Nach den Bränden in Los Angeles drängen die Anwohner auf einen schnellen Neubau ihrer Häuser. Doch giftige Asche und Dämpfe bedrohen selbst diejenigen, die von den Flammen verschont geblieben waren.

In Los Angeles herrscht Aufbruchstimmung: Mobile Bagger räumen dort dieser Tage Garagentore, ausgebrannte Karosserien und Trümmerteile aus den Häuserruinen. Spezialisierte Reinigungstruppen säubern den Schutt von giftigem Abfall. Und vereinzelt füllen Anwohner bereits ihre Bewerbungen um Neubaugenehmigungen aus.

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Es sind die ersten Schritte auf einer langen Reise zum Wiederaufbau von Pacific Palisades und Altadena – jenen Stadtteilen von Los Angeles, die bei den schweren Bränden im Januar grossflächig zerstört wurden. 29 Menschen starben, 18 000 Gebäude wurden dem Erdboden gleichgemacht. Zurück blieben Millionen von Tonnen an Schutt und Asche.

Doch die Aufbruchsstimmung überschatten schwere Sorgen: Wie verseucht sind Wasser, Luft und Boden in den abgebrannten Regionen?

Blei, Asbest und Chlor in den Trümmern

Aus einer Gesundheitsperspektive betrachtet sind städtische Feuer deutlich gefährlicher als Waldbrände. Nicht nur Bäume und Sträucher brennen ab, sondern Farben, Batterien, Reinigungsmittel, Plastik – das ganze Spektrum an menschengemachten Materialien. Dazu zählen giftige Baustoffe: Im abgebrannten Stadtteil Altadena waren neunzig Prozent der Häuser mehr als fünfzig Jahre alt, stammten also aus einer Zeit, als bleihaltige Farbe und Asbest noch selbstverständlich verbaut wurden.

Dieser toxische Mix verunreinigte während der Brände die Luft. So wurden gemäss Untersuchungen der Universität Caltech auch 30 Kilometer südlich der Brandherde in Altadena noch hohe Werte an Giftstoffen in der Luft gemessen: Die Konzentration von Blei in der Luft war hundertmal so hoch wie sonst in der Region üblich. Das Einatmen von Blei kann schwere Schäden im Gehirn und im Nervensystem anrichten, vor allem bei Kindern.

Auch die Konzentration von Chlor betrug das Vierzigfache der sonst gemessenen Werte; Chlor in der Luft kann die Lungen und Atemwege beschädigen. Ebenso wurde Asbest durch die Feuer freigesetzt – bereits eine einmalige Exposition mit der Chemikalie kann noch Jahre später Krebs hervorrufen. «Man kann auch Hunderte Meilen entfernt sein und noch immer die Konsequenzen des Rauchs zu spüren bekommen», sagte die Medizinerin Kari Nadeau von der Harvard University, die die Gesundheitsfolgen von Bränden in Kalifornien erforscht hat, gegenüber dem «Wall Street Journal».

Laut Experten bieten in diesem Fall selbst die N-95-Masken, die man von der Corona-Pandemie kennt, keinen ausreichenden Schutz, weil sie besonders feine Schmutzpartikel nicht herausfiltern. Experten raten zu Masken mit Aktivkohlefiltern – während der Brände in Los Angeles waren diese aber vielerorts ausverkauft.

Weitere Sorge: Vergiftung des Trinkwassers

Die Gefahren erlöschen nicht mit den Flammen. Haben die Brände Leitungen für Trinkwasser beschädigt, können in diese Rauch und giftige Chemikalien eindringen – etwa Benzol: Kurzfristig kann dies Übelkeit und Erbrechen hervorrufen, langfristig Krebs verursachen. Theoretisch können sich solche toxischen Stoffe über Jahre hinweg in den Wasserleitungen ablagern.

In weiten Teilen von Pacific Palisades und Altadena herrschte deswegen seit Mitte Januar ein Trinkwasserverbot. Anwohner in den Regionen sollten nur noch abgefüllte Wasserflaschen nutzen – als Trinkwasser, zum Zähneputzen und zum Kochen. Das Verbot wurde inzwischen in den meisten Gebieten aber wieder aufgehoben.

Noch nicht vorbei ist hingegen die Gefahr durch Russ und Asche: Überreste von Schwermetallen und anderen giftigen Stoffen haben sich auf den Trümmern abgesetzt und werden nun jedes Mal aufgewirbelt, wenn Menschen durch die Ruinen laufen. Gesundheitsexperten warnen Anwohner vor dieser unsichtbaren Gefahr und raten davon ab, in den Ruinen nach ihrem Hab und Gut zu stochern. Das Los Angeles County hat auch den Gebrauch von Laubbläsern in den Brandgebieten untersagt.

Selbst die Anwohner, deren Häuser von den Flammen verschont geblieben sind, sind nicht vor Gesundheitsgefahren sicher, im Gegenteil: Der Rauch ist in Sofas, Teppiche und Matratzen gezogen. «All diese Materialien saugen giftige Gase erst auf, und geben sie im Laufe der folgenden Monate dann langsam wieder frei», sagt Paul Wennberg, der an der Universität Caltech Umweltingenieurwissenschaften unterrichtet, gegenüber der «New York Times». Ob man alles grosszügig entsorge oder versuche zu reinigen, müsse jeder im Einzelfall entscheiden. «Wenn man eines der wenigen verschonten Häuser im Zentrum der Katastrophe besitzt – ich wüsste nicht, was ich täte.»

Eine im Dezember veröffentlichte Untersuchung zu den Folgen eines schweren Städtebrandes in Colorado 2021 bestätigt das: In unversehrten Häusern konnte man auch Monate später noch Rauch und Asche nachweisen, die gesundheitsschädlich waren.

Er mache sich grosse Sorgen wegen Schwermetallen und giftiger Schadstoffe in der Asche, sagt Sanjay Mohanty, der an der University of California Los Angeles Umweltingenieurwissenschaften unterrichtet. «Die Asche ist enorm giftig und kann Krankheiten verursachen, die sich erst im Laufe der nächsten Jahre entwickeln.» Gefährlich ist auch der Russ, der sich als feine Schicht auf den Fenstersimsen und in den Luftschächten von Häusern abgesetzt hat.

Aufgeräumt wird in zwei Phasen

Entsprechend bemühen sich die amerikanischen und kalifornischen Behörden nun um gründliche Aufräumarbeiten. Diese erfolgen in zwei Phasen: In einer ersten durchkämmten Reinigungstruppen der Umweltschutzbehörde EPA (Environmental Protection Agency) in spezieller Schutzkleidung die Ruinen in Los Angeles. Sie schritten durch die Trümmer der Tausende Häuser und entfernten Lithiumbatterien, Farbtöpfe, Pestizide und andere stark giftige Materialien.

Besonderen Grund zur Sorge geben dabei Lithiumbatterien, die heutzutage in unzähligen Haushaltsgeräten wie Laptops, Smartphones und Elektrovelos verbaut sind. Denn beschädigte Batterien können auch nach Wochen oder Monaten spontan explodieren und Menschen verletzen oder neue Brände auslösen. Laut Experten war es die grösste Säuberungsaktion betreffend Lithiumbatterien, die es je gab.

Diese Phase wurde inzwischen abgeschlossen. In einer zweiten Phase steht nun seit Mitte Februar das U. S. Army Corps of Engineers im Einsatz, also Spezialkräfte des amerikanischen Heeres für den Bereich Bauingenieurwesen. Sie agieren im Auftrag der Katastrophenschutzbehörde Fema. Die Arbeiter tragen kubikmeterweise Asche ab und räumen verkohlte Bäume, Autos und andere Trümmer von Grundstücken.

Wenn die Konzentration der Schwermetalle hoch sei, sagt der Wissenschafter Mohanty von der University of California Los Angeles, müsse man die ersten 15 Zentimeter Bodenschicht abtragen und mit neuer Erde ersetzen. Nur so lasse sich vermeiden, dass Anwohner fortan ständig den Schwermetallen ausgesetzt seien. Bis dieser Prozess für 18 000 Grundstücke abgeschlossen ist, dürfte es Monate dauern.

Alternativ können Hausbesitzer für den zweiten Schritt auch private Reinigungskräfte engagieren, um schneller die Voraussetzungen für den Wiederaufbau eines Hauses zu erfüllen.

Giftige Stoffe können tief in den Boden ziehen

Für die Katastrophenschutzbehörde Fema sind die Arbeiten abgeschlossen, sobald in den betroffenen Gebieten 15 Zentimeter Erde abgetragen wurden. Tatsächlich können toxische Schwermetalle aber noch tiefer im Boden verbleiben. Das zeigt das Beispiel der Stadt Paradise – einer Kleinstadt in Nordkalifornien mit 27 000 Einwohnern, die 2018 von einem schweren Feuer komplett zerstört wurde. Eine private Beratungsfirma entnahm dort Bodenproben von 12 500 Grundstücken, nachdem die Fema die Aufräumarbeiten abgeschlossen hatte.

Doch auch danach wies der Boden von einem Drittel der Grundstücke noch giftige Stoffe wie Blei und Arsen auf, die das von Behörden empfohlene Höchstmass überschritten. Bis die giftigen Stoffe hinreichend abgetragen worden waren, so berichtete die «Los Angeles Times», mussten Reinigungstruppen teilweise gar fünf Mal anrücken.

Für die Anwohner von Pacific Palisades und Altadena verheisst das nichts Gutes – womöglich wird der Wiederaufbau doch nicht so schnell gehen, wie sie sich das erhoffen.

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