Donnerstag, Mai 8

Das Zürcher Radiostudio wird zur Sekundarschule umgenutzt.

Mit diesen Fluren verbinde er zahlreiche Erinnerungen, erklärte Stadtrat André Odermatt (SP) im Vestibül des alten Radiostudios Brunnenhof. Als sich in diesem Gebäude noch Aufnahmestudio an Aufnahmestudio reihte, sei er hier etliche Male für Interviews zu Gast gewesen: «einmal aufgeregt schwitzend, andere Male entspannter».

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Am Mittwoch trat Odermatt jedoch in der Rolle des Hausherren vor die Medien: Als Vorsteher des Hochbaudepartements führte er durch die neuen Räumlichkeiten der Sekundarschulanlage Brunnenhof.

Odermatt erläuterte, wie «respektvoll und ressourcenschonend» man die 82 Millionen Franken teure Sanierung der grösstenteils denkmalgeschützten Bauten angegangen sei. Und wie man durch die Umnutzung im Vergleich zu einem Neubau rund 70 Prozent CO2-Emissionen habe einsparen können.

In diesen Tagen schliessen die Bauleute die erste Etappe des dreistufigen Projekts ab. Bereits im Juni ziehen 15 Schulklassen auf Sekundarstufe mit 330 Schülerinnen und Schülern, die Kreisschulbehörde Waidberg und die Musikschule Konservatorium Zürich in die Räumlichkeiten ein.

In einer zweiten Etappe wird ein Neubau Platz für 6 weitere Schulklassen schaffen. In einer dritten Etappe werden sodann die Photovoltaikanlagen ausgebaut. Dies wird in rund zehn Jahren der Fall sein.

Ein Zentrum der Geistigen Landesverteidigung

Das Radiostudio Brunnenhof ist ein äusserst symbolträchtiger Bau: Bei seiner Eröffnung 1933 steht es für den technischen Fortschritt. Die ersten Übertragungen wurden aus einem Kabuff im Amtshaus IV im Stadtzentrum gesendet. Am Brunnenhof steht daraufhin das erste Gebäude der Schweiz, das als Radiostudio konzipiert, gebaut und genutzt wird.

Doch die Sendeanlage am Fuss des Zürcher Käferbergs ist mehr als eine technische Einrichtung. Viel mehr. Im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs ist sie eine Festung mit einer klaren Bestimmung: die Ideale der freien Schweiz zu verteidigen.

Während die Sender in Deutschland expandieren und die Stimmung bei ihren Zuhörern mit flammender Propaganda immer stärker aufheizen, will sich die Schweiz ihre Nüchternheit bewahren.

Um einer Polarisierung der Bevölkerung vorzubeugen, sind politische und kommerzielle Beiträge anfänglich verboten. Die Nachrichtenbulletins von Radio Zürich stammen aus der NZZ und sind um ausgewogene Berichterstattung bemüht.

Kurz vor und während des Zweiten Weltkriegs wird das neue Massenmedium zu einem der wichtigsten Kanäle der Geistigen Landesverteidigung. Aus ihren Studios in Beromünster, Basel und Zürich schwören die Moderatoren ihr Publikum auf die Werte der traditionellen Schweiz ein.

Für die Sekundarschüler «nur das Beste»

An diese bewegten Anfangszeiten der Schweizer Radiogeschichte erinnern bis heute unzählige Details. So sind etwa die künftigen Klassenzimmer zum Korridor hin mit grossen Glaselementen versehen. Diese sorgen für eine helle Atmosphäre in den Schulräumen – und erweisen dem ursprünglichen Charakter der verglasten Sendestudios ihre Reverenz.

Ein «Bewegungsraum» befindet sich im einstigen Archiv von Radio SRF: Ein nachträglich eingebautes Zwischengeschoss wurde entfernt, wodurch eine imposante Halle freigelegt wurde. Diese entspricht zwar nicht ganz den Normen einer richtigen Sporthalle, kann aber vorübergehend als solche genutzt werden.

Es sind solche Bijous, die das Schulhaus für den Vorsteher des Schul- und Sportdepartements, Filippo Leutenegger (FDP), von anderen abheben. Er nannte die Schulräume im alten Radiogebäude eine «geglückte Kombination» und zeigte sich mit der Qualität der Schulräume sehr zufrieden: «Unsere Schülerinnen und Schüler bekommen hier nur das Beste.»

Kürzlich hat die Stadt zwar ihre Schulraumplanung angepasst. Es stimme, dass der Bedarf wegen der sinkenden Geburtenraten vor allem in der Volksschule abnehme. «Doch die Sekundarschulen braucht es noch lange. Da kann ich Sie beruhigen», sagte er.

Als die Radioleute in Bahnwaggons arbeiteten

Dass eine Schule in den Gebäudekomplex einzieht, passt zur ursprünglichen Bestimmung des Hochhauses von 1970. Dieses hat eine bewegte Entstehungsgeschichte. Es sollte die historischen Flachbauten von 1933 und 1939 schon viel früher ergänzen. Wegen etlicher Umstrukturierungen des schweizerischen Radiowesens wurde der Ausbau aber immer wieder aufgeschoben.

Dabei war das Radio nach dem Zweiten Weltkrieg längst als Massenmedium etabliert. Mit dem Aufkommen von Transistorgeräten und Autoradios zum Ende der fünfziger Jahre wurde der Rundfunk allgegenwärtig.

Rasch gewöhnt sich das Publikum an ein abwechslungsreiches Programm. Weil zu jener Zeit auch Mittel- und Langwelle empfangen werden, müssen Schweizer Radiostationen mit der Konkurrenz aus ganz Europa mithalten.

Für die Radiogenossenschaft Zürich (RGZ) bedeutet all das vor allem eines: Der Sender braucht Personal. Mehr, als er in den Flachbauten aus den Dreissigern am Brunnenhof unterbringen kann. Behelfsmässig stellt man Baracken auf. Bald finden auch zwei ausrangierte Bahnwagen ihren Weg auf das Areal. 40 Mitarbeiter haben darin ihre Arbeitsplätze.

Doch auch mit diesen improvisierten Räumlichkeiten ist das Platzproblem nicht gelöst. Es verschärft sich im Gegenteil noch weiter.

Neben dem Platz wird auch das Geld knapp

Die Wende kommt 1966. Im Oktober fasst die RGZ den Beschluss, nach zehnjährigem Zaudern endlich zu bauen. Man betraut den Designer und Architekten Max Bill mit dem Auftrag. Sechs Wochen später erfolgt am 12. Dezember der Spatenstich. Veranschlagt sind Baukosten von 6 Millionen Franken.

Dass nach seiner Eröffnung schon einmal eine Schule ins Radiogebäude einzog, hat eine eigentümliche Bewandtnis: Weil in den sechziger Jahren das Radiosymphonieorchester von Zürich nach Basel abwanderte, fehlte es der bedrängten Radiogenossenschaft Zürich auf einmal nicht nur an Platz, sondern auch an Geld.

So kommt es zu einem Kompromiss: Die Radioleute sollen in ihren Provisorien verbleiben, während fünf der acht Stockwerke des Neubaus an die baugewerbliche Abteilung der Zürcher Berufsschule vermietet werden. Das bringt dem Radiosender 335 000 Franken pro Jahr.

Die Berufsschule umfasst zu jener Zeit 80 Klassen mit 1095 Schülern. Und dann wächst die Gewerbeschule so stark, dass sie gegen Ende des Jahrzehnts selbst in Platznöte gerät.

Schon Josephine Baker hat hier aufgenommen

Davon, dass am Brunnenhof bald wieder Platzmangel entsteht, ist nicht auszugehen. Insbesondere für die Musikschule Konservatorium Zürich ist der Umzug ein grosser Gewinn: In zahlreichen kleinen Sendestudios sind nun schalldichte Unterrichtsräume eingerichtet.

Die historischen Aufnahmestudios, in denen bald orchestrale Gruppen, Jazzcombos oder Pop-Bands der Musikschule proben können, sind weltweit für ihre klanglichen Eigenschaften bekannt. Im zweitgrössten Studio 2 hat unter anderen schon Josephine Baker Aufnahmen eingespielt.

Dieser Saal und das 450 Quadratmeter grosse Studio 1 können auch von Externen angemietet werden. Gut möglich also, dass hier auch bald wieder Radioleute ein- und ausgehen werden.

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