Das Stadtgebiet soll «grossflächig autofrei» werden.

Rot-Grün lässt nicht locker mit seiner Verkehrsvision für die Stadt Zürich. Möglichst keine Autos mehr soll es geben, dafür mehr Bäume, Grünflächen, Spielstrassen. Die Stadtbewohner will man mit Parkplatz-Entzug zum richtigen Verhalten anhalten.

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Die linken Parteien sind zwar seit Jahrzehnten an der Macht, doch beim Verkehr spielen sie gerne Opposition. Immer wieder aufs Neue fordern sie den grossen Umbau. Alleine in den letzten fünf Jahren gab es drei Grundsatzabstimmungen: Velorouten-Initiative, Verkehrsrichtplanvorlage, Gegenvorschläge zu den Umverkehr-Initiativen. Alle gingen im Sinne der Linken aus.

Und doch wird jetzt ein weiteres Volksbegehren mit praktisch identischem Inhalt lanciert. Die Verkehrswende-Initiative will «den motorisierten Individualverkehr deutlich reduzieren, um Platz für mehr Lebensqualität, Sicherheit und Klimaschutz zu schaffen».

Wie kann das sein?

Lukas Bühler, Sprecher des Initiativkomitees, sagt: «Ja, es gab einige Richtungsentscheide. Aber es gibt in Zürich viele Menschen, die sich über die Geschwindigkeit der Umsetzung Sorgen machen.» Mit der Initiative wolle man die Behörden «wachrütteln».

Das übergeordnete Recht setzt Grenzen

Allerdings: Das Tiefbauamt unter Stadträtin Simone Brander (SP) treibt die Umgestaltung des Strassenraums in den Augen mancher Anwohner energischer voran, als ihnen lieb ist. Doch es ist an übergeordnetes Recht gebunden. Unter anderem gibt es eine Eigentumsgarantie, aus der folgt, dass man Anwohnern die Zufahrt zur eigenen Liegenschaft grundsätzlich nicht verbieten kann.

Die Frage, wie weit eine Umgestaltung gehen kann, ist zentral. Auch für das jetzige Volksbegehren, das frühestens im kommenden Jahr an die Urne käme, falls die nötigen Unterschriften zusammenkommen. Es erinnert stark an «Züri autofrei». Diese radikale Juso-Initiative wurde 2017 eingereicht. Zur Abstimmung gelangte sie aber nie, weil das Bundesgericht sie 2020 für unzulässig erklärte.

Die Juso-Initiative versprach etwas, das sie nicht einhalten konnte. Denn die Stadt kann gemäss Bundesgericht in eigener Kompetenz nicht einfach strikte Fahrverbote erlassen, weder auf Durchgangsstrassen, kantonalen Staatsstrassen noch auf Gemeindestrassen mit sogenannter Groberschliessungsfunktion.

Auch im Verkehrswende-Initiativtext heisst es jetzt, man wolle das «Stadtgebiet grossflächig möglichst autofrei» machen. Dennoch ist der Zürcher Rechtsanwalt Viktor Györffy überzeugt, dass die Initiative für gültig erklärt werden würde.

Györffy hat den Initiativtext im Auftrag der Initianten geprüft. Wichtig sei, dass der Text als allgemeine Anregung formuliert sei. Die Stadt solle sich lediglich «so weit als möglich» für die Verkehrswende «einsetzen». Diese Formulierungen schlössen eine Kollision mit übergeordnetem Recht aus.

Der Sprecher Bühler betont noch einen zweiten Unterschied zu «Züri autofrei»: Die Verkehrswende-Initiative lasse bewusst viele Ausnahmen zu.

Gemäss ihr würden Strassen zwar für Automobilisten gesperrt – nicht aber für das Gewerbe, den öffentlichen Verkehr und die Blaulichtorganisationen. Er sagt: «Wir wollen das Autofahren nicht verbieten. Wir wollen es auf das zwingend Notwendige beschränken.»

Ausnahmen – aber für wen?

Hier zeichnen sich vielleicht keine rechtlichen, aber sicher praktische Probleme ab. Denn gemäss Initiativtext sollen weitere Ausnahmen erteilt werden, so für «Menschen mit Mobilitätseinschränkung oder Beschäftigte in Nachtarbeit». Würden wirklich im grossen Stil Strassen gesperrt, wären unzählige heikle Einzelentscheide nötig, wer zur Autonutzung berechtigt ist und wer nicht. Ein enormer Aufwand für die Verwaltung.

Bühler sagt, solchen Zusatzaufwand müsste man in Kauf nehmen, denn die Vorteile einer Umgestaltung überwögen: weniger Lärm, bessere Luft, weniger Unfälle. Auch das Gewerbe würde profitieren, denn autofreie Strassen und Plätze seien attraktiver. Und in einer Stadt mit weniger Stau käme auch das Gewerbe rascher voran.

Die Initianten geben sich Mühe, das Anliegen als «breit abgestützt» darzustellen, jenseits des üblichen Parteiengezänks. So betonen sie etwa, dass der Gewerbeverein das Anliegen unterstütze. Als Galionsfiguren dienen unter anderem die Rapperin Big Zis und der Verkehrsplaner Thomas Hug, ein GLP-Politiker. Der Sprecher Bühler sagt: «Die Initiative wird von unterschiedlichen Menschen getragen. Man kann es nicht als Juso-Anliegen abtun.»

Doch diese Darstellung hält einer genaueren Betrachtung nicht stand. Der Gewerbeverein wurde als linke Alternative zum wesentlich grösseren, älteren städtischen Gewerbeverband gegründet – dieser sieht die Initiative eher kritisch. Die bisherigen Erfahrungen von Gewerbebetrieben mit Verkehrsberuhigungsmassnahmen waren oft durchzogen.

Und von 19 Mitgliedern im Initiativkomitee haben lediglich 5 keinen klaren politischen linken Hintergrund. Mehr als die Hälfte politisiert für die SP oder die Grünen. Unter ihnen ist SP-Kantonsrat Nicola Siegrist, ehemaliger Juso-Präsident in der Stadt Zürich – und damals treibende Kraft hinter «Züri autofrei».

Die Vorlage ist somit eine weitere linke Initiative zum Stadtverkehr. Die jüngste in einer langen Reihe.

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