Montag, November 17

In dem Programm haben sich die Schwerpunkte gegenüber 2021 verschoben. Ungewohnte Härte zeigt der Kanzlerkandidat der deutschen Grünen beim Kampf gegen Clan-Kriminalität, doch im Übrigen schweigt er weitgehend zur Migrationsfrage.

Die Idee der Grünen, ihre Spitzenleute zu den Bürgern nach Hause an den Küchentisch zu schicken, kann man getrost als genial bezeichnen. Sie setzen damit der Polarisierungsmaschinerie der sozialen Netzwerke etwas entgegen, nämlich die kleinste Einheit politischer Willensbildung – auch wenn die Ergebnisse dieses Geniestreichs freilich über die sozialen Netzwerke verbreitet werden. Ein Film mit Highlights aus den «Küchentisch-Gesprächen» bildete am Dienstag in Berlin den Auftakt zur Vorstellung des Wahlprogramms der Grünen. Dieses hat «schlanke 80 Seiten», wie es hiess, und ist damit halb so dick wie das vorangegangene.

Robert Habeck sagte beschwörend, es müsse einen neuen Stil geben in Bezug darauf, wie «anführende Politik» sein müsse. Aus den «Küchentisch-Gesprächen» sei vieles in das Programm übernommen worden. «Wer eine Regierung anführen will, muss in der Lage sein, unterschiedliche Interessen zusammenzubringen», sagte Habeck. Dafür sei es nötig, die eigene Selbstherrlichkeit zurückzustellen für die gemeinsame Sache. Dann könnten auch grosse politische Differenzen zusammen überwunden werden.

Dann folgten Inhalte, von klein nach gross. Den Führerschein für Azubis zu bezuschussen, das sei so ein Ergebnis aus den «Küchentisch-Gesprächen», sagte Habeck. Da der Führerschein in Deutschland inzwischen um die 5000 Euro kostet, dürfte dieser Plan bei der Zielgruppe verfangen, genau wie jener, es jungen Menschen zu erleichtern, Wohneigentum zu bilden.

Von Migration ist kaum die Rede

Im Steuerrecht wolle man die Werbekostenpauschale erhöhen, so dass die Hälfte der Steuerzahler keine Belege mehr einreichen müssen, und überhaupt sollen das ganze Leben und sämtliche Interaktionen mit dem Staat künftig per App erledigt werden. Das gelte auch für Unternehmen.

Der Klimaschutz ist zwar immer noch ein zentrales Anliegen der Grünen, doch ist das neue Programm viel stärker wirtschaftspolitisch ausgerichtet. Es geht um Innovationen, Effizienz, Finanzmärkte. Studien würden belegen, dass «Deutschland die letzten fünfzehn Jahre systematisch zu wenig für seine Wettbewerbsfähigkeit getan hat», sagte Habeck. Es gehe nicht darum, nur das Bestehende bewahren zu wollen, Deutschland sei ja kein Museum. Es gehe darum, den Innovationsgeist im Land wieder zu heben. Dafür brauche es schlanke und effiziente, digitale Verwaltungsstrukturen. Deutschland müsse sich noch einmal neu erfinden.

Eine zentrale Forderung der Grünen ist der Deutschlandfonds. Das haben sie mit der SPD gemeinsam. Mit dem Fonds sollen das Bahnnetz, Schulen und Kitas saniert werden. Auf ein Volumen legen sich die Grünen nicht fest, sie sprechen aber von einem Investitionsbedarf im dreistelligen Milliardenbereich. «Im Unterschied zum politischen Mitbewerber sind unsere Vorschläge gegenfinanziert, jedenfalls haben wir die Quellen, aus denen Geld kommen kann, benannt», sagte Habeck.

Subventionen auf Kredit und Kampf gegen Kriminalität

Wobei die Quellen vor allem in einem Ende der Schuldenbremse liegen sollen. «Es ist völlig illusorisch, es ist mathematisch ausgeschlossen, die grossen Herausforderungen der Zukunft nur durch Einsparungen im Haushalt zu erwirtschaften», konstatierte Habeck. Wer das sage, veräppele das Land. Drei Massnahmen planten die Grünen: Schliessen von Steuerschlupflöchern, Reform der Schuldenbremse, Milliardären Geld wegnehmen zur Sanierung der Schulen. Die Finanzpolitik von Christian Lindner habe dem Land schweren Schaden zugefügt.

Ungewohnt deutlich sagte Habeck der Clan-Kriminalität den Kampf an, auch dies ist ein Ergebnis der «Küchentisch-Gespräche». Dort sei sehr häufig das Thema Sicherheit angesprochen worden. Parallelgesellschaften, organisierte Kriminalität, Menschenhandel, Drogen, Gewalt in den Innenstädten, gegen das alles sei auch von den Grünen «jede Härte zu erwarten», auch dafür wollten die Grünen die Bundespolizei um 1000 Stellen aufstocken.

Wie schon im Wahlkampf 2021, so kam auch jetzt das Thema Migration kaum zur Sprache. Dabei beschäftigt die Migrationsfrage die Deutschen am meisten – ebenso wie die steigenden Lebenshaltungskosten.

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