Montag, November 25

Das «Hikari» in Wiedikon greift die Trends gleich reihenweise auf. Doch einem widersetzt es sich – zum Glück!

Gälte es am Reissbrett ein Zürcher Lokal zu entwerfen, das möglichst viele Trends aufnimmt, es käme wohl so etwas wie das «Hikari» heraus. Verbinden wir den Besuch in diesem Café-Bar-Restaurant, vor wenigen Wochen an der hippen Weststrasse in Wiedikon eröffnet, also mit einer kleinen Checkliste gegenwärtiger gastronomischer Strömungen.

Erstens: Der Siegeszug der asiatischen Küche geht weiter. China-Lokale sind zwar weit entfernt von ihrer Erfolgswelle der achtziger Jahre; dafür reiten auf einer solchen nun die seit längerem populären Thai-Betriebe, vietnamesisch inspirierte Angebote (das «Co Chin Chin» aus dem Kreis 5 etwa ist mittlerweile im Seefeld angelangt) und Japaner wie das «Hikari». Sein Name steht für «Licht», es ist der jüngste Hoffnungsträger des Teams, das mit tollen Angeboten wie «Ikoo» und «Miki» in dieser Stadt eine spezielle Suppe boomen lässt: Wer hip ist, löffelt weder Minestrone noch Consommé, sondern fischt aus einer Brühe diese köstlichen Nudeln namens Ramen. Amen.

Zweitens: Man tut Gutes im Sinn der Nachhaltigkeit und spricht auch darüber. Der Sichtbeton, der die mit markanten Hängelampen aufgewertete Decke prägt, mag als graue Energie verpönt sein; doch für die Bauweise des Hauses können die Betreiberinnen nichts. Dafür bestehen die Essstäbchen laut Deklaration aus Restholz der Zedernverarbeitung einer japanischen Werkstatt, und man bevorzugt unter dem Motto «Japanische Küche, vo Züri inspiriert» natürlich regionale Produkte aus biologischem Anbau. Dem leiblichen Wohl der Gäste direkt zuträglich ist wiederum der erklärte Verzicht auf Zusatzstoffe, Geschmacksverstärker und Convenience-Produkte.

Drittens: Es muss nicht immer Fleisch sein. Das «Hikari» verzichtet gar ganz darauf. Die aus Kyoto stammende Mitinhaberin Keiko Iida, einst Küchenchefin des «Ginger» im Seefeld, beweist mit ihren Rezepten: Ramen-Brühe (ab Fr. 23.–) kann auch in veganer Spielart munden, samt beispielsweise Fu-Chashu, einer herrlich fleischig wirkenden Einlage auf Weizenbasis. Und Tofuskeptiker finden schon bei der Vorspeise eine Erleuchtung: Die als Karaage angebotenen frittierten Würfel (Fr. 15.50) lassen Pouletsurrogate wie Planted Chicken vergessen. Der verwendete Tofu der Winterthurer Manufaktur Yumetofu ist von seidiger Textur, so zwischen Panna cotta und zartem Mozzarella, die Hülle knusprig, und zwar ohne Teig, nur mit Maisstärke paniert.

Viertens: Man mag’s heute fluid. Die Grenzen zwischen so vielem verschwimmen, auch zwischen flüssiger und fester Nahrung, zwischen Cocktailbar und Restaurant. Auf einem Hocker an der strategisch gut positionierten Theke dürfen wir ohne Reservation an diesem Abend nicht nur trinken, sondern auch essen. Und der Spagat zwischen den Kontinenten wird am Herd wie hinter dem Tresen praktiziert.

Den tiefroten Negroni (Fr. 14.–) mit ausgeprägten Bitternoten rundet der Pflaumenwein Umeshu ab, noch schöner ausbalanciert ist die Kreation Penishirin (Fr. 14.–): Den rauchigen Charakter eines Single-Malt-Whiskys federn die Säure der Yuzu und leichte Ingwerschärfe ab, während ein Hauch Birnel helvetisch geprägte Süsse ins Spiel bringt. Da Japan noch mehr von Perfektionismus beseelt ist als die Schweiz, sei hier ein kleiner Optimierungsvorschlag erlaubt: Wären die filigranen Drink-Gläser nicht bis oben mit Eiswürfeln bestückt, bliebe die Nasenspitze bei jedem Schluck warm und trocken.

Fünftens: In trendigen Küchen ist Fermentieren Trumpf. Und die Japaner haben eine Meisterschaft entwickelt in dieser Disziplin. Ein Beleg dafür heisst Tsukemono (Fr. 9.–), das sind bestechend leichte Mixed Pickles. Das Gemüse behält seinen erdigen Charakter, bleibt wunderbar knackig und hat gleichzeitig diese neckische Note, die profane Rüeblistäbli hiesiger Apéritifrunden vermissen lassen.

Für jeden Finger an der Hand lässt sich also ein Häkchen hinter einem Trend setzen. Ein Erfolgsgarant ist das noch nicht, doch bei unserer Visite ist der angenehm luftig möblierte Ort mit chillig-cooler Atmosphäre sehr gut besucht. Das Publikum ist vorwiegend im Studentenalter, die Jeunesse dorée allerdings trifft man eher in deutlich teureren In-Lokalen, in denen man selbst für Hahnenburger zahlt.

Just in diesem Punkt schwimmt das «Hikari» gegen den Strom: An einer Station darf man sich Trinkwasser einschenken – unentgeltlich, was heute nicht mehr züritypisch ist. Möge es damit zum Trendsetter werden!

Restaurant Hikari
Weststrasse 70, 8003 Zürich
Sonntagmittag geschlossen
Telefon: 044 210 37 76

Für diese Kolumne wird unangemeldet und anonym getestet und am Ende die Rechnung stets beglichen. Der Fokus liegt auf Lokalen in Zürich und der Region, mit gelegentlichen Abstechern in andere Landesteile.

Die Sammlung der NZZ-Restaurantkritiken der letzten fünf Jahre finden Sie hier.

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