Samstag, Oktober 12

Bei seinem mit Spannung erwarteten Auftritt belässt es Lan Fo’an bei recht allgemeinen Ankündigungen. Nun richten sich die Augen auf die Reaktion der Aktienmärkte am Montag.

Wie schon die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) am Dienstag vermied es auch Chinas Finanzminister Lan Fo’an am Samstag, eine konkrete Zahl zu einem möglichen Rettungspaket für die schwer angeschlagene chinesische Wirtschaft zu nennen. Lan sagte lediglich, die Zentralregierung habe ausreichend Spielraum, «sich zu verschulden und das Budgetdefizit zu erhöhen».

Bei seinem Auftritt vor den Medien in Peking erklärte Chinas Finanzminister, die Regierung werde staatliche Anleihen begeben, um den Immobiliensektor zu stabilisieren, die Banken zu rekapitalisieren und den Lokalregierungen bei der Bewältigung ihrer Schulden unter die Arme zu greifen. Ähnlich hatten sich zuvor bereits das Politbüro und die NDRC geäussert.

Die Anleger warten ungeduldig auf die Ankündigung konkreter Summen und Massnahmen, mit denen die Regierung den chinesischen Konjunkturmotor wieder in Schwung bringen will. Nach der Medienkonferenz der NDRC am Dienstag gingen die Aktienkurse in China nach einer mehrwöchigen Rally zunächst wieder auf Talfahrt. Zum Wochenbeginn dürften die Anleger nun ebenfalls verhalten agieren.

Plötzliche Kehrtwende Ende September

Nachdem die Regierung seit beinahe zwei Jahren mit eher zaghaften Schritten versucht, die Wirtschaft in Fahrt zu bringen, kam Ende September auf einmal die Kehrtwende. Zunächst kündigte die Zentralbank PBoC am 24. September eine ganze Reihe von geldpolitischen Massnahmen an. Zwei Tage später versprach das Politbüro, die Regierung werde die lockere Geldpolitik mit umfangreichen fiskalpolitischen Massnahmen flankieren.

Beobachter werten den plötzlichen Kursschwenk Pekings als Hinweis darauf, dass die chinesische Wirtschaft in schlechterer Verfassung ist als bisher angenommen. Allein die Lokalregierungen sollen auf Schulden in Höhe von umgerechnet mehr als 13 Billionen Dollar sitzen und sind praktisch handlungsunfähig.

Hier will die Zentralregierung nun konkret ansetzen. Allein das Hilfspaket für die Lokalregierungen werde eines der grössten in der jüngeren chinesischen Geschichte sein, versprach Lan am Samstag. Peking werde ausserdem Anleihen begeben.

Mit dem Geld sollen lokale Verwaltungen in die Lage versetzt werden, Immobilienentwicklern ungenutztes Land abzukaufen. Ausserdem sollen die Lokalregierungen einige der Millionen unverkauften Wohnungen erwerben. Peking hofft, damit den Immobiliensektor stabilisieren zu können.

Chinas Scheinparlament muss Konjunkturhilfen genehmigen

Formal muss der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses, das chinesische Scheinparlament, ein Konjunkturpaket genehmigen. Der Ausschuss tagt wieder Ende Monat. Bis dahin sollten also Form und Umfang eines Rettungspakets bekannt sein.

Chinas Finanzminister hätte allerdings die Kompetenz gehabt, bei seinem Auftritt vor den Medien am Samstag Zahlen zu nennen. Dass er dies nicht tat, kann verschiedene Gründe haben.

«Es ist gut möglich, dass die Regierung ein Überschiessen der Aktienmärkte vermeiden will», sagt ein europäischer Fondsmanager in Peking. Nachdem die chinesische Regierung im Zuge der Finanzkrise 2008 binnen weniger Tage ein massives Hilfspaket für die Konjunktur auf den Weg gebracht hatte, gingen die Aktienkurse durch die Decke, nur um wenige Wochen später wieder einzubrechen.

Ähnliches passierte 2015, als die Regierung die Börsen zu stützen versuchte. Wenige Wochen nach dem Eingriff der Behörden stürzten die Kurse wieder ab.

Vermutlich versuchen die Behörden dieses Mal, ein gezieltes Erwartungsmanagement zu betreiben, um damit eine verhaltenere, aber stetige und solide Aufwärtsentwicklung der Aktienmärkte zu erreichen.

Nachdem bekannt geworden war, dass die Regierung an einem Stützungspaket für die Wirtschaft arbeitet, war der CSI 300, der Leitindex für chinesische Aktien, in den Tagen bis zum Beginn der Ferien rund um den chinesischen Nationalfeiertag am 1. Oktober um 24 Prozent gestiegen.

Xi Jinping ist kein Freund staatlicher Hilfen

Möglich ist auch, dass hinter den Kulissen noch um den Umfang des Konjunkturprogramms gerungen wird. Es ist bekannt, dass Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping kein grosser Freund staatlicher Hilfen ist, schon gar nicht für private Haushalte. Diese würden dadurch lediglich faul und bequem, findet Xi.

Vielmehr will Xi Chinas Wirtschaft grundsätzlich umbauen, hin zu einer «Entwicklung mit hoher Qualität», wie er es formuliert. Nicht mehr Investitionen in unproduktive Sektoren und Spekulation, etwa am Immobilienmarkt, sollen das Wachstum treiben, sondern eine moderne, auf Hochtechnologie basierende Industrie.

Dieser Umbau dauere einige Zeit und werde nicht einfach, findet Chinas starker Mann. Währenddessen müssten die Menschen eben den Gürtel enger schnallen.

Doch ein staatliches Konjunkturprogramm ist auch politisch heikel. Je grösser es ausfällt, desto eher könnte der Eindruck entstehen, dass Xi mit seiner Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre auf dem Irrweg war. Schliesslich war er es, der den Immobiliensektor mit einer Radikalkur in die Knie zwang. Auch war es Xi, der dem Land die Null-Covid-Politik verordnete, die viele Städte und Provinzen in den finanziellen Ruin trieb.

Exit mobile version