Freitag, November 22

Erstmals diskutieren die Fratelli d’Italia offen über das problematische Partei-Logo, das an den Faschismus erinnert.

«Wenn wir vorwärtsgehen wollen, und das wollen wir auf jeden Fall, dann wird auch die Zeit kommen, die Flamme zu löschen.» Mit dieser Aussage hat Luca Ciriani die politische Klasse in Italien in Aufregung versetzt.

Ciriani ist als Minister in der Regierung von Giorgia Meloni zuständig für die Beziehungen zum Parlament. Und was er am Dienstag gegenüber der Zeitung «Il Foglio» gesagt hat, hat einige Sprengkraft. Denn die Flamme, von der er spricht, gehört zum Partei-Logo der Fratelli d’Italia und steht für die vermeintliche Nähe der Meloni-Partei zum Faschismus.

Die Flamme erhitzt die Gemüter seit 1946, als von Anhängern und Vertrauten des «Duce», Benito Mussolini, die neofaschistische Partei «Movimento Sociale Italiano» (MSI) gegründet wurde. Der MSI wählte die Flamme zu seinem Symbol. Warum, ist nicht ganz einfach herzuleiten. Denn als sichtbares Kennzeichen der faschistischen Bewegung galten eigentlich Liktorenbündel und Adler. Giorgio Almirante, der Gründer des MSI, soll die Flamme schliesslich gewählt haben, weil sie den Geist Mussolinis verkörpere, welcher aus dessen auf dem MSI-Logo ebenfalls stilisiert dargestelltem Sarg ströme.

Meloni war gegen die Löschung

Trotz zahlreichen Umdeutungs- und Verharmlosungsversuchen hat sich diese Interpretation im politischen Diskurs Italiens schliesslich festgesetzt. Als Giorgia Meloni mit ihren Mitstreitern 2012 die Fratelli d’Italia (FdI) gründete und damit an die Tradition des MSI und von dessen Folgepartei anknüpfte, fehlte die Flamme zunächst im neuen Parteilogo. Erst 2017 wurde sie wieder aufgenommen – angeblich, um einer Verschwörung von Nostalgikern zuvorzukommen, die sich des Symbols für eigene politische Zwecke bemächtigen wollten.

Seither wird um die «Fiamma» gestritten. Als im Wahlkampf vor gut zwei Jahren absehbar wurde, dass Meloni als neue Regierungschefin in den Palazzo Chigi in Rom einziehen würde, wurde sie von der damals 91-jährigen Holocaust-Überlebenden Liliana Segre, Senatorin auf Lebenszeit, öffentlich aufgefordert, die Flamme aus dem Logo zu entfernen – als sichtbares Zeichen dafür, dass sie es mit der Verurteilung des Faschismus auch wirklich ernst meine. Meloni lehnte ab.

Dass dieses Thema nunmehr wieder aufgegriffen wird, dazu noch von den Fratelli d’Italia selbst, ist bemerkenswert. Dies umso mehr, als Luca Ciriani, der Minister, der die Löschung der Flamme zur Diskussion gestellt hat, keineswegs ein Abweichler ist. Vielmehr gilt der 57-Jährige in Rom als harter Knochen und loyales Mitglied der Meloni-Partei. Seine politische Karriere hat ihren Anfang noch in der Jugendbewegung des MSI genommen. Wenn er sich öffentlich äussert, was selten passiert, hat das einiges Gewicht.

Die Frage stellt sich, wie ernst die Aussage zu nehmen ist. Handelt es sich um ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat? Einen Ausrutscher? Oder ist es tatsächlich ein inhaltlicher Positionsbezug? Ist es die von der Opposition immer wieder angemahnte Distanzierung von der Vergangenheit?

Versuchsballon

Vieles spricht dafür, dass es sich erst einmal um einen Versuchsballon handelt. Möglicherweise wollen die Fratelli d’Italia die Stimmung in den eigenen Reihen testen. Ersten Rückmeldungen nach zu schliessen, fallen die Reaktionen verhältnismässig moderat aus. Für Francesco Lollobrigida, den Ex-Partner von Melonis einflussreicher Schwester Arianna und derzeitigen Landwirtschaftsminister, wäre «das Löschen der Flamme keine Tragödie». Andere FdI-Exponenten äusserten sich skeptischer, aber keineswegs schockiert.

Der Zeitpunkt für diese gedankliche Turnübung ist interessant. Giorgia Melonis Partei steht vor wichtigen Entscheidungen. Erst gerade hat sie ihren Gefolgsmann Raffaele Fitto nach einer Zitterpartie letztlich erfolgreich in der EU-Kommission von Ursula von der Leyen platziert. Es ist der Lohn für ihren pragmatischen Europa-Kurs. Gleichzeitig wird sie von den EU-Skeptikern wie Viktor Orban umgarnt. Auch die Wahl Trumps in den USA verändert das Koordinatensystem.

Setzt Meloni vor diesem Hintergrund ihre gemässigte aussenpolitische Linie fort, und bleibt sie bei ihrer bisherigen Haltung, etwa in der Ukraine-Frage? Oder ist sie überzeugt, dass die Musik künftig ganz rechts aussen spielt? Die Diskussion um die Löschung der Flamme könnte ein Zeichen dafür sein, dass sie auf Ersteres setzt und mit ihrer Partei weiter Richtung konservative europäische Mitte rückt.

Für die Opposition in Italien ist der letzte Beweis ihrer Distanzierung vom Faschismus noch längst nicht erbracht. Sie werden ihn Meloni wohl erst abnehmen, wenn diese ihren berühmten Wahlspruch ergänzt. «Ich bin Giorgia, ich bin eine Frau, ich bin eine Mutter, ich bin Italienerin, ich bin Christin», rief sie ihren Fans zu, damals, im Wahlkampf vor über zwei Jahren. «Ich bin Antifaschistin» – auf dieses Bekenntnis warten ihre politischen Gegner noch. Vermutlich auch, wenn die Flamme vielleicht bald gelöscht werden wird.

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