Unerwartet rasch haben sich China und die USA in Genf geeinigt. Die Staatspropaganda sagt, die harte Linie gegenüber Trump habe zum Erfolg geführt.

Chinesische Parteifunktionäre lächeln selten. Doch als sie am Sonntagabend nach den Verhandlungen mit den Amerikanern in Genf vor die Presse traten, grinsten sie. Sie hatten allen Grund dazu, wie sich am Montag zeigte: Die USA und China verkündeten eine überraschende Übereinkunft im Handelsstreit. Beide Länder versprachen, ihre Strafzölle für 90 Tage zu reduzieren, die USA auf 30 Prozent, China auf 10 Prozent. Das ist eine unerwartet rasche Beruhigung eines Konflikts, der sich in den vergangenen Wochen ebenso rasch hochgeschaukelt hatte.

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«Lang lebe das Mutterland!»

In China lässt sich das Abkommen leicht als politischer Erfolg verkaufen. Es sei der unbeugsamen Haltung Chinas zu verdanken, dass dieses Abkommen nun erreicht worden sei, schreibt am Montag Yuyuan Tantian, ein staatsnaher Social-Media-Account. Chinas Gegenmassnahmen hätten die amerikanische Regierung dazu gebracht, die Zölle auf das Ausgangsniveau zu senken. Der einflussreiche chinesische Journalist Hu Xijin schrieb auf Weibo, dem chinesischen Pendant zu X, kein anderes Land habe es bis heute geschafft, eine solch faire Einigung zu erzielen. Das sei nur gelungen, weil China für sich eingestanden sei. Tatsächlich dürfte Trump vor allem unter dem Druck der Innenpolitik und der Finanzmärkte eingelenkt haben. Trumps Geldgeber wandten sich von ihm ab, immer mehr republikanische Senatoren kritisierten ihn offen.

Bei den Chinesen kommt die Nachricht von der unverhofften Einigung mit den USA jedenfalls gut an. «Die erste Schlacht des Handelskriegs haben wir gewonnen», schreibt ein Nutzer namens Dan Gao unter einem Artikel zum Thema auf der Nachrichtenplattform Toutiao. «Trump ist zwar ein Barbar, aber wenn ein Land Stärke zeigt, respektiert er das», meint ein Onkel Afan. Und immer wieder schreiben chinesische Patrioten in den Kommentaren: «Lang lebe das Mutterland!»

Die Chinesen verfolgen den Handelsstreit gegen die USA unter Donald Trump genaustens. Es geht den Chinesen um viel mehr als um Zölle: Es geht ihnen um Nationalstolz, darum, als ebenbürtige Grossmacht anerkannt zu werden. Nachrichten zum Handelsstreit landen immer sofort in den Trends auf Social Media, werden tausendfach kommentiert.

So jubelten die Nutzer in den sozialen Netzwerken jeweils, wenn China bei jeder Zollerhöhung der USA mit Gegenzöllen reagierte. Für Chinas Staatspropagandisten liefert Trumps Politik die beste Vorlage, um zu zeigen, dass man sich von den USA nicht mehr einschüchtern lassen will, sondern Verhandlungen auf Augenhöhe fordert.

«Genosse Trump»

Trump hat in China bereits zahlreiche Spitznamen. Er wird zum Beispiel das «Zoll-Dornröschen» genannt. Damit wird suggeriert, dass Trump in einem Märchen lebt, in dem Strafzölle funktionieren. Am beliebtesten ist jedoch «Genosse Trump»: Der Spitzname steht dafür, dass Trump mit seiner Politik den USA schade und China helfe.

Dass der Zollkrieg mit den USA in China zum nationalen Spektakel wurde, ist gewollt. Chinas Staatsmedien und Propagandaabteilungen begleiten den Zollkonflikt sorgfältig. Sei stellen ihn als den verzweifelten Versuch eines Hegemonen dar, seine Bedeutung in der Welt zu retten, indem er gegen die aufsteigende Grossmacht austeilt. Trumps Strafzölle stellten die Interessen der USA über die Interessen der Staatengemeinschaft und der eigenen Bevölkerung, lautete die offizielle Linie. Die USA schade sich damit letztlich selbst. China glaube nicht an die Wirksamkeit eines Handelskrieges, fürchte ihn aber auch nicht.

Gleichzeitig will Chinas Kommunistische Partei ihre über 90 Millionen Mitglieder auch beruhigen. Chinas Wirtschaft sei resilient genug und die Politik gut vorbereitet auf einen langfristigen Konflikt mit den USA, schrieb die Partei etwa in ihrem Hauptorgan, dem Magazin Qiushi, Anfang Mai. China hat in den vergangenen Jahren seine Exporte vermehrt in Märkte Asiens, Lateinamerikas und Afrikas umgelenkt. Zudem hat es Strategien vorbereitet, um im Zollkrieg sofort mit Gegenzöllen, Exportkontrollen oder Beschwerden bei der Welthandelsorganisation reagieren zu können. China ist weniger verwundbar als während Trumps erster Amtszeit.

Die Unsicherheit bleibt

Doch die USA bleiben ein zentraler Markt. Die amerikanischen Zölle drohen in China zahlreiche Fabriken stillzulegen, Millionen von Stellen stehen auf der Kippe, und das bei einer bereits stagnierenden Wirtschaft. Doch darüber wird auf Social Media kaum gesprochen. Was den Zensoren nicht passt, löschen sie.

Wer in der vor Patriotismus triefenden Kommentarspalte länger sucht, findet dennoch kritische Stimmen zu der vorläufigen Einigung mit den USA. Einige raten davon ab, die Exportbeschränkungen von seltenen Erden an die USA aufzuheben und damit ein Verhandlungspfand abzugeben. Andere schreiben, die Zölle der USA seien mit 30 Prozent immer noch hoch. Wiederum andere mahnen, dass Trump nicht zu trauen sei. China müsse damit rechnen, dass Trump bereits morgen das Abkommen breche und erneut die Zölle gegen China erhöhe.

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