Samstag, Oktober 5

Das US-Justizministerium durchleuchtet die Geschäftspraktiken der wichtigsten KI-Firma der Welt. Der Aktienkurs steht unter Druck. Und die Konkurrenz schläft nicht.

Nvidia bewegt die Welt. Mit ihren Chips für künstliche Intelligenz (KI) ist die Firma innert kürzester Zeit zum drittwertvollsten Unternehmen des Planeten aufgestiegen.

Das spürt man an den Börsen. Am Dienstag erlebte die Nvidia-Aktie einen Kurssturz um 9 Prozent, nachdem unter den Investoren Zweifel aufgekommen waren, ob sich der KI-Boom fortsetzen wird. An einem einzigen Tag reduzierte sich die Börsenkapitalisierung um 279 Milliarden Dollar. Das zog den amerikanischen Gesamtmarkt ins Minus.

US-Justizministerium will Informationen

Zum Kurseinbruch trug auch die Nachricht bei, dass die amerikanischen Behörden ihre Untersuchungen gegen Nvidia ausweiten. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg holt das US-Justizministerium Informationen zu den Geschäftspraktiken des Unternehmens ein. Die Behörde habe dazu Auskunftsbegehren («subpoena») an Nvidia und einzelne seiner Kunden verschickt.

Das US-Justizministerium untersucht seit einigen Monaten, ob Nvidia seine Marktmacht missbraucht. Ähnliche Abklärungen haben die Behörden in der EU, Grossbritannien und China eingeleitet. Es handelt sich dabei allerdings noch nicht um Anklagen wegen möglicher Verstösse gegen das Kartellrecht, wie sie etwa das US-Justizministerium im Jahr 2020 gegen den Suchmaschinenriesen Google eingereicht hat, sondern erst um Sondierungen.

Unbestritten ist die starke Marktstellung von Nvidia. Laut Branchenbeobachtern hat das Unternehmen bei KI-Chips einen Marktanteil von rund 90 Prozent. Nvidia war zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Als Ende 2022 der KI-Boom ausbrach, rissen die Kunden Nvidia die Halbleiter aus den Händen. Rechenintensive KI-Anwendungen wie Chat-GPT sind auf die leistungsstarken Nvidia-Chips angewiesen. Das kalifornische Unternehmen ist der Hauptausrüster der grossen Datenzentren-Betreiber, die in den kommenden Jahren enorme Investitionen in KI-Infrastrukturen tätigen wollen, namentlich Alphabet, Meta, Microsoft und Amazon.

Behindert Nvidia den Wettbewerb?

Eine starke Marktstellung allein ist jedoch nicht illegal. Problematisch wird sie erst, wenn ein Unternehmen seine Marktmacht missbraucht und den Wettbewerb behindert.

Die US-Behörden begutachten in diesem Zusammenhang die im April angekündigten Pläne von Nvidia, die Softwarefirma Run.ai zu übernehmen. Der Kauf könnte die Marktmacht von Nvidia vergrössern, weil das Unternehmen nicht nur Chips verkauft, sondern auch Paketlösungen. Dazu gehören die Software, um KI-Chips zu steuern, sowie die Netzwerkausrüstung. Solche Paketlösungen könnten es den Kunden erschweren, den Anbieter zu wechseln.

Zudem verlangen die Behörden von Nvidia Informationen zu den Geschäftspraktiken. Im Zentrum steht die Frage, ob das Unternehmen Kunden bevorzugt behandelt, wenn sie nur seine Technologie einsetzen oder wenn sie ganze Systeme kaufen.

Abnehmer suchen nach Alternativen

Bei der Auseinandersetzung geht es um Grundsatzfragen, die sich bei grossen Tech-Konzernen immer wieder stellen.

Einerseits sind die Firmen am Markt erfolgreich. Nvidia ist der Ansicht, dass seine Marktmacht von der überlegenen Qualität der Produkte herrühre. Das Unternehmen «gewinne aufgrund seiner Leistung», erklärte es. Das spiegle sich in der Wertschätzung der Kunden, «die wählen können, welche Lösung für sie am besten ist».

Anderseits befürchten die Kartellbehörden, dass sich Monopole herausbilden und der Wettbewerb leidet. Die KI-Technologie steht dabei besonders im Fokus, weil es nicht nur um wirtschaftliche Aspekte geht, sondern auch um Sicherheitsinteressen.

Aus ökonomischer Sicht lautet die entscheidende Frage, ob Nvidias Marktmacht von Dauer sein wird. Die Firma mag zwar derzeit enorme Gewinne erzielen. Aber genau das macht es für Konkurrenten attraktiv, in das Geschäftsfeld vorzustossen.

So wollen sich die Hauptkunden von Nvidia nicht mit den stolzen Preisen abfinden: Alphabet, Meta, Microsoft und Amazon arbeiten mit Hochdruck daran, eigene KI-Chips zu entwickeln. Zudem gibt es mit Advanced Micro Devices (AMD) einen amerikanischen Chiphersteller, der Nvidia technologisch auf den Fersen ist. In der KI-Branche ist der Hunger nach Alternativen gross. Womöglich wird der Wettbewerb die Marktdominanz von Nvidia schneller untergraben, als dies die Vorstösse der Behörden vermögen.

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