Freitag, Januar 31

Endet der Januar, schwinden oft auch die guten Vorsätze. Wie wird aus der blossen Absicht, sich mehr zu bewegen, eine Routine, die Spass macht? Ein Sportmediziner und ein Fitnesscoach wissen Rat.

Der Januar ist der Monat der guten Vorsätze. Das Jahr ist jung, der Wille noch ungebrochen. Nicht mehr rauchen, gesünder essen, sich mehr bewegen – wir alle kennen die Vorhaben, die uns wiederkehrend ins neue Jahr begleiten. Doch spätestens wenn die ersten zwei, drei Wochen vergangen sind, schwinden auch der gute Wille und die Zuversicht, die Absichten verlieren an Bedeutung. Spätestens mit dem Beginn des Februars kehrt meist der Alltag zurück.

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Sich neue Verhaltensweisen vorzunehmen, ist das eine. Diese dann tatsächlich umzusetzen, etwas völlig anderes. Das verdeutlicht eine Studie der australischen Edith Cowan University in Perth mit 180 australischen und britischen Personen zwischen 18 und 77 Jahren. Zwei von drei Befragten waren innerhalb nur eines Monats von ihren Neujahrsvorsätzen abgekommen: Spätestens am 31. Januar hatten sie ihre Vorsätze aufgegeben und waren zu ihren alten Gewohnheiten zurückgekehrt.

Um Gewohnheiten zu ändern, benötigt man 66 Tage

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Es fällt ihm schwer, sich aus festgefahrenen Mustern zu lösen und diese zu ändern. Verhaltensforscher sagen, man müsse Neues über 66 Tage täglich wiederholen, ehe es zu einer Gewohnheit werde. 66 Tage nacheinander morgens auf der linken statt der rechten Seite des Bettes aufzustehen, das mag ja noch umsetzbar sein. Doch wer will schon die Art verändern, wie er morgens aus dem Bett steigt? An 66 aufeinanderfolgenden Tagen joggen zu gehen, ist dagegen ein ungleich schwierigeres Vorhaben. Vor allem, wenn der Körper solche Strapazen bisher nicht gewohnt ist.

Besser funktioniert es, wenn man sich kleinere Ziele setzt und behutsamer beginnt. Der deutsche Internist und Buchautor Ulrich Strunz hatte in den 1990er Jahren grosse Erfolge mit seinem Leichtlaufprogramm «Forever young». In diesem propagierte er die Langsamkeit in Sportschuhen und versuchte die Jogging-Bewegung von ihrem verbissenen, schweisstreibenden Image zu befreien. Strunz warb in seinen Büchern für einen langsamen, gemächlichen Laufstil im sogenannten «Wohlfühltempo». Er selbst wurde dank seinem Programm zum Triathleten. 2006 verunfallte er auf Mallorca auf dem Rennrad schwer und beendete danach seine aktive Karriere als Sportler. Aber seine Ideen und Bücher finden weiterhin Anhänger.

Doch wo liegt dieses oft zitierte «Wohlfühltempo» genau? Und wie erreicht man es? Langsam und lächelnd zu joggen, ist sicher kein schlechter Rat für Lauf-Einsteiger. Wer von Beginn an zu viel Gas gibt, wird bald schon mit körperlichen Problemen kämpfen und die Freude am Laufen verlieren.

Dominik Eggenberger ist Sportmediziner und Leiter Medizin des von Swiss Olympic zertifizierten Medical Center Medbase im Panorama-Center von Thun. Er berät auch professionelle Athleten beim Leistungsaufbau. Auch Eggenberger rät Lauf-Einsteigern, es gemächlich anzugehen. «Viele Einsteigerinnen und Einsteiger tendieren dazu, zu schnell und zu Trainingsbeginn auch zu häufig zu laufen. So bleiben die Fortschritte allenfalls aus, eventuell treten sogar zusätzlich gesundheitliche Beschwerden am Bewegungsapparat auf. Die Freude am neuen Hobby verschwindet dann schnell wieder.»

Wer bei Eggenberger Rat sucht, muss zuerst aufs Rad steigen. Zunächst führt der Mediziner auf einem Fahrrad-Ergometer eine sogenannte Spiro-Ergometrie durch. Eggenberger sagt: «Auch eine direkte Analyse auf dem Laufband wäre möglich. Auf dem Laufband gibt es untersuchungsbedingt aber eher mehr Ungenauigkeiten.» Deshalb testet Eggenberger primär auf dem Fahrrad.

Die Spiro-Ergometrie ist ein diagnostisches Verfahren, bei dem durch Messung der Atmung (Fluss-/Volumenmessung) und der Atemgase unter fortlaufender EKG-Ableitung während einer körperlichen Belastung die Reaktionen von Herz, Kreislauf, Atmung und Stoffwechsel untersucht werden. Aufgrund der Resultate beurteilt der Sportmediziner danach die sogenannten ventilatorischen Schwellen und somit die Puls-Bereiche, in denen der Proband nach dem Test sinnvollerweise trainieren sollte.

Die Arbeit aber nehmen einem die eruierten Daten nicht ab. Eggenberger rät Sport-Neulingen oder -Rückkehrern, die eine längere Pause gemacht haben, zuerst im aeroben Bereich zu trainieren. Ein oft zitierter und auch verlässlicher Ratschlag: Man muss sich dabei noch problemlos unterhalten können. Dann stimmt auch die Intensität einigermassen.

Diese Phase, die zum Aufbau der Grundkondition dient, kann je nach körperlichen Voraussetzungen viele Monate, zuweilen sogar Jahre dauern. Das Training in diesen niedrigen Puls-Bereichen ist wenig anstrengend, kann aber trotzdem schweisstreibend sein. Das Tempo ist zuweilen so langsam, dass man sich immer wieder selbst zügeln muss und sich fast schon als Spaziergänger fühlt.

Doch je nach körperlicher Voraussetzung sind schnell Fortschritte zu sehen. Bereits nach wenigen Wochen Training fällt es einem bedeutend leichter, in den vorgeschriebenen Puls-Bereichen zu bleiben. Und mit dem Erfolg wächst auch die Freude am Training. Das Festhalten am Vorsatz fällt leichter. Die Einheiten in gemächlichem Tempo und tieferen Puls-Bereichen bleiben ein fester Teil des Formaufbaus und sind eine angenehme Regeneration, die nicht nur zur physischen, sondern auch mentalen Entspannung beiträgt. Die Qualität des Schlafs wird besser, die Laune steigt.

Der einzige Parameter, der beim Probanden initial oftmals keine Veränderung zeigt, ist das Gewicht. Dieses bleibt oft über längere Zeit mehr oder weniger stabil. Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, dass sich in kurzer Zeit allein mit mehr Bewegung auch Gewicht verlieren lässt. Viel wichtiger ist in dieser Hinsicht die Ernährung. Nur wer auch diese umstellt, kann nachhaltig abnehmen. Relevante und dauerhafte Stoffwechsel-Veränderungen durch Ausdauertraining allein können auch einmal bis zu zwei Jahre auf sich warten lassen. Und schon sind wir zurück bei den guten Vorsätzen, die auf Dauer so schwer umzusetzen sind.

Der Praktiker rät, ein Trainings-Tagebuch zu führen

Lukas Markwalder ist Fitnesstrainer und Personal Coach im Trainings- und Rehabilitationscenter TRC in Spiez, einer Physiotherapiepraxis mit angeschlossenem Fitnesscenter, die rekonvaleszente Patienten ebenso betreut wie ambitionierte Freizeitsportler und Athleten mit professionellem Leistungsanspruch. Die norwegischen Skifahrer etwa trainieren zwischen den Weltcup-Rennen in Adelboden und Wengen jeweils im TRC. Und auch der frühere Abfahrtsweltmeister Bruno Kernen gehörte während seiner Aktivzeit zu den regelmässigen Gästen im Trainingscenter.

Markwalder studierte an der Universität in Bern Sportwissenschaft. Er begann bereits während des Studiums mit der Betreuung und Beratung von Athletinnen und Athleten, aber auch Freizeitsportlern. Markwalder kennt das Phänomen des schlechten Gewissens und der abnehmenden Motivation aus seiner täglichen Arbeit. «Im Dezember, aber auch im Januar nehmen bei uns die Anmeldungen und Abonnementsverkäufe jeweils markant zu. Wie viele neue Kunden wir dann haben, hängt auch von den äusseren Bedingungen ab. Liegt draussen Schnee und ist das Wetter gut, dann sind es weniger, als wenn es nasskalt und trüb ist.»

Markwalder sagt, spätestens wenn die Tage länger und die Temperaturen wieder höher würden, nehme der Trainingsfleiss merklich ab: «Es gibt dann Leute, die sehen wir erst im Herbst wieder, wenn das Wetter langsam wieder umschlägt und ihnen plötzlich in den Sinn kommt: ‹Ah, ich habe ja noch ein Fitness-Abo.›»

Immer wieder wird der 34-Jährige gefragt: Was soll ich tun, wenn sich der innere Schweinehund meldet und mir nach allem anderen als Training ist? «Aus meiner Erfahrung weiss ich, dass es hilft, ein Trainings-Tagebuch zu führen, in dem man die Fortschritte schwarz auf weiss sieht. Nichts motiviert mehr als der Erfolg.» Gleichzeitig rät Markwalder seinen Klienten, im Training nicht immer nur die gleichen Routinen beizubehalten. «Wer regelmässig neue Akzente setzt und sein Training leicht umstellt, der macht nicht nur die grösseren Fortschritte, sondern hat auch länger Spass am Training.»

Der Sportmediziner sagt, in Bewegung zu bleiben, lohne sich

Und welchen Tipp würde Dominik Eggenberger all jenen Sportlerinnen und Sportlern geben, die voller guter Vorsätze ins neue Jahr gestartet sind und nun nach nur einem Monat bereits gegen den inneren Schweinehund kämpfen müssen, der unüberhörbar zu knurren begonnen hat? Eggenberger sagt: «Als überzeugter Sport- und Bewegungsmediziner freut es mich immer, wenn sich Menschen, gerade in der heutigen Gesellschaft, mehr bewegen. Grundsätzlich rate ich jedoch oft von kurzfristigen Vorsätzen ab und versuche zusammen mit den Sportlerinnen und Sportlern dauerhafte Motivations- und Beweggründe zu erarbeiten, weshalb sich Bewegung sowieso lohnt.»

Wer wisse, wofür er sich bewege, erziele oft schon bald sichtbare Fortschritte, wobei Sport und auch jede andere Art von Bewegung individuell in den Alltag integriert werden könnten. So wird die Anstrengung auch nicht zur Pflicht oder, im schlimmsten Fall, sogar zur Qual. Zentral seien realistische Ziele und eine individuelle Trainings- und Sport-Beratung. «Hier begleite und unterstütze ich oft auch über längere Zeit, bis sich das Verhalten dauerhaft verändert hat.»

Wer von seinem Vorhaben überzeugt ist, dem fällt es auch leichter, dauerhaft dranzubleiben und dem inneren Schweinehund die kalte Schulter zu zeigen. Eggenberger sagt: «Eine schönes Beispiel hierzu habe ich vor kurzem in einer findigen Werbung gesehen, in der gefragt wurde: ‹Würden Sie für Ihre Kinder sterben? Warum nicht fit und gesund werden für sie?›»

Was die Werbung damit meinte: Bewegung verlängert nicht nur das Leben, sie erhöht auch die Lebensqualität, die man in dieser Zeit hat. Was bringt einem die zusätzliche Lebenszeit, wenn man diese mit schmerzenden Gliedern auf dem Sofa verbringt? Besser wäre es doch, diese mit den Kindern oder Freunden in der Natur zu verbringen und Spass an der Bewegung zu haben?

Dominik Eggenberger sagt: «Meist findet sich für fast jeden ein Grund, wieder aktiver zu werden. Für die Kinder oder auch einfach für sich selber.» Jede Reise, auch die zu sich selbst, beginnt mit einem ersten Schritt.

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