Donnerstag, September 19

Michael Strobaek, der Anlagechef von Lombard Odier, erwartet kommende Woche ein klares Zeichen der amerikanischen Währungshüter. Ihr Fokus sei von jetzt an die Beschäftigung.

Die US-Notenbank Fed steht vor einem bedeutenden Richtungswechsel: Sie dürfte am kommenden Mittwoch erstmals die Zinsen senken, die sie zuvor in den Jahren 2022 und 2023 von 0 auf 5,5 Prozent erhöht hatte.

Viele Experten waren sich damals sicher, dass diese massive Verteuerung von Krediten das Wirtschaftswachstum der USA komplett abwürgen würde – und diese Befürchtung steht noch immer im Raum.

Keine Rezession

Michael Strobaek jedoch, der Anlagechef von Lombard Odier, zeigt sich sicher, dass es nicht so weit kommen wird. «Ich glaube nach wie vor nicht, dass wir eine Rezession haben werden, auch wenn die schwachen Arbeitsmarktdaten in den USA darauf hindeuten.» Für gewöhnlich hätten Arbeitslosenzahlen effektiv eine grosse Aussagekraft, aber in diesem Zyklus sei alles anders, gibt Strobaek zu bedenken.

«Wir leben in einer Post-Covid-Welt, die mit Liquidität geflutet worden ist.» Unabhängig davon, dass sich der Arbeitsmarkt abschwächt: Die Konsumentenstimmung sei noch immer relativ positiv.

Der dänischstämmige Ökonom sieht auch keinerlei Anzeichen für Stress im Unternehmenssektor. Im Gegenteil, die Risikoprämien, die Firmen für ihre Kredite bezahlen müssten, seien sehr tief. Und die Dynamik in der amerikanischen Wirtschaft noch immer sehr hoch. «Kurz: Wir gehen trotz den schwächeren Arbeitsmarktzahlen davon aus, dass eine Rezession ausbleibt.»

Das wäre ein kleines Wunder: Historisch gesehen hat ein so starker Zinsanstieg fast immer zu einer Phase des Negativwachstums geführt. Das stellt Strobaek nicht in Abrede.

Schwächelnder Arbeitsmarkt

«Aber man muss schon sehen, dass man nun schon seit zwei Jahren von einer Rezession redet. Erst, weil die kurzfristigen Zinsen höher lagen als die langen Zinsen, und jüngst, nachdem sich die Zinskurve wieder normalisiert hat, wegen des sich abschwächenden Arbeitsmarkts.»

Strobaek erwartet, dass das Fed vor allem darauf bedacht sein wird, weitere Fehler zu vermeiden, nachdem es zuvor den Anstieg der Inflation stark unterschätzt hatte, der in den Jahren 2022 und 2023 «zu einem Riesenproblem geworden ist».

Das Fed hat ein Doppelmandat von Preisstabilität und maximaler Beschäftigung. Nun, da sich die Inflation normalisiere, aber der Arbeitsmarkt schwächele, dürfte sich das Fed wieder mehr auf den zweiten Teil seines Doppelmandats konzentrieren, so Strobaek. Er erwartet kommende Woche deshalb einen ersten Zinsschritt um gleich 0,5 Prozentpunkte. Es dürfte aber eine knappe Entscheidung werden.

Eine Zinssenkung um 0,5 Prozentpunkte

«Wir glauben, dass das Fed dieses Jahr die Zinsen dann an jeder Sitzung nach September um ein Viertelprozent senkt – und dass wir Ende 2025 dann bei einem Niveau von 3,5 bis 4 Prozent landen werden.»

Während die Zinsentscheide für die Märkte zentral sind, ist es laut Strobaek zweitrangig, wie der nächste US-Präsident heisst. Dieser Effekt werde jedes Mal überschätzt.

«Wer immer ins Weisse Haus kommt, will dafür sorgen, dass die Wirtschaft weiterläuft und die Teuerung unter Kontrolle bleibt.» Natürlich gäbe es Unterschiede: «Unter Trump würde es zu Steuersenkungen, zu Deregulierung und einer Erhöhung von Handelszöllen kommen. Die Demokraten sind da sicher zurückhaltender.» Unter dem Strich sei der Einfluss der Wahlen auf die Börsenkurse aber marginal.

Auch punkto US-Aussenpolitik, wo Harris und Trump sich ganz anders positionieren, sieht Strobaek nur bescheidene Auswirkungen. «Der Ukraine-Krieg beeinflusst die Märkte so gut wie nicht.»

Grossrisiko Naher Osten

Gefährlicher sei die Lage im Nahen Osten, wo die Regierung Biden bis jetzt versucht, die Situation zu deeskalieren. «Trump würde da wohl weniger Zurückhaltung zeigen, er könnte im Fall seiner Wahl Israel sogar dazu drängen, hart gegen Iran und seine Verbündeten vorzugehen. Das ist natürlich gefährlich und würde stark auf den Erdölpreis und somit auf das Wirtschaftswachstum durchschlagen.»

Eine Eskalation im Nahen Osten sieht Strobaek sogar als eines von zwei Hauptrisiken für die Finanzmärkte. Das andere ist, dass die Inflation sich als hartnäckiger erweisen könnte als gedacht.

Welche Schlüsse sollen die Investoren aus seiner Einschätzung ziehen, dass ein Soft Landing gelingen wird und dass Wahlen keinen Einfluss auf die Börsen haben?

Aktien kaufen, findet Strobaek. Aber er setzt nicht länger auf ein Übergewicht von amerikanischen Vermögenswerten: Als er frisch zu Lombard Odier kam, drängte er dazu, amerikanische Aktien, Anleihen und auch den Dollar stärker zu berücksichtigen, als das die weltweiten Indizes eigentlich vorsehen.

USA nicht länger im Vordergrund

Was bisher gut funktioniert habe, stosse nun an Grenzen. «Wir stehen kurz davor, noch mehr Aktien zu kaufen, aber nicht in den USA, sondern in Europa, der Schweiz, Japan und Asien ohne China.» Das weitere Aufwärtspotenzial für Anleihen scheine dagegen begrenzt.

Wieso ist er nicht bereit, in chinesische Titel zu investieren – obwohl deren Bewertungen sehr tief sind? «China ist nicht mehr das Land, das es einmal war.» Der demografische Niedergang belaste stark, die alten Rezepte, nämlich im grossen Stil Infrastruktur und Häuser zu bauen, brächten kaum noch einen Mehrwert. «Nun muss sich China ausgerechnet in einer Zeit geopolitischer Spannungen neu erfinden.»

Die Risiken seien trotz den tiefen Bewertungen hoch. 4 bis 5 Prozent Wachstum reichten nicht aus, dass das Land zu den westlichen Staaten mit hohen Einkommen aufschliessen könne, so Strobaek.

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