Dienstag, Februar 4

Die USA wollen der Schweiz künftig weniger KI-Hochleistungschips liefern. Das trifft Schweizer Startups und Hochschulen wie die ETH – und hat mögliche Auswirkungen auf den Technologiestandort.

Top-Hochschulen wie die ETH, gute Infrastruktur, hoch qualifizierte Arbeitskräfte: In der Tech-Branche gilt die Schweiz als Musterschülerin, als ein guter Standort für Forschung und Innovation. Aber die Startups, die aus den Schweizer Universitäten hervorgehen, muss die Schweiz auch halten können. Gerade das scheint derzeit jedoch zunehmend infrage gestellt.

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Mit dem Roboterhersteller Anybotics erwägt nun ein bekanntes Schweizer Startup und ETH-Spin-Off, seine Produktion ins Ausland zu verlagern. Das hat mit einer Entscheidung der USA zu tun.

Die Schweiz spürt den Druck der USA

Im Januar hat die Biden-Regierung verkündet, ab Mai die Ausfuhr von Hochleistungs-Chips in die Schweiz einzuschränken – wohl, um zu verhindern, dass sie nach Russland oder China gelangen könnten. Solche Chips werden für das Training von rechenintensiven KI-Modellen benutzt. Wirtschaftsminister Guy Parmelin äusserte sich im Interview gegenüber der NZZ am Sonntag Ende Januar besorgt über die Restriktionen der USA: «Wir kritisieren diesen Entscheid, und wir werden versuchen, ihn umzustossen.»

Die Nachricht aus den USA beunruhigt Schweizer Startups. Péter Fankhauser ist CEO und Mitgründer des Robotik-Startups Anybotics, ein Spin-Off der ETH, das 2016 am Institut für Robotik und Intelligent Systems entstanden ist und das heute über 200 Personen beschäftigt.

Fankhauser sieht die Exportbeschränkung der USA kritisch. Er sagt: «Wir bereiten uns auf den Ernstfall vor». Momentan produziere Anybotics seine Roboter in der Schweiz. Doch: «Wir haben uns so vorbereitet, dass wir sie im Notfall im Ausland produzieren könnten.»

Anybotics stellt Roboter her, die in der Industrie an für Menschen gefährlichen Orten Messungen durchführen können, etwa in Elektrizitätswerken oder Chemieanlagen. Zu den Kunden des Unternehmens gehören Siemens, Axpo oder Shell. In der letzten Finanzierungsrunde im Dezember hat Anybotics 60 Millionen Dollar von Risikokapitalgebern eingesammelt, die Gesamtfinanzierung liegt damit bei 130 Millionen Dollar.

Abwanderung aus der Schweiz als strategische Überlegung

Für das Training seiner Roboter nutzt Anybotics KI-Modelle, welche es mit Hochleistungs-Chips vom Chiphersteller Nvidia trainiert. Zusätzlich installiere Anybotics auch kleinere Chips direkt in ihren Robotern, sagt Fankhauser. Diese seien zwar schwächer als Hochleistungschips und von den Exportkontrollen der USA nicht betroffen. Doch das könnte sich jederzeit ändern.

Also hat Anybotics vorgesorgt. Das Startup arbeitet mit einem Elektronikfertiger zusammen, der Standorte in Europa, Asien und den USA hat. Fankhauser sagt: «Wenn es hart auf hart kommt, könnten wir unsere Roboter zum Beispiel direkt vor Ort in den USA produzieren und dann lokale Grafikkartenchips benutzen.»

Fankhauser sagt, auch andere Startups stellten sich nach den US-Exportbeschränkungen für KI-Chips die Frage, ob man in der Schweiz benachteiligt sei. Sie bereiteten sich ebenfalls auf Einschränkungen vor. «Noch sprechen wir von keinem Katastrophenfall, die Schweiz ist noch immer gut aufgestellt. Aber es ist eine bedauerliche Entwicklung.»

Das sei insbesondere deshalb schade, weil man in der Schweiz über das nötige Know-How verfüge: «Wir haben starke Maschinenbau-Ingenieure und -Ingenieurinnen kombiniert mit viel Software-Wissen. Hochschulen wie die ETH sind weltweit führend.»

Die Vorbereitungen, die Produktion ins Ausland auszulagern, treffen Fankhauser und sein Team aus strategischen Überlegungen. Fankhauser sagt, die verschärften Import-Zölle von Staaten wie der USA stärkten den Trend zur lokalen Produktion. Eine solche sei daher gerade für das US-Geschäft sinnvoll. Die Wertschöpfungskette vollständig zu verlagern, sei jedoch weder wirtschaftlich noch technisch machbar, da viele Vorprodukte international bezogen würden.

Signalwirkung an Schweizer Unternehmen und Arbeitskräfte

Die Tendenz, aufgrund von US-Protektionismus vermehrt lokal herzustellen, Produkte also in den USA für die USA zu produzieren, hat seit vergangenem Wochenende zusätzlichen Aufwind bekommen. Donald Trump sagte am Sonntag, er wolle künftig auch europäische Länder mit verschärften Einfuhrzöllen belegen.

Fankhauser ist vorbereitet: «Wir haben gerade ein Büro in San Francisco eröffnet, das gibt uns weiteren Spielraum.»

Doch es geht nicht nur darum, wie Vorzeige-Startups wie Anybotics strategisch auf geopolitische Herausforderungen reagieren. Sondern welche Wirkung sie mit ihrer Reaktion auf andere ausüben. Denn wenn Startups wie Anybotics erwägen, ihre Produktion aus der Schweiz abzuziehen und sich vermehrt ins Ausland orientieren, sendet das ein Signal an andere Jungunternehmen und hochqualifizierte Arbeitskräfte.

Dieses Risiko ist auch Rahul Sahgal bewusst. Er leitet die Schweizerisch-amerikanische Handelskammer Amcham. Sahgal sagt: «Wir müssen dafür sorgen, dass wir innovative Firmen halten können.» Man müsse vermeiden, dass Startups in der Schweiz die ersten Finanzierungsrunden durchliefen und die besten Talente aus der ETH anzögen, nur um danach ins Ausland abzuwandern.

Die ETH ist denn auch im Fokus der Diskussion. Auf Anfrage schreibt Christian Wolfrum, Vizepräsident für Forschung der ETH Zürich, ein möglichst uneingeschränkter Zugang zu Hochleistungschips sei für die ETH Zürich und den ganzen Forschungsplatz Schweiz sehr wichtig. Mit der nun durch die USA vorgesehenen Exportbeschränkung stünden der Schweizer Forschung und Privatwirtschaft insgesamt wohl zu wenig Hochleistungschips zur Verfügung, um «mittelfristig im KI-Rennen mit den Besten mithalten zu können».

Die ETH Zürich begrüsse es daher, wenn sich der Bund für einen bevorzugten Zugang zu amerikanischen Hochleistungschips einsetze. Die angedrohte Einschränkung solle auch ein Zeichen für die Schweiz sein, Abhängigkeiten im Bereich der KI weiter zu verringern.

Edouard Bugnion, Vizepräsident für Innovation und Impact der ETH Lausanne, schreibt auf Anfrage, sich zur politischen Handhabung der Situation durch die Schweizer Behörden nicht äussern zu wollen. Eine mögliche Zugangsbeschränkung von KI-Hochleistungschips wäre jedoch eine schlechte Nachricht.

Ein Deal zwischen der Schweiz und den USA

Sahgal sagt, die Schweiz müsse nun dafür sorgen, wieder auf die Liste der privilegierten Länder zu kommen. «Meine Forderung ist, dass wir nach Washington gehen, und vorstellig werden.» Der Erlass der USA zu den Exportbeschränkungen sei momentan noch in der Kommentierungs-Periode, noch könne man ihn umkehren.

Aktuell analysiere die Amcham zusammen mit dem Seco den Beschluss der USA, um mögliche Gründe herauszufinden, sagt Sahgal. Sobald diese klar seien, könne man in einem zweiten Schritt mit den USA verhandeln.

Das Seco schreibt auf Anfrage, es fänden derzeit Gespräche mit den zuständigen Stellen in den USA statt. Deren Ziel sei es, dass der Technologiefluss aus den USA in die Schweiz nicht behindert, und damit der Schweizer Industrie- und Forschungsstandort nicht beeinträchtigt werde.

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