Absurditäten aus Baku – einem Ort, an dem Hoffnung und Verzweiflung gerade nah beieinanderliegen.
Er war nicht da, und doch redeten an der Uno-Klimakonferenz in Baku alle über Donald Trump.
Multilateraler Klimaschutz schien schon vor seiner Wahl zum Präsidenten schwierig. Es dürfte noch viel komplizierter werden, wenn sich die grösste Volkswirtschaft der Welt vom Pariser Klimaabkommen und damit von der geteilten Vision in der Klimapolitik verabschiedet.
Die meisten Umweltdiplomaten, die zurzeit über ein neues Finanzziel für den Klimaschutz verhandeln, sind dennoch überzeugt, dass ihre Bemühungen nicht zwecklos sind. Sie glauben, dass die USA nicht komplett aufgeben werden. Bidens Klimapakete bringe den republikanischen Gliedstaaten viele wirtschaftliche Vorteile, Trump würde das wohl kaum umkehren wollen, sagen die Optimisten unter ihnen.
Viele Nichtregierungsorganisationen sehen es tragischer: Trump sei eine «Abrissbirne» für die globale Klimadiplomatie, kommentierte die amerikanische Union of Concerned Scientists.
Ein Ereignis, zwei Interpretationen, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Doch gewissermassen ist die Doppeldeutigkeit typisch für den wichtigsten Klimagipfel des Jahres. Wo manche Hoffnung schöpfen, bleibt anderen nur die Verzweiflung.
Grossaufgebot fürs Klima
An der Uno-Klimakonferenz laufen viele Dinge parallel: Hinter verschlossenen Türen schmieden die Diplomaten Kompromisse. An Vorträgen und Info-Anlässen diskutieren Politiker mit Aktivisten. In einer grossen Messehalle haben Staaten, internationale Organisationen und Firmen Stände aufgebaut, an denen sie ihre eigenen Klimaprojekte erklären. Die Konferenz ist zu einem Mega-Event geworden.
Der jährliche Gipfel findet bereits zum 29. Mal statt und ist über die Jahre rasant gewachsen. An der letztjährigen Austragung in Dubai wurde ein neuer Besucherrekord aufgestellt: Laut der Uno besuchten 85 000 Personen die Konferenz. Dieses Jahr werden es zwar weniger sein. Die Veranstalter rechnen aber trotzdem damit, dass es die zweitgrösste aller bisherigen Konferenzen wird.
Zehntausende, die aus aller Welt zwei Wochen zusammenkommen und über das Klima reden – man kann das als positives Zeichen deuten. Viele scheinen noch an Lösungen im Klimaschutz zu glauben. Das Publikum an der Konferenz ist durchmischt, manche haben traditionelle Kleider aus ihrer Heimat angezogen. Indigene, die die Folgen des Klimawandels besonders stark zu spüren bekommen, tragen Gesichtsbemalung und Federschmuck. Viele Aktivisten haben sich eine Kufiya um den Hals gebunden und drücken damit ihre Betroffenheit gegenüber Palästina aus.
Besonders zahlreich angereist sind dieses Jahr aber auch jene, deren wirtschaftliche Existenz an Quellen fossiler Energie hängt. Viele Vertreter aus der Öl- und Gasbranche sind auf Einladung des Gastgeberstaats in Baku.
Präsident Ilham Alijew betont stets, dass die Welt Quellen fossiler Energie in der «Übergangsphase zur grünen Wirtschaft» nach wie vor brauche. 90 Prozent der Exportgüter seines Landes sind Öl- oder Gasprodukte. Meint es so ein Land ernst mit Klimazielen?
Klimaaktivisten sind skeptisch. Im Vorfeld der Konferenz gaben sich Mitarbeitende der Nichtregierungsorganisation Global Witness in einem Telefonat mit Elnur Soltanov, dem stellvertretenden Energieminister Aserbaidschans, als Vertreter einer Ölfirma aus. Sie boten ihm ein Sponsoring der Klimakonferenz an. Die einzige Bedingung: Soltanov soll den Kontakt zu Aserbaidschans staatlichem Energiekonzern Socar herstellen. Die Rechercheure erklärten, auch in die Förderung von neuen Gasfeldern investieren zu wollen. Kurz nach dem Telefongespräch mit Soltanov kontaktierte Socar sie.
Alle sind freundlich und hören zu
Am Messestand der deutschen Delegation spricht Vizekanzler Robert Habeck mit einigen jungen Klimaaktivisten. Alle sind höflich, alle sind freundlich, aber die Aktivisten sind überzeugt, dass Habeck und seine Amtskollegen in anderen Industrieländern nicht genug fürs Klima tun.
Ein indisches Mädchen bedankt sich bei Habeck dafür, dass er immerhin hier mit ihnen sitze und zuhöre. Habeck sagt: «Das ist doch normal, es sollte normal sein.»
Protestaktionen sind an der Klimakonferenz nur an wenigen Standorten erlaubt. Einer befindet sich gleich nach der Einlasskontrolle. Ein paar Personen haben sich vor der Werbebande versammelt, auf welcher der Petrostaat Aserbaidschan mit dem Motto «in Solidarität für eine grüne Welt» seine Vision für diese Konferenz vorstellt. «Wealth Tax Now» steht auf einem Schild der Demonstranten geschrieben. «Wir sind wütend», ruft ein Aktivist ins Mikrofon. Die meisten Konferenzteilnehmer hören ihm nicht zu. Gebückt eilen sie zum Verhandlungssaal.
Der engagierte Gastgeber
Bei der Vergabe eines Uno-Klimagipfels werden die Weltregionen abwechselnd berücksichtigt. Dieses Jahr war Osteuropa an der Reihe. Weil Russland die Vergabe an andere interessierte Staaten lange blockiert hatte, bekam Aserbaidschan die Zusage für den diesjährigen Anlass erst vor elf Monaten.
Viele Konferenzteilnehmer bezeichnen Aserbaidschan als engagierten Gastgeber, dem trotz kurzer Vorbereitungszeit ein gut organisierter Gipfel gelungen sei.
Ein Beispiel dafür ist das Transportwesen: Das Konferenzgelände liegt beim Nationalstadion, mit dem Auto eine halbe Stunde von der Innenstadt entfernt. Damit die Konferenzteilnehmer rechtzeitig beim Gelände eintreffen, haben die Veranstalter ein Shuttle-System mit 17 Buslinien aufgebaut. Die Fahrt ist kostenlos, einsteigen dürfen alle Personen mit Zutritt zur Konferenz. Abgesperrte Fahrstreifen sollen garantieren, dass kein Bus lange im Stau steht.
Aserbaidschan will ein freundlicher Gastgeber sein. Das Motto «in Solidarität für eine grüne Welt» hängt an Bannern und Fahnen in der ganzen Stadt. Auch neben den Gebäuden von Socar, dem Öl- und Gaskonzern.
Doch wer aufmerksam ist, findet zahlreiche Hinweise auf Aserbaidschans autoritären Staatsapparat. Das Polizeiaufgebot in der Innenstadt ist enorm: An praktisch jeder Strassenecke steht eine Fussgängerpatrouille. An der Promenade wird auf einer Werbebande mit gereckter Faust an den 8. November erinnert – den Tag, an welchem die Regierung im Konflikt um Nagorni Karabach 2020 den Sieg über die armenischen Streitkräfte ausrief. Porträtbilder des Präsidenten Ilham Alijew, oft in Militäruniform, hängen in zahlreichen Restaurants hinter der Theke.
Nächstes Jahr wird alles besser
Die Verhandlungen verlaufen dieses Jahr harzig. Manche fürchten gar, dass die Konferenz ohne Übereinkunft enden könnte.
Selbst davon wollen sich viele Konferenzteilnehmer aber nicht unterkriegen lassen. Auch wenn die Verhandlungen dieses Jahr enttäuschend enden sollten, kommt der nächste Klimagipfel schon bald.
Im kommenden Jahr findet die Uno-Klimakonferenz in Belém statt. Die Stadt liegt nahe den gerodeten Wäldern im Amazonasgebiet. Viele Klimaaktivisten hoffen, dass den Verhandlern dadurch deutlich wird, was auf dem Spiel steht. Und im Gegensatz zu Ilham Alijew sei Brasiliens Präsident Lula da Silva in der Klimapolitik ein glaubwürdiger Verhandlungspartner.
Doch wer garantiert, dass es nächstes Jahr wirklich anders wird?
Das grösste Unternehmen Brasiliens heisst Petrobras – schon wieder ein Ölkonzern. So schnell wird die Uno-Klimakonferenz ihre Gegensätze nicht los.