Mittwoch, Februar 12

Die Gemeindepräsidentin von Rüti, Yvonne Bürgin, sagt im Interview, weshalb sie nicht an die Zukunft des Spitals glaubt.

Das Zürcher Regionalspital Wetzikon bangt um seine Existenz, und bisher schien es stets, als könne es dabei auf die politische Unterstützung der zwölf Gemeinden zählen, denen es gehört. Doch am Dienstag wurde publik: In zweien von ihnen, Rüti und Bubikon, sind die Gemeindeexekutiven nicht bereit, den Rettungsplan auf dem Buckel der Steuerzahler durchzuziehen.

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Das Spital Wetzikon ist in akute Finanznot geraten, weil es 2014 zur Realisierung eines Neubaus am Markt eine Anleihe über 170 Millionen Franken aufnahm. Als es diesen Betrag per Juni letzten Jahres hätte refinanzieren sollen, zeigte sich niemand dazu bereit, das Geld zu leihen. Auch nicht der Kanton Zürich, bei dem das Spital hilfesuchend anklopfte. Die Konsequenz: Das Spital konnte die Forderungen der Anleihegläubiger nicht bedienen.

Seither arbeitet es an einem Sanierungsplan. Dabei gaben in erster Linie die unterschiedlichen Anteile von Eigentümergemeinden und den Gläubigern zu reden. Denn während Erstere lediglich 50 Millionen Franken zur Sanierung beitragen wollten, sollten Letztere auf Forderungen über 180 Millionen Franken verzichten.

Jetzt zeigt sich aber, dass die Gemeindevertreter auch untereinander nicht einig sind. Sollten Rüti und Bubikon tatsächlich nicht mitmachen, würden auf Gemeindeseite 10 der benötigten 50 Millionen Franken fehlen. Das letzte Wort haben die dortigen Stimmberechtigten, die im Juni beziehungsweise im November entscheiden. Die Vertreter der zehn Gemeinden, die den Sanierungsplan unterstützen, hoffen nun auf diese.

Yvonne Bürgin, Gemeindepräsidentin von Rüti und Nationalrätin (Mitte), erklärt, weshalb sie den Stimmberechtigten ein Nein empfiehlt – auch wenn dies das Ende des Spitals bedeuten sollte.

Frau Bürgin, zwölf Gemeinden müssten zusammenhalten, um das Spital zu retten. Jetzt scheren zwei aus. Wie war die Stimmung, als die anderen das von Ihnen erfuhren?

Die anderen Gemeinden können nicht wahnsinnig überrascht gewesen sein. Wir haben ja monatelang um eine Lösung gerungen, und es ist nicht so, dass Rüti und Bubikon dauernd gejubelt hätten und alles super fanden. Wir haben immer viele kritische Fragen gestellt – und einfach keine befriedigenden Antworten darauf erhalten. Ich bin überrascht, dass es nur zwei Gemeinden sind, die ausscheren.

Was sagen Sie, wenn man Ihnen vorwirft: Das ist der Todesstoss fürs Spital Wetzikon mit seinen 900 Arbeitsplätzen?

Das stimmt nicht! Für die Misere sind jene verantwortlich, die in den vergangenen Jahren die strategischen und operativen Entscheidungen trafen, konkret das Management des Spitals. Ein Ausstieg einzelner Gemeinden führt nicht zwingend zum Konkurs. Es ist unklar, ob es tatsächlich 50 Millionen braucht. Und man darf nicht vergessen, dass die Stimmberechtigten das letzte Wort haben.

Warum glauben Sie nicht daran, dass die Sanierung gelingt?

Da muss sehr viel zusammenpassen: Erstens müssten die Stimmberechtigten in allen Gemeinden die Kapitalspritze bewilligen. Es kann aber sein, dass sie in Rüti Ja sagen, während sie in Hinwil Nein stimmen. Denn keine Gemeinde hat Geld übrig, die meisten müssten sich dafür neu verschulden. Zweitens muss der Schuldenschnitt gelingen, der doch sehr hoch ist. Die Gläubiger müssen bereit sein, auf einen Millionenbetrag in dreistelliger Höhe zu verzichten. Drittens muss der Businessplan des Spitals aufgehen. Wir finden den sehr sportlich.

Warum?

Er sieht steigende Zahlen bei den stationären Aufenthalten vor – niemand konnte uns erklären, wo diese Patienten herkommen sollen. Zumal das Gesundheitswesen gerade so umgebaut wird, dass es künftig mehr ambulante Behandlungen anstelle von stationären gibt. Uns fehlt eine überzeugende Vision, sprich: ein Plan mit weniger Spitalübernachtungen.

Es hiess, das Geld der Gemeinden solle verwendet werden, um den Neubau des Spitals fertigzustellen. Ist das nicht eine sichere Anlage?

Ein Teil des Geldes ist als neues Kapital gedacht, und etwa 20 Millionen Franken sind für den Neubau vorgesehen. Aber mit diesem Gebäude passiert dann erst einmal gar nichts, das rottet einfach vor sich hin. Der Plan lautet nicht: Wir stellen den Neubau fertig und können dann einen modernen Spitalbetrieb aufziehen. Nein, man will ins bestehende Hochhaus aus den siebziger Jahren investieren und dort weitermachen wie bisher. Vor zehn Jahren hiess es noch, dass dort ein effizienter Betrieb nicht mehr möglich sei. Jetzt steht im Businessplan plötzlich das Gegenteil. Das finden wir sehr problematisch.

Sie glauben auch nicht, dass Wetzikon als Teil eines neuen Spitalverbunds gedeihen könnte. Warum nicht?

Das Spital will jetzt einmal während zehn Jahren die Bilanz sanieren und erst dann, wenn es vielleicht wieder gesund ist, einem Verbund beitreten. Aber schauen Sie, was rundum passiert: Die Spitäler Männedorf und Uster haben gerade mitgeteilt, in der Gynäkologie und der Geburtshilfe ihre Kräfte zu bündeln. Männedorf will auch mit der Hirslanden-Gruppe zusammenarbeiten. Die geben Gas – und das Spital Wetzikon wird abgehängt.

Um das Spital zu retten, müssten die Gemeinden nur 50 Millionen einschiessen, die Gläubiger auf 180 Millionen Schulden verzichten. Das ist doch ein guter Deal für die Gemeinden.

Nur, wenn wir sicher wären, dass das Spital überlebt. Und dass wir nicht nach ein paar Jahren erneut Geld einschiessen müssten. So wie es jetzt ist, halten wir es für eine Hochrisiko-Investition.

Rüti spart so knapp 7 Millionen. Wie viel Geld verliert die Gemeinde, falls das Spital als Folge davon in Konkurs geht?

Wir haben noch etwa 400 000 Franken in den Büchern, die wir aber so oder so abschreiben.

Sie könnten also mit einem Konkurs des Spitals leben?

Das täte uns natürlich leid, besonders fürs Personal. Ich kenne Leute, die seit Jahrzehnten dort arbeiten. Wegen des Fachkräftemangels werden aber viele sicher zügig wieder eine neue Stelle finden. Zudem sind wir in Rüti gebrannte Kinder. Wir hatten einst selbst ein Spital, das geschlossen wurde. Das war hart, aber wir haben dadurch auch etwas gelernt.

Was denn?

Die Spitalplanung ist Sache des Kantons. Für die Gesundheitsversorgung einer Gemeinde ist es wichtiger, sich auf den Rettungsdienst zu konzentrieren. Das Ambulanzfahrzeug mit den Sanitätern und Notärzten, die für Erste Hilfe sorgen, muss möglichst schnell vor Ort sein. Es spielt keine Rolle, ob es danach nach Männedorf fährt, nach Uster oder meinetwegen sogar ins Spital Linth. Das liegt zwar im Kanton St. Gallen, aber wir müssen Schluss machen mit dem Kantönligeist.

Und was, wenn die Ambulanz von Rüti nach Wetzikon fährt, weil das Spital von den anderen Gemeinden gerettet wurde – ist das dann Trittbrettfahrerei?

Andere Gemeinden sind schon lange aus der Spitalversorgung ausgestiegen. Eine Gemeinde muss nicht Aktionärin eines Spitals sein, das ist freiwillig.

Hätten Sie anders entschieden, wenn Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli nicht gesagt hätte, man könne aufs Spital Wetzikon verzichten?

Das wäre sicher eine andere Ausgangslage. Aber die Gesundheitsdirektorin hat gerade erst wieder betont, dass es keinen Versorgungsnotstand gebe, wenn Wetzikon nicht überlebe. Zudem darf man sich fragen, was 2032 geschieht, wenn der Kanton die nächste Spitalliste präsentiert, falls Uster, Männedorf und Wetzikon bis dahin alle mit Unterstützung der Gemeinden überleben. Vielleicht haben wir dann eine Überversorgung – und dann erwischt es ein anderes Spital.

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