Mittwoch, Oktober 9

Sie gingen als das berühmteste Gangster-Liebespaar in die Geschichte ein und prägen bis heute die Pop-Kultur. Dabei waren Bonnie und Clyde skrupellose Mörder.

Der gefürchtetste Mörder des Südwestens wurde im Sonnenuntergang begraben, auf einem kalkhaltigen Hügel nahe seines Elternhauses im Westen von Dallas. Das berichtete die «New York Times» am 26. Mai 1934, drei Tage nachdem der so schreckenerregende Clyde Barrow erschossen worden war. Jener Mann, der als Teil des wohl berühmtesten Gangster-Liebespärchens mit seiner Partnerin Bonnie Parker in die Geschichte einging. Und bis heute, 90 Jahre nach dem gemeinsamen Tod, Einfluss auf die internationale Pop-Kultur nimmt. Eine Entwicklung, die sich damals zumindest schon angedeutet hat.

Das Gedränge der Masse sei bei der Beerdigung so gewaltig gewesen, dass eine Tante und eine Cousine Clydes während der Zeremonie in Ohnmacht gefallen seien. Souvenirjäger grapschten sich Rosen und Gladiolen vom Grabhügel, noch während Clydes weinende Mutter weggeführt wurde. Tausende hatten zuvor einen Blick auf die Leichen werfen wollen, sich zwei Tage und zwei Nächte lang um das Bestattungsunternehmen gedrängt, in dem die Körper von Bonnie und Clyde lagen. Einem Paar, das fünf Jahre lang Terror über den Mittleren Westen der USA gebracht hatte. So berichtete die «New York Times» damals weiter.

Bonnie und Clyde waren skrupellose Mörder. Extreme Vorsicht sei geboten, hiess es in der Fahndung nach den beiden damals. Sie wurden gesucht im Zusammenhang mit Angriffen auf Polizisten und Tötungen von solchen. Zeitungen beschrieben sie als zwei der gefährlichsten Verbrecher in Amerikas Geschichte. Insgesamt töteten Bonnie und Clyde 14 Personen. Zu zweit oder mit Komplizen schlugen sie sich in geklauten Autos durch verschiedene Gliedstaaten. Brauchten sie Geld, überfielen sie vorzugsweise Tankstellen und kleinere Läden. Bis die Polizei am Tatort auftauchte, waren sie stets verschwunden.

Ein Katz-und-Maus-Spiel, das Leser begeistert

Daraus entwickelte sich ein Katz-und-Maus-Spiel, von dem Zeitungen im ganzen Land fasziniert und ausführlich berichteten. Aus den mordenden Schwerverbrechern Bonnie und Clyde wurden Idole weit über ihre Generation hinaus.

Forscher sehen dies begründet zum Teil in der Zeit ihrer Taten. Diese fielen in die Epoche der Weltwirtschaftskrise zwischen 1929 und 1933, als ein Viertel der Amerikaner arbeitslos war und viele bettelarm wurden. Gerade diese Menschen konnten sich mit Bonnie und Clyde als Rebellen gegen das gescheiterte System und die grassierende Armut identifizieren. Manche feierten sie ein wenig wie Robin Hood – die Rächer für das Versagen des Staates.

Spätestens mit der Verfilmung ihrer Geschichte 1967 mit Faye Dunaway und Warren Beatty in den Hauptrollen wurden Bonnie und Clyde zur Legende. Kritiker sahen in dem zunächst verrissenen, dann gefeierten Film einen Wendepunkt des amerikanischen Kinos. Der Film «Bonnie und Clyde» gilt seitdem als ein Wegbereiter für die kurze Ära des «New Hollywood», in der die Filme auf einer gesellschaftskritischen Haltung basierten und mit Aussenseiterprotagonisten experimentierten. Ohne die traditionellen Genrekonventionen, ohne Happy End.

Inspiration für Beyoncés ersten Top-Ten-Hit

Es gibt Lieder, Gedichte und Bücher in etlichen Sprachen, die vom gesetzlosen Pärchen inspiriert sind. «Auch wenn uns die ganze Welt verfolgt, wir kümmern uns nicht drum. Denn wir sind Bonnie und Clyde», sangen zum Beispiel die Toten Hosen 1996. Oder das Lied «Bonnie & Clyde», das 2002 die erste Top-Ten-Single des heutigen Superstars Beyoncé wurde: «Zusammen fahren wir bis zum bitteren Ende, ich und mein Mann.»

All diese Werke schafften eine Faszination, die bis heute andauert. 2012 erzielten einige Habseligkeiten von Bonnie Parker und Clyde Barrow auf einer Auktion mehr als eine Million Dollar. Viel mehr, als die beiden zu Lebzeiten erbeutet hatten.

Schon damals, aber erst recht nach ihrem Tod wurden sie romantisiert. Ihre Geschichte begann auf der einen Seite mit Bonnie, die nach einer gescheiterten Ehe als Kellnerin jobbte und von einer Karriere als Sängerin oder Schauspielerin träumte. Und auf der anderen Seite mit Clyde, dem Sohn verarmter Farmer, der als Kleinkrimineller zu einer Haftstrafe verurteilt wurde und im Gefängnis einen Mitinsassen zu Tode prügelte. Als sich die beiden trafen und sich ineinander verliebten, war sie 19, er 21 Jahre alt.

Landesweit berühmt wurden Bonnie und Clyde durch einen Zwischenfall im Frühjahr 1933. Sie versteckten sich mit Komplizen im Gliedstaat Missouri, wo sie nach einigen Wochen entdeckt wurden. Als Polizisten ihren Unterschlupf durchsuchen wollten, tötete die Bande zwei Beamte und floh. Unter den Gegenständen, die sie zurückliessen, fanden Polizisten ein Foto von Bonnie und Clyde, das dann in unzähligen Zeitungen gedruckt wurde: Bonnie, wie sie spielerisch ein Gewehr auf Clyde richtet.

Fotos wie dieses verliehen dem Paar ein glamouröses Image. Die «New York Times» befeuerte dieses, indem sie Clyde als «berüchtigten texanischen ‹bad guy› und Mörder» bezeichnete und Bonnie dessen «Zigarre rauchende, schnell schiessende Komplizin» nannte. Wer in alten Zeitungsartikeln recherchiert, findet schnell unterschiedliche Angaben: Rauchte Bonnie wirklich Zigarren? Gab sie jemals einen einzigen Schuss ab? Fragen wie diese beeinflussten die Legendenbildung nicht.

Erzählungen wie die von Bonnie und Clyde oder anderen Kriminellen jener Zeit wie John Dillinger, George («Baby Face») Nelson oder Charles Arthur («Pretty Boy») Floyd passten in die amerikanische Literaturentwicklung jener Epoche. Protagonisten scheiterten regelmässig an der Härte des Kapitalismus, verarmten Bauern wurden amerikanische Tugenden wie Beharrlichkeit und hartes Arbeiten angedichtet, durch die sie die finanzielle Krise überstanden. Oder sie waren Verbrecher, die eine utopische Vorstellung von Freiheit antrieb.

So wie Bonnie Parker und Clyde Barrow eben.

Nur, dass diese ihre selbstgewählte Krise nicht überstanden. Frank Hamer, ein pensionierter, für seine Gnadenlosigkeit bekannter Texas-Ranger, lockte das Paar auf dem Highway 154 zwischen zwei Dörfern im Norden des Gliedstaats Louisiana in einen Hinterhalt. Clyde stoppte den – heute in einem Museum ausgestellten – Ford, den sie geklaut und gefahren hatten. Sechs Häscher eröffneten auf Hamers Kommando hin das Feuer.

Dem «St. Louis Post Dispatch» erzählte Hamer, dass fünfzig Schüsse Bonnie und Clyde getroffen hätten. «Wir haben den Teufel aus ihnen herausgeschossen. Das ist alles», sagte er. Clyde sei gestorben mit einer Pistole in seinen Händen, ohne ein letztes Wort zu sagen. Bonnie starb laut dem Bericht mit ihrem Kopf zwischen den Knien und einem Maschinengewehr auf ihrem Schoss. Sie umklammerte ein blutgetränktes Zigarettenpäckchen mit ihrer linken Hand.

Ihr letzter Wunsch wurde den beiden verwehrt. «Eines Tages werden sie zusammen untergehen, und man wird sie Seite an Seite begraben», hatte Bonnie in einem Gedicht geschrieben, das sie ihrer Mutter bei ihrem letzten Besuch gab. Doch Bonnies Mutter war dagegen – Bonnie und Clyde fanden ihre letzte Ruhe auf unterschiedlichen Friedhöfen.

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