ein Schweizerkreuz anzuheften.

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