Die glorreiche Zeit mit zwei Titeln im Europapokal der Landesmeister liegen für Nottingham Forest 45 Jahre zurück. Nun setzt sich der einst kriselnde Klub in der Spitzengruppe der Premier League fest.
Schillernd, verrückt, kontrovers. Diese Attribute beschreiben Evangelos Marinakis treffend. Der griechische Milliardär und Besitzer des Fussballklubs Nottingham Forest gibt sich wie die meisten seiner Funktionärskollegen in der Premier League nur mit dem maximalen Erfolg zufrieden. Marinakis scheint jedes Mittel recht, um zu bekommen, was er will. Dieser Eindruck drängt sich auch bei seinem Engagement bei Nottingham Forest auf.
Marinakis, 57 Jahre alt, kaufte den Klub im Mai 2017 für 50 Millionen Pfund der kuwaitischen Familie Hasawi ab. Der dauerkriselnde Traditionsverein aus den Midlands spielte damals in der zweiten Liga. Trotzdem kündigte Marinakis nach der Vereinsübernahme vollmundig an, sein Ziel sei es, die ruhmreichen alten Tage zurückzubringen. Später begründete er die Ambition in der BBC damit, dass «Geschichte dazu neige, sich zu wiederholen». Damit meinte er die Zeit vor viereinhalb Jahrzehnten, als dem Klub eines der verblüffendsten englischen Meisterstücke gelungen war.
Nach dem Aufstieg in die oberste Liga 1977 gewann Forest in der folgenden Saison unter dem populären englischen Trainer Brian Clough direkt den bisher einzigen Meistertitel der Klubgeschichte. Damit waren die Errungenschaften noch lange nicht abgeschlossen: Nottingham triumphierte daraufhin sensationell im Europapokal der Landesmeister 1979 und holte den Pokal 1980 sogar nochmals. Mit dem Rückzug von Clough endete 1993 die erfolgreichste Epoche der Klubgeschichte; in dessen letzter Saison stieg Forest aus der neugegründeten Premier League ab und wurde dann von der Elite abgehängt.
Marinakis spuckt vor dem Schiedsrichter auf den Boden und wird für fünf Spiele gesperrt
Doch nun scheint sich Geschichte in Nottingham tatsächlich ein Stück weit zu wiederholen. Zur Saisonhälfte hält sich Forest unter dem Trainer Nuno Espírito Santo mit effizientem Defensivfussball unerwartet in der Spitzengruppe der Premier League auf und könnte sich erstmals für die Champions League qualifizieren. Am Boxing Day gab es im Heimspiel gegen Tottenham Hotspur ein 1:0, damit steht der Klub auf dem 3. Tabellenplatz. Der Verein profitiert dabei von der hohen Spielbelastung für die Topklubs. Die Renaissance wirkt wie eine Heldengeschichte von Robin Hood, der der Sage nach einst im nahen Sherwood Forest gegen die Tyrannei ankämpfte.
An den legendären Gesetzlosen erinnert Marinakis aber lediglich insofern, als dass sein Geschäftsgebaren manchmal wirkt, als gebe es für ihn keine Gesetze. Immer wieder wird er mit kriminellen Machenschaften in Verbindung gebracht und bekommt es mit der Justiz zu tun; derzeit wehrt er sich in einem Londoner Verleumdungsprozess gegen einen anderen griechischen Fussballfunktionär.
Kürzlich soll Marinakis nach einer Niederlage seines Klubs vor dem Schiedsrichter-Team auf den Boden gespuckt haben. Englands Verband sperrte ihn deshalb für fünf Spiele, die Sache sei «eine respektlose und ekelerregende Zurschaustellung von Verachtung» gewesen, hiess es im Urteil. Marinakis hatte erfolglos argumentiert, der Vorfall sei unbeabsichtigt gewesen, sein Zigarrenkonsum verursache regelmässige Hustenanfälle.
Kaum aufgestiegen, tauscht Forest fast das gesamte Kader aus
Seine Impulsivität und Ungeduld überträgt sich auf seine Art der Vereinsführung. In den vergangenen sieben Jahren unter seiner Leitung beschäftigte Forest sieben Trainer und verpflichtete knapp 150 Spieler. Ein Sky-Reporter analysierte zu Zweitliga-Zeiten einst pointiert, Marinakis sei jemand, der seinen Verein «gestern in der Premier League haben wollte». Die Strategie war es wohl, so lange eine Hire-and-Fire-Politik zu betreiben, bis es irgendwann mit dem Aufstieg klappt. Dies war letztlich im fünften Anlauf der Fall, als Nottingham in der Saison 2021/22 über die Play-offs die Rückkehr in die Premier League schaffte.
Marinakis blieb im Oberhaus seinem Vorgehen treu, in der ersten Saison tauschte er fast das gesamte Spielerkader aus, um das Niveau des Teams der neuen Liga anzupassen: Forest nahm 30 (!) Profis, unter ihnen der Schweizer Remo Freuler, unter Vertrag – für 200 Millionen Euro. Am vorletzten Spieltag gelang Nottingham als bisher letztem Premier-League-Aufsteiger der Ligaerhalt.
Als es in der vergangenen Saison erneut eng wurde, stellte der Verein kurzerhand den ehemaligen Referee Mark Clattenburg als Schiedsrichterberater ein. Marinakis fühlte sich von den Unparteiischen benachteiligt. In derselben Spielzeit zog die Liga dem Verein vier Punkte wegen Verstössen gegen das finanzielle Regelwerk ab. All die Eskapaden und Kraftakte führten immerhin dazu, dass die immer wieder umgebaute Mannschaft zusammenrückte und sich ein beachtlicher Teamgeist entwickelte.
My exclusive with #nffc owner Evangelos Marinakis airs on Sky Sports on Tuesday. Sneak preview here. His most personal and revealing UK interview ever. pic.twitter.com/GoT5RecPXV
— Rob Dorsett (@RobDorsettSky) December 1, 2024
In Griechenland investiert Marinakis in TV-Sender und Zeitungen
Für die Kosten kam Marinakis weitgehend selbst auf, insgesamt pumpte er stattliche Millionensummen in den Verein. Sein Vermögen stammt aus der Reederei in seiner Geburtsstadt Piräus, in die ihn sein Vater eingearbeitet hatte und die er dann immer weiter ausbaute. Inzwischen gehört er zu den mächtigsten Schiffsmagnaten der Welt.
Diesen Erfolg nutzte er, um seinen Einfluss in der Heimat politisch und gesellschaftlich stark auszubauen – indem er Zeitungen, Fernsehsender und Radiostationen kaufte. Ausserdem erwarb er 2010 den Serienmeister Olympiakos Piräus. Früher war Marinakis auch Stadtrat in Piräus. Sky Sports begleitete ihn dort kürzlich mehrere Tage und bezeichnete ihn im Porträt als «inoffiziellen König von Piräus».
Vergangene Saison gewann Piräus unter ihm die Conference League, es war der erste internationale Titel eines griechischen Vereins überhaupt. Die Trophäe nahm Marinakis als Andenken zum Grab seines Vaters mit. Zu Olympiakos Piräus gehen die Meinungen seit langem auseinander. Einst untersuchte die Staatsanwaltschaft, ob den Erfolgen etwa ein mafiöses Netzwerk zugrunde liegt. Der Präsident eines konkurrierenden Klubs sah hinter der Piräus-Dominanz eine Diktatur, er sagte, noch sei jede solche gefallen, egal wie machtvoll sie auch sei.
Marinakis’ Wirken im griechischen Fussball war der Start für seine internationalen Ambitionen. Mittlerweile kontrolliert er auch den portugiesischen Verein Rio Ave, und es gibt Spekulationen über eine weitere Vergrösserung des Netzwerks. Als Stratege für alle Fussballbelange soll Marinakis an einer Verpflichtung des Sportdirektors Edu interessiert sein. Der ist dem Vernehmen nach deshalb kürzlich von demselben Posten beim FC Arsenal zurückgetreten.
Die Überlegungen kämen vor allem Nottingham Forest zugute, dem Flaggschiff in Marinakis’ Fussballportfolio. Sie veranschaulichen, wie ernst es ihm ist, trotz der riesigen Konkurrenz in England bald dauerhaft an der Spitze mitzuspielen und Titel zu gewinnen. Bis dahin dürfte es trotz dem derzeitigen Höhenflug noch eine Weile dauern – aber Evangelos Marinakis wird sicher so lange alles versuchen, bis er auch das schafft.