Die Art Basel soll bei der Kunstmesse Abu Dhabi Art einsteigen. Die Schweizer Muttergesellschaft MCH würde dafür 20 Millionen Euro von Abu Dhabi erhalten.
Auf der Art Basel Paris im Oktober verbreitete es sich wie ein Lauffeuer: Galeristen hätten gehört, dass die Art Basel in die Arabischen Emirate expandieren will. Bald war es auch bei «Art News» zu lesen. Für den Einstieg von Art Basel in die Kunstmesse Abu Dhabi Art (ADA) würde die Schweizer Muttergesellschaft MCH 20 Millionen Euro von Abu Dhabi erhalten. Die Kunstmesse würde also nicht gekauft, sondern der Einstieg versilbert.
Die Spekulationen sorgen für Diskussionsstoff an vielen der rund hundert Ständen der gerade eröffneten 16. Ausgabe der ADA. Das Department of Culture and Tourism, kurz DCT, kommentiere grundsätzlich keine Gerüchte, erfährt man hier. Auch Dyala Nusseibeh reagiert zurückhaltend: «Das ist alles Spekulation!»
Sie ist seit 2016 die künstlerische Direktorin der Messe am Golf. 2007 gegründet, fanden die ersten Ausgaben im Luxushotel Emirates Palace statt. Rund vierzig Galerien nahmen damals teil, darunter gewichtige Player wie White Cube, Lisson und Gagosian. Sie brachten millionenteure Werke von Künstlern wie Damien Hirst oder Andy Warhol mit. Gekauft wurde vor allem von der herrschenden Familie. Ob sich auch bereits die damals noch in der Planung befindlichen Museen Louvre Abu Dhabi und Guggenheim Abu Dhabi eindeckten? Eine nennenswerte Sammlerszene jedenfalls gab es hier noch nicht.
Kunst aus der Region
Das änderte sich im Lauf der Jahre. Mittlerweile findet die Messe im Kulturzentrum Manarat Al Saadiyat statt, das nur wenige Gehminuten vom Louvre Abu Dhabi entfernt liegt. Die grossen Galerien nehmen inzwischen nicht mehr teil. Der Markt richtet sich jetzt eher an einen stetig wachsenden, kunstsinnigen Mittelstand. Nur wenige Werke übersteigen die Millionengrenze.
Der Schwerpunkt liegt zunehmend auf regionaler Kunst – ein Kennzeichen, auf das Nusseibeh Wert legt. Hier sei die Funktion der Messe eine andere als in Europa, betont sie. Hier gehe es um «Wissensproduktion» und die «grössere kreative Industrie», erklärt sie im Gespräch. Die Messe sei integraler Teil der «Post-Öl-Wirtschaft».
Anders als bei der Art Basel stehe mit DCT kein kommerzieller, sondern ein staatlicher Eigentümer hinter der Messe. Daher könne es sich die Verkaufsschau auch leisten, Ausstellungen und «Recherche-basierte Projekte» als wichtige Teile ihres Konzepts einzugliedern. Heuer gehören dazu die Sonderschauen «Handwerk als Sprache» und «Moderne Kunst und Dekolonisation. Paris 1908–1988». Gezeigt werden da rund 50 Werke der Farjam Collection von arabischen Künstlern, die in Paris lebten.
Unübersehbar ist, dass mit der Messe die kulturelle Identität im Einklang mit den politischen Strategien Abu Dhabis gestärkt werden soll. Es geht um die Region, die sich zunehmend gen Osten orientiert. So steigt die Beteiligung asiatischer Galerien stetig, jene von westlichen Teilnehmern sinkt. Warum also sollte Abu Dhabi der Schweizer Messe Millionen Dollar für einen Einstieg zahlen?
Der Schritt wäre zwar vergleichbar mit dem Schachzug vor fast zwanzig Jahren, als für die geplanten Museen mit Louvre und Guggenheim berühmte westliche Brands als Namenszusätze und Leihgeber eingekauft wurden. Heute ist die Situation allerdings eine komplett andere. Louvre Abu Dhabi hatte 2023 rund 1,2 Millionen Besucher. Nächstes Jahr soll das Zayed National Museum und irgendwann auch das Guggenheim Abu Dhabi eröffnen. Schon jetzt gilt das Emirat als führendes Kulturzentrum der Region. Braucht es da noch ein westliches Back-up?
Chance für die Kunstszene
Oder ist alles nur ein haltloses Gerücht? Tatsächlich tastet sich die Art Basel leise an die Region heran. Schon letztes Jahr gab es Gerüchte über Treffen zwischen der Art Basel und Verantwortlichen in Katar. Vor wenigen Wochen veranstaltete die Art Basel eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema «Cultural crossroads, Hong Kong, Shanghai, Abu Dhabi». Auf ihrer Website ist ein informativer Essay über die Emirate als «global art power house» zu lesen.
Sicher ist, dass die Schweizer Muttergesellschaft MCH die Finanzspritze gut brauchen könnte. Aber wie würde ADA davon profitieren? Ginge nicht der spannende regionale Fokus verloren, der den Charme dieser Messe ausmacht? Etwa in dem Bereich «Gateway», wo heuer fünf Künstler aus Argentinien, Chile und Puerto Rico die tiefen Verbindungen zwischen arabischer und lateinamerikanischer Kultur betonen.
In Chile lebe die grösste palästinensische Diaspora ausserhalb arabischer Länder, erklärt die Kuratorin Odessa Warren. Hier zeigt auch die Künstlerin Mandy El-Sayegh eine grossartige Installation rund um das Thema transnationale Solidarität. Die Dubai-Galerie Lawrie Shabibi widmet ihr einen Solostand. Über die mit Gittern überzogenen Collagen verlaufen hier brachiale Panzerspuren, man erkennt darunter die Landkarte Palästinas.
Solche propalästinensischen Bildelemente werden auf der Messe deutlich kommuniziert – wäre das auch bei einer Art Basel Abu Dhabi möglich? Würde es nicht einen tiefen Eingriff in die regionale Kunstszene bedeuten? Ja, da sind sich die meisten lokalen Galerien und auch Kuratoren einig – einen positiven! Auf hartnäckiges Nachfragen kann sich Nusseibeh eine solche Kooperation ähnlich wie beim Guggenheim Abu Dhabi vorstellen: «Jedes Guggenheim ist regional anders», so vergleicht sie es. In Abu Dhabi sind DCT und die Guggenheim Foundation gleichwertige Partner.
Gelte dasselbe für eine gemeinsame Messe, betonen einige der Künstler, die gerade auf der parallel stattfindenden, ersten Public Art Biennale in Abu Dhabi ausstellen, wäre es eine grosse Chance für die regionale Kunstszene. Am Ende des Eröffnungsabends verbreitet sich dann das nächste Gerücht: Die Unterzeichnung des Vertrags zwischen MCH und DCT stehe unmittelbar bevor.