Freitag, März 14

Der Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage hat seinen internen Rivalen Rupert Lowe kaltgestellt. Nun kokettiert dieser mit der Gründung einer noch weiter rechts stehenden Alternative – und mit einer Spende aus den USA.

Vor wenigen Wochen noch schien der Stern der Reform-Partei in Grossbritannien unaufhaltsam zu steigen. Bei den nationalen Wahlen vom letzten Juli erreichte die rechtsnationale Gruppierung des Brexit-Vorkämpfers Nigel Farage aus dem Stand einen Wähleranteil von über 14 Prozent. Trotz den sehr hohen Hürden des Mehrheitswahlrechts schlug sich dies immerhin im Gewinn von fünf Unterhaussitzen nieder.

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Damit war der Zenit keineswegs überschritten: In den Meinungsumfragen lag die Reform-Partei zuletzt nicht nur vor den abgewirtschafteten Konservativen, sondern auch auf Augenhöhe mit der regierenden Labour-Partei bei rund 25 Prozent der Stimmen. Sitzgewinne scheinen bei der nächsten Unterhauswahl auf breiter Front denkbar.

Die Wahl von Donald Trump, mit dem Farage seit 2016 befreundet ist, und die Unterstützung von Elon Musk beflügelten die Reform-Partei zusätzlich. Die Zahl der Mitglieder wuchs rasant. Beobachter begannen sich ernsthaft mit der Frage zu befassen, ob Farage die britische Parteienlandschaft von Grund auf umpflügen und 2029 zum Premierminister aufsteigen könnte.

Mediale Schlammschlacht

Doch in den letzten Tagen hat die Partei nicht wegen ihrer Erfolgswelle für Schlagzeilen gesorgt, sondern wegen einer internen Schlammschlacht. Zum Rivalen von Farage avancierte Rupert Lowe. Der 67-Jährige vertritt die abgewirtschaftete Küstenstadt Great Yarmouth im Unterhaus und verfügt über eine grosse Gefolgschaft in den sozialen Netzwerken. Vor seinem Eintritt in die Politik hatte er als Banker in der Londoner City ein Vermögen gemacht und als Präsident des Fussballklubs Southampton gewirkt.

Der Streit zwischen Lowe und Farage ist ein Machtkampf zwischen Politikern mit grossen Egos. So warf Lowe Farage öffentlich vor, Reform UK wie eine «messianische Protestpartei» zu führen, und er liess eigene Ambitionen auf das Amt des Premierministers durchblicken.

Farage fackelte nicht lange und stellte den Rivalen kalt: Aus dem Nichts wurden in den Medien Vorwürfe laut, in Lowes Büro im Parlament sei es zu Mobbing-Vorfällen gekommen. Zudem habe Lowe den Parteivorsitzenden Zia Yusuf offen mit Gewalt bedroht. Aufgrund einer Anzeige der Partei ermittelt nun sogar die Polizei. Darüber hinaus warf Farage seinen Kontrahenten aus der Fraktion, weshalb er nun als Unabhängiger im Unterhaus sitzt.

Rechter Rand oder Mitte?

Hinter der persönlichen Fehde verbirgt sich ein Richtungsstreit, der Fragen zur Zukunft der Reform-Partei aufwirft. So plädierte Lowe in den letzten Monaten wiederholt für einen radikaleren Rechtskurs, der sich noch stärker am nationalkonservativen und kulturkämpferischen Programm von Donald Trump orientiert.

Konkret forderte Lowe Massendeportationen von Ausländern, und er sprach mit Blick auf einen alten Pädophilie-Skandal von «pakistanischen Vergewaltigungs-Gangs». Diese Rhetorik, so erklärte Lowe, habe wohl dem muslimischen Parteivorsitzenden Yusuf nicht gepasst. Zudem verbreitete Lowe Verschwörungstheorien über angeblich schädliche Zusatzstoffe in britischer Milch. Und er solidarisierte sich mit dem rechtsextremen Agitator Tommy Robinson, der wegen Missachtung gerichtlicher Anordnungen im Gefängnis sitzt.

Seine Positionen trugen Lowe die Anerkennung des Tech-Milliardärs Elon Musk ein, der ebenfalls Sympathien für Robinson hegt. Farage hingegen geht auf Distanz zum Rechtsextremisten, den er für unkontrollierbar und politisch toxisch hält. Zum Ärger von Farage ergriff Elon Musk für Lowe Partei. Der Tech-Milliardär, der im Dezember noch mit einer grossen Spende für die Reform-Partei geliebäugelt hatte, erklärte im Januar auf seiner Plattform X, die Reform-Partei brauche einen neuen Anführer: «Nigel Farage hat das Zeug dazu nicht.»

Während Lowe am äussersten rechten Rand mobilisiert, will Farage die Tory-Partei angreifen. Er versucht, sowohl konservative als auch enttäuschte Labour-Wähler für sich zu gewinnen. Allerdings stossen seine Nähe zu Trump und einige russlandfreundliche Äusserungen in der Bevölkerung auf Skepsis. Umso wichtiger ist es aus Farages Sicht, dass die Reformpartei eine klare Distanz zu Rechtsextremisten wahrt, professionelle Strukturen aufbaut und sich als wählbare Alternative für breite Bevölkerungsschichten etabliert.

Noch eine neue Rechtspartei?

Dank seiner Machtfülle hat Farage den Streit mit Lowe fürs Erste für sich entschieden. Der Brexit-Vorkämpfer gründete die Reform-Partei 2018 als Nachfolgeorganisation der United Kingdom Independence Party (Ukip) und der Brexit-Party. Er registrierte Reform UK als Unternehmen, das er als Mehrheitsaktionär vollständig kontrollierte. Anfang Jahr hat er der Partei nun demokratischere Strukturen gegeben, aber überaus hohe Hürden für seine Entmachtung eingebaut.

Ohnehin ist Farage dank seinem Charisma und seinem politischen Instinkt für die Reform-Partei unentbehrlich. Nachdem er 2024 für eine Reality-TV-Show mehrere Wochen im australischen Dschungel verbracht hatte, ist seine Popularität noch gewachsen. Er setzt darauf, dass der Streit mit Lowe rasch in Vergessenheit gerät und die Erfolgsaussichten seiner Partei nicht schmälern wird.

Doch an der Parteibasis hat das Vorgehen gegenüber Lowe auch Kritik ausgelöst. Dieser inszeniert sich als Märtyrer und ist gewillt, der Reform-Partei zu schaden. Selbst die Gründung einer neuen Rechtspartei schliesst Lowe explizit nicht aus. Wie die «Financial Times» berichtet, soll Elon Musk bereits Interesse bekundet haben, eine Alternative zur Reform-Partei zu unterstützen.

Es entbehrte nicht der Ironie, sollte es so weit kommen. Jahrelang hat Farage die Flügelkämpfe innerhalb der Tory-Partei befeuert und den Konservativen von rechts das Wasser abgegraben. Jetzt, wo der Brexit-Vorkämpfer zur endgültigen Demütigung der Konservativen angesetzt hat, muss er aufpassen, dass keine noch weiter rechts stehende Partei seine Pläne durchkreuzt.

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