Dienstag, März 4

Wer ständig nur am Senden ist, verpasst etwas. Zuhören dient nicht nur der Beziehungspflege, es verschafft auch strategische Vorteile.

Wir alle tun es täglich. Doch kaum jemand beherrscht es richtig gut: das Zuhören. Dabei ist es die Grundlage von allem, was wir bei der Arbeit tun: Wir müssen zuhören, um zu verstehen, was Kunden wollen, Mitarbeitende brauchen und Arbeitskollegen planen. Zuhören schafft Vertrauen und ist das Schmiermittel für Zusammenarbeit, denn während der eine seine Gedanken, Einschätzungen oder Meinungen mitteilt, zeigt der andere durch aktives Zuhören Interesse am Gesagten. Das ermutigt den Sprecher, mehr preiszugeben. Zuhören ist Goldgräberei.

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Warum also nicht einfach besser zuhören? Aufmerksames Zuhören ist rar, denn die Feinde lauern überall: Das Smartphone vibriert, Nachrichten ploppen auf, Menschen huschen vorbei, und dann fällt einem auch noch ein, dass der Kühlschrank leer ist. Währenddessen redet die Sprecherin unbeirrt weiter und man nickt, um vorzutäuschen, dass man ganz Ohr ist.

Wir denken schneller, als wir sprechen

Unser Gehirn erschwert das Zuhören aus zwei Gründen. Der erste: Wir reden lieber über uns selbst. Studien zeigen, dass das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert wird, wenn wir von uns erzählen. Dieses gute Gefühl ist so stark, dass Menschen sogar bereit sind, auf Geld zu verzichten, um über sich zu sprechen. Deshalb hören viele nur halbherzig zu, um das Gespräch schnell wieder an sich zu reissen. Sie erzählen dann ausschweifend von eigenen Erfahrungen und Herausforderungen, ohne zu merken, dass sie gar nichts Neues erfahren.

Der zweite Grund, warum unser Gehirn beim Zuhören dazwischenfunkt, ist, dass wir viel schneller denken als sprechen und zuhören können: Die durchschnittliche Sprechgeschwindigkeit liegt bei etwa 125 Wörtern pro Minute. In dieser Zeit denkt das Gehirn mehrere hundert Wörter. Zuhören bedeutet für das Gehirn, Wörter in einem für seine Fähigkeiten quälend langsamen Tempo aufzunehmen.

Diese Diskrepanz zwischen Denk- und Sprechgeschwindigkeit können wir jedoch nutzen. Ralph Nichols, der Gründervater der Forschung rund ums Zuhören, erklärt, dass ein guter Zuhörer vier mentale Aktivitäten ausübt: Er versucht, gedanklich vorauszudenken, wie das Gespräch verläuft und welche möglichen Schlussfolgerungen daraus resultieren, er beurteilt die Argumente des Sprechers auf ihre Stichhaltigkeit und Vollständigkeit, zwischendurch fasst er das bisher Gehörte gedanklich zusammen, und er hört zwischen den Zeilen heraus, was unausgesprochen bleibt. All dies vermindert das Abschweifen.

Auch Schweigen ist eine wertvolle Information

Zuhören erfordert nicht nur geistige Energie, sondern vor allem Neugier. Wer neugierig fragt, erweitert sein Wissen und manchmal seinen Horizont. «Jeder Mensch ist interessant, wenn man die richtigen Fragen stellt», sagt die Wissenschaftsjournalistin Kate Murphy. Wenn jemand langweilig wirkt, liege das oft an uns selbst. Neugierige Fragen entstehen aus einer Haltung des Nichtwissens, wie sie Sokrates pflegte. Er stellte seinen Schülern oft naive, offene Fragen, um sie zum Nachdenken zu bringen.

Natürlich ist nicht jeder ein Sokrates. Aber gibt es Gruppen von Menschen, die von Natur aus gute Zuhörer sind? Die Schlauen vielleicht? Oder die Introvertierten? Fehlanzeige. Intelligente Menschen hören oft schlechter zu, weil sie häufig mehr überlegen und eher glauben, dass sie schon wissen, was der Sprecher sagen will. Introvertierte gelten zwar als bessere Zuhörer, weil sie ruhiger sind, doch in ihrem Kopf passiert so viel, dass sie oft keinen Platz für zusätzlichen Input schaffen können.

Gute Zuhörer können Pausen und Stille aushalten, wenn das Gespräch ins Stocken gerät. Solche Momente sind oft unangenehm – man will den Gesprächsfluss aufrechterhalten –, sie gehören aber zu den wertvollsten Teilen eines Dialogs. Viele überbrücken die Lücke hastig mit Fragen oder Anekdoten – und verhindern so, dass Goldstücke ans Licht kommen. Wer hingegen die Stille aushält, signalisiert Sicherheit in der Beziehung.

Zuhören ist ein Frühwarnsystem

Zuhören ist aber mehr als nur Beziehungsaufbau. Es nützt den eigenen Interessen: Wer die Perspektive des anderen versteht, verhandelt im Arbeitsalltag geschickter, weil er Einwände des Gegenübers als Grundlage für die eigene Argumentation nutzen kann. Ebenso kommen gute Zuhörer an die Hintergründe beiläufiger Bemerkungen und erfahren, was den Kunden wirklich stört oder welche Risiken die Mitarbeiterin sieht. Eine wahre Goldgrube.

Zuhören bleibt, obwohl wir es täglich tun, eine grosse Herausforderung. Selbst mit all diesen Tipps wird es Ihnen nicht gelingen, in jedem Gespräch mit voller Aufmerksamkeit zuzuhören. Das ist ganz normal. Manchmal fehlt einfach die geistige Kapazität, und manchmal lohnt es sich nicht. Dann ist es besser, auf sich selbst zu hören und dem Gesprächspartner «auf Wiederhören» zu sagen.

Nicole Kopp ist Arbeits- und Organisations­psychologin und Mitgründerin der Beratungsfirma GoBeyond.

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