Dienstag, Oktober 8

Viele Regionen in Europa ächzen unter den Touristenmassen. Eine Datenanalyse zeigt, welche Orte besonders beliebt sind und welche ein Geheimtipp sein könnten.

Die Begriffe Overtourism und Massentourismus beherrschten diesen Sommer wieder vielerorts die Schlagzeilen. Auf Mallorca oder in Barcelona gibt es immer wieder Proteste, das kroatische Dubrovnik an der Adria platzt jeden Sommer aus allen Nähten. Auch immer mehr Alpenregionen schlagen Alarm.

Welche Regionen bei Touristen am beliebtesten sind, zeigen Zahlen der EU-Statistikbehörde Eurostat, welche die NZZ ausgewertet hat. Betrachtet man die absoluten Zahlen der Übernachtungen in Hotels, Ferienhäusern, auf Campingplätzen und in ähnlichen Lokalitäten, so liegt das türkische Antalya mit über 100 Millionen Logiernächten klar vorne. Doch auch die Adriaküste, Katalonien oder der Grossraum Paris gehören mit 80 bis 90 Millionen zur Spitzengruppe. Das österreichische Tirol liegt mit gut 38 Millionen noch im vorderen Mittelfeld.

Ein anderes Bild ergibt sich, wenn diese Übernachtungszahlen ins Verhältnis zur Einwohnerzahl der betreffenden Region gesetzt werden. Hier setzen sich die Ionischen Inseln und die südliche Ägäis an die Spitze. Letztere knackt mit über 117 Übernachtungen je Einwohner sogar die Hundertermarke. Die kroatische Adriaküste verbleibt sowohl absolut als auch je Einwohner im Spitzenquartett.

Tirol bleibt auch pro Kopf gerechnet eine beliebte Ferienregion. Es wird jedoch von Südtirol (der autonomen Provinz Bozen) überflügelt, dieses verzeichnet über 67 Übernachtungen je Einwohner, in Tirol sind es knapp 50.

Deutsche zieht es an die Ostsee

Unterscheidet man nach inländischen und ausländischen Touristen, zeigt sich, dass insbesondere der Inlandtourismus besonders in Frankreich, Spanien und Deutschland ein wichtiger Faktor ist. Die Franzosen geniessen neben den Alpen und der Côte d’Azur vor allem die eigene Hauptstadt. In Spanien sind Katalonien und Andalusien die Favoriten im eigenen Land.

Bei den deutschen Touristen steht – neben Oberbayern mit seinen Alpen und der Metropole München – vor allem die Ostsee hoch im Kurs. Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern nehmen hier die Spitzenplätze ein. Allerdings muss bedacht werden, dass diese drei Nationen über eine insgesamt grosse Bevölkerung verfügen, weshalb hier nur bedingt zwischen einzelnen Ländern verglichen werden kann.

Internationale Touristen lieben das Mittelmeer

Das relativ gleichmässige Bild der Übernachtungszahlen bei den heimischen Touristen wechselt zu klaren Schwerpunkten beim internationalen Tourismus. Es zeigt sich eine deutliche Dominanz einiger weniger Hochburgen. Vor allem Regionen am Meer können hier punkten, die langen Sommerferien verbringen die Europäer nach wie vor gerne in der Wärme und am Strand.

Von Antalya über die griechischen Inseln und die kroatische Adria bis hinüber nach Katalonien, die Balearen und Andalusien haben die Spitzenreiter alle diese Gemeinsamkeiten. Nur das österreichische Tirol kann als Bergregion den Anschluss halten, wenn es um die absoluten Übernachtungszahlen der ausländischen Touristen geht. Venedig, Paris, Amsterdam sind ebenfalls Besuchermagnete und ziehen vor allem die klassischen Städtetrip-Touristen an.

Im Tessin macht die Schweiz gerne Ferien

Die Zahl der Übernachtungen von ausländischen Touristen je Einwohner zeigt am ehesten das, was viele als eine der sichtbarsten Auswirkungen von Tourismus bezeichnen. Kaum Einheimische, dafür jede Menge Fremde. Davon betroffen sind besonders Inseln im Mittelmeer. Auf die südägäischen Inseln kommen volle 108 Übernachtungen von ausländischen Touristen auf jeden Inselbewohner, auf den Balearen sind es 51, in Tirol immerhin noch 45 und in Bozen fast 48 Übernachtung pro Gebirgsbewohner.

Besonders viele inländische Touristen pro Kopf zeigen sich in dünner besiedelten Regionen. In Italien sind das Bozen und Trient, in Frankreich die Insel Korsika. Auch das Tessin landet mit knapp 10 Übernachtungen von inländischen Touristen pro Einwohner weit vorne.

Viele Regionen sind aber durchaus für Touristenmassen gewappnet. Besonders in bevölkerungsreichen Regionen besteht eine Infrastruktur, welche auch von der lokalen Bevölkerung genutzt wird. Betrachtet man die Zahlen inländischer und ausländischer Touristen pro Einwohner, so zeigt sich, dass in vielen Regionen Spaniens und Italiens beliebte Ferienregionen auch Bevölkerungszentren sind. Der Overtourism wird so etwas abgefedert.

Kaum ein Grieche relaxt in Kreta

Wer als Tourist im Ausland seine Ferien nicht nur mit anderen von weit her angereisten Touristen verbringen, sondern auch mit Leuten in Kontakt kommen will, die im eigenen Land entspannen und sich hier auskennen, der sollte sich eine der grüngefärbten Regionen als nächstes Reiseziel aussuchen. Dort macht nicht nur mehrheitlich die Bevölkerung des jeweiligen Landes Ferien, hier findet sich auch keine der grossen Hochburgen des Massentourismus. Eventuell lassen sich hier noch günstige Geheimtipps entdecken.

Umgekehrt sind die violett eingefärbten Regionen dagegen kein zwangsläufiger Hinweis auf ein internationales Flair. Schliesslich können hohe Zahlen ausländischer Touristen aus wenigen oder sogar nur einer einzigen Nation resultieren, und auch innerhalb einer Region können nochmals lokale Unterschiede auftreten. Wen es schon nach Mallorca an den Ballermann oder in die Alpen zum Après-Ski gezogen hat, wird dies bestätigen können.

Massnahmen, um des Massentourismus und des Overtourism sowie der negativen Folgen Herr zu werden, gibt es viele. Auf Mallorca hat die Regierung der Balearen ein Alkoholverbot für den öffentlichen Strassenraum erlassen, in Venedig werden Eintrittsgelder für die Stadt verlangt, und Barcelona geht mit Verboten gegen die Vermietung von Ferienwohnungen vor.

Die eine Lösung wird es wohl nicht geben, dafür ist der Tourismus mit seinen positiven und negativen Folgen zu facettenreich. Im Spannungsfeld zwischen wichtiger Einnahmequelle und nervenaufreibendem Störfaktor für die Einheimischen müssen mögliche Beschränkungen wohl immer sorgsam überlegt sein.

Wo haben Sie dieses Jahr Ihre Ferien verbracht? Prüfen Sie mit der Suchfunktion in der untenstehenden Tabelle, ob Ihr Eindruck zu Touristenzahlen in Ihrer Ferienregion mit den statistischen Werten in der Tabelle übereinstimmt:

Mitarbeit: Joana Kelén

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