Samstag, April 26

Die Union liegt in allen Umfragen weit vorne, wäre aber nach der nächsten Bundestagswahl auf einen Koalitionspartner angewiesen. Soll sie sich lieber den Grünen oder der SPD nähern? Die Frage sorgt für Zwist.

Rund tausend Delegierte werden am kommenden Montag zu einem Parteitag der Superlative in Berlin zusammenkommen. Drei Tage lang nimmt die CDU sich Zeit, um ein neues Grundsatzprogramm zu beschliessen, einen neuen Bundesvorstand zu wählen und die heisse Phase des Europawahlkampfs einzuläuten. Über allen Voten und Debatten steht eine Frage, die für keine Partei so zentral ist wie für die ideologisch flexiblen und ins Regieren verliebten Christlichdemokraten: In welcher Formation soll im kommenden Jahr das Kanzleramt von Olaf Scholz zurückerobert werden? Weder die Grünen noch die Sozialdemokraten sind Wunschpartner. An einer Koalition mit einem der beiden Parteien dürfte aber kein Weg vorbeiführen.

Die CDU hat sich immer als Werte- und nie als Weltanschauungspartei verstanden. Das ist der fundamentale Unterschied zu den Grünen, die insofern einen gleichsam natürlichen Gegenentwurf bilden. Dennoch erklärte Parteichef Friedrich Merz Anfang Februar, ein Bündnis mit den Grünen dürfe nicht ausgeschlossen werden. Markus Söder hingegen, der als CSU-Chef ein gewichtiges Wort in der Union mitzureden hat, lehnt eine solche Koalition auf Bundesebene kategorisch ab.

Markus Söder hofft auf eine SPD ohne Olaf Scholz

Soeben wurde der bayrische Ministerpräsident in der «Welt am Sonntag» noch deutlicher. Mit den Grünen sei kein Staat zu machen, mit einer «SPD ohne Scholz» hingegen schon. Söder setzt auf ein schwarz-rotes Bündnis ohne den amtierenden Kanzler Olaf Scholz und mit dem sozialdemokratischen Verteidigungsminister Boris Pistorius als Vizekanzler. Wenn der CSU-Vorsitzende am kommenden Dienstag auf dem Parteitag ein Grusswort halten wird, könnte er mit einer neuerlichen Salve gegen die Grünen die Delegierten begeistern, Merz jedoch in die Bredouille bringen.

Das Problem der CDU sind neben weltanschaulichen Differenzen, die sie im Zweifel geschmeidig beiseite zu räumen versteht, ihre regional unterschiedlich ausgeprägten Regierungsbeteiligungen. Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein etwa, der sich nach seinem Wahlsieg im Herbst 2023 von den Grünen löste und die SPD an den Wiesbadener Kabinettstisch holte, trommelt ebenfalls für Schwarz-Rot. In der «Welt» nannte er ein solches Bündnis ein «echtes Aufbruchssignal».

Damit griff er zu einem Etikett, das in den bleiernen Jahren der bisher letzten grossen Koalition auf Bundesebene unter Angela Merkel bis 2021 niemanden überzeugt hätte. Silvia Breher wiederum, Mitglied im Bundesvorstand der CDU, wollte sich an diesem Montag vor Journalisten nicht festlegen. Es ginge nun «an keiner Stelle um irgendeine Koalitionsmöglichkeit». Wichtig sei, niemanden auszuschliessen und menschlich miteinander umzugehen, ob es sich nun um die SPD, die Grünen oder die FDP handle.

Einen anderen Zungenschlag wählt Jens Spahn. Der ehemalige Bundesgesundheitsminister sagte ebenfalls an diesem Montag, die CDU müsse sich innerlich von dem Gedankengang befreien, nur mit den Grünen oder mit der SPD regieren zu können. In wirtschafts-, energie-, migrations-, gesellschafts- und aussenpolitischer Hinsicht wollten die meisten Bürger eine andere Politik als die gegenwärtige. Darum müsse seine Partei selbstbewusst vor die Wähler treten und dazu aufrufen, die Union so stark zu machen, dass sie ohne SPD und ohne Grüne regieren könne. Im «Kleingedruckten» müsse seine Partei ergänzen: «Wenn ihr es nicht macht, dann beschwert euch anschliessend nicht über die Kompromisse.»

Was geschieht mit der Kernkraft?

Spahn denkt an eine Mehrheit der Sitze für CDU und CSU oder an ein Zusammengehen mit der FDP. Eine historische Referenz hat er parat: Im Jahr 2013 habe die Union mit 43 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit im Bundestag nur um sechs Mandate verfehlt. Momentan rangiert die Union in den Umfragen allerdings bei, historisch gesehen, relativ bescheidenen 30 Prozent Zustimmung.

Auch deshalb ist bei der Frage nach der Kanzlerkandidatur, die offiziell erst nach den drei Landtagswahlen im Herbst entschieden werden soll, noch eine Hintertür offen – entweder für den gemeinsam mit den Grünen regierenden nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst oder sogar für Markus Söder. Beide erfreuen sich deutlich höherer Beliebtheitswerte als Merz.

In der ARD erklärte Söder jüngst, Merz und er hätten «ziemlich ähnliche Überzeugungen». Merz sei der klare Favorit, auf einen der beiden Parteivorsitzenden werde man sich vermutlich einigen und müsse die «bestmögliche Lösung» finden. Auch Silvia Breher liess sich kein Bekenntnis zu Merz entlocken: Die Entscheidung, erklärte sie lediglich, werde im Herbst fallen. Sonst sei alles gesagt.

Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien, Mitglied im CDU-Bundesvorstand auch sie, nannte an diesem Dienstag jedwede Diskussion über mögliche Koalitionspartner «weder strategisch noch politisch sinnvoll». Der SPD warf Prien, die in Kiel gemeinsam mit den Grünen regiert, eine «giftige Kampagne gegenüber der CDU» vor. Das in ihren Augen linkspopulistische Bündnis Sahra Wagenknecht sei «kein Kooperationspartner für die Union im Bund», auf Länderebene hingegen «muss man gucken». Nach dem Parteitag werde der Zuspruch für die CDU weiter steigen, ist sich Prien sicher. Merz sei der richtige Mann zur richtigen Zeit, denn «wir leben in einem konservativeren Zeitalter».

Auf ihre eigene Art hat derweil die langjährige Parteivorsitzende Angela Merkel die Abnabelung von der CDU vollzogen. Nicht am eigenen Parteitag wird die ehemalige Kanzlerin teilnehmen, wohl aber wenig später an der Verabschiedung des stramm linken Grünen-Politikers Jürgen Trittin. Eine Rede von ihre ist dort ebenfalls geplant. Auch daraus lässt sich ein Votum für Schwarz-Grün ableiten. Mit einem solchen Bündnis jedoch dürfte ein zentraler Satz aus dem neuen Grundsatzprogramm der CDU Makulatur werden: Deutschland, heisst es im Entwurf, könne «zurzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten».

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