Dienstag, November 18

Die Sicherheitslage in der Ostsee hat sich in den letzten Monaten merklich verschlechtert. Nun schickt die Nato Patrouillenboote, um so feindliche Akteure abzuschrecken.

An einen Zufall glaubt längst niemand mehr. An Weihnachten wurden im Finnischen Meerbusen die Stromleitung Estlink 2 und vier Datenkabel zerstört – mutmasslich durch den Anker des Öltankers «Eagle S», eines Schiffes der russischen Schattenflotte, mit deren Hilfe Russland die westlichen Sanktionen umgeht. Die finnische Polizei ermittelt wegen Sabotage. Es ist der dritte solche Vorfall innert gut eines Jahres.

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Die Ostseeanrainer der Nato haben sich am Dienstag in Helsinki getroffen, um zu besprechen, wie solche Attacken künftig verhindert werden können. Thema war auch der Umgang mit der Schattenflotte, deren marode Schiffe eine Gefahr für die Umwelt darstellen. Die Botschaft des Gipfels war klar: Die Nato wird ihre Präsenz in der Ostsee stärken, künftige Sabotageversuche sollen entschieden geahndet werden. «Wir müssen mehr tun», sagte der Nato-Generalsekretär Mark Rutte an einer Medienkonferenz.

Die Nato schickt Boote und Drohnen

Mehr Patrouillenboote, Wasserdrohnen und Überwachung aus der Luft: Mit diesen Mitteln will die Nato die kritische Infrastruktur am Meeresgrund künftig besser schützen. Wie viele Schiffe für die Überwachung zur Verfügung gestellt werden sollen, wollte Rutte aus taktischen Gründen nicht preisgeben. Die Einsätze der Operation «Baltic Sentry» sollen von Rostock aus koordiniert werden, wo die Nato ein maritimes Hauptquartier betreibt. Das Ziel ist klar: Stärke demonstrieren und feindliche Akteure so abschrecken.

Als Beispiel dienen soll Finnlands Vorgehen gegen die «Eagle S». Nur sechs Stunden nachdem die Störung des Stromkabels Estlink 2 bekanntgeworden war, kontaktierten finnische Behörden den Tanker, der den Ermittlern wegen verdächtiger Bewegungen aufgefallen war. Das Schiff wurde in die finnischen Territorialgewässer geleitet, kurz darauf brachten finnische Sicherheitskräfte die «Eagle S» unter ihre Kontrolle. Durch die schnelle Reaktion habe Schlimmeres verhindert werden können, sagte der finnische Präsident Alexander Stubb am Dienstag vor den Medien.

Das Vorgehen zeigt, dass Finnland aus alten Fehlern gelernt hat. Im Oktober 2023 wurde die Gaspipeline Balticconnector, die zwischen Finnland und Estland verläuft, vom Anker des chinesischen Frachtschiffs «Newnew Polar Bear» zerstört. Damals konnte das Schiff aus der Ostsee flüchten, weil die Küstenstaaten zu langsam reagierten. Auch die «Yi Peng 3», ein chinesischer Frachter, der wegen mehrerer Kabelschäden im November 2024 verdächtigt wird, hat die europäischen Gewässer inzwischen verlassen. Die «Eagle S» liegt zurzeit im finnischen Porvoo, die Untersuchung läuft. Es besteht Hoffnung, dass die Ereignisse aufgeklärt werden können.

Wie die einzelnen Nato-Staaten bei künftigen Ereignissen reagieren werden, bleibt ihnen überlassen. Das Seerecht setzt ihren Handlungsmöglichkeiten enge Grenzen, denn ausserhalb der Territorialgewässer liegt die Hoheit meist beim Flaggenstaat. Die Nato hat Experten damit beauftragt, die rechtliche Lage zu klären.

Keine Illusionen

Illusionen machte sich in Helsinki niemand. «Wir können nicht alle Sabotageakte verhindern», sagte der estnische Ministerpräsident Kristen Michal. Sein Land sei seit 2007 Ziel hybrider Attacken Russlands. Damals wurde ein grosser Cyberangriff verübt. Die Zahl solcher Vorfälle habe in den letzten Jahren nicht abgenommen.

Wer die «Eagle S» mit der Durchtrennung der Kabel beauftragt hat, steht noch offen. Klar ist jedoch, dass der Kreml ein Motiv gehabt hätte: Das Baltikum steht davor, sich vom russischen Stromnetz abzukoppeln. Daran hindern könnte die Länder niemand, sagte Michal, denn es gebe einen Plan, einen Reserveplan und einen Reserveplan für den Reserveplan. «Wir sollten keine Angst haben, sondern vorbereitet sein.»

Vor den finnischen Medien sprach Stubb von unruhigen Zeiten. «Wir sind nicht im Krieg, aber es herrscht auch kein Frieden.» Den hybriden Attacken könne man nur mit Abschreckung begegnen. Mit dem Vorgehen im Fall der «Eagle S» sei es gelungen, Russland ein klares Zeichen zu senden: «Es lohnt sich nicht, solche Tätigkeiten auszuüben.»

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