Die Gemeinderäte wollen nicht darüber Auskunft geben, ob sie staatlich gefördert hausen.
Transparenz hatte die FDP-Fraktion gefordert – darüber, welche Zürcher Stadtparlamentarierinnen und Stadtparlamentarier «in einer von der Stadt finanziell geförderten Wohnform leben». Sie sollten über die Wohnform öffentlich Auskunft geben, so wie sie sonstige Interessenbindungen offenlegen.
Ein wenig Transparenz erreicht die FDP in der Ratssitzung vom Mittwoch dann auch, und zwar von völlig unerwarteter Seite: vom grünen Matthias Probst. Gemäss seinen Angaben wohnen nur 4 der 125 Ratsmitglieder in Stadtwohnungen.
«Und sie lebten alle schon dort, bevor sie gewählt wurden», fauchte Probst in den Ratssaal. Er wollte mit den Zahlen zum Ausdruck bringen, wie widersinnig er den FDP-Vorstoss fand.
Die Alternativen sprechen von Hexenjagd
Die Frage, wer wo wohnt, berührt die Privatsphäre. Gleichzeitig ist es von Relevanz, ob die «Richtigen» in gemeinnützigen Wohnungen leben oder ob allenfalls politische Milieus bei der Vergabe bevorzugt werden. Zumal die Stadt jährlich Hunderte von Millionen Franken dafür ausgibt, um zusätzlichen Wohnraum zu erwerben. Dies stets mit dem Ziel, dass ein Drittel der städtischen Wohnungen gemeinnützig sein soll.
Eine Recherche der «NZZ am Sonntag» hat im vergangenen Herbst gezeigt, dass Vertreter der SP und der Grünen im Stadtparlament überdurchschnittlich häufig in Genossenschafts- und Stadtwohnungen leben. Bei beiden Parteien treffe dies auf je rund 60 Prozent zu.
Allerdings wurde im Artikel klar vermerkt, dass es sich um eine grobe Schätzung handle, die wiederum auf einer Erhebung der Jungfreisinnigen der Stadt Zürich basiere. Die FDP nahm gerade dies zum Anlass für ihren Vorstoss: Man wolle es genau wissen.
Bei der Wohnform steckt der Teufel im Detail. Die Stadt vermietet eigene Wohnungen. Die Mieter profitieren insofern, als die Kostenmiete gilt und die Stadt keine Rendite machen darf, was zu tieferen Mieten führt. Zwar gibt es für die Bewohner Auflagen bezüglich des Einkommens, aber diese sind sehr grosszügig formuliert. Ein Teil der Stadtwohnungen ist zusätzlich direkt subventioniert.
Bei den Genossenschaften gibt es solche, die völlig frei von staatlicher Unterstützung sind. Und solche, die von vergünstigten Landabgaben durch die Stadt indirekt vom Staat profitieren.
Vergeben werden städtische Wohnungen in einem zweistufigen Verfahren. Zuerst bestimmt ein Zufallsgenerator einen Kreis von Personen, die eine Wohnung besichtigen dürfen. Der Vergabeentscheid erfolgt dann nach dem Vieraugenprinzip in der Verwaltung und nach den Vorgaben einer städtischen Verordnung. Genossenschaften sind bei der Wohnungsvergabe frei.
Klar ist: Bei dieser Gemengelage wäre es schwierig, zweifelsfrei zu identifizieren, welcher Gemeinderat beim Wohnen von staatlicher Unterstützung profitiert und welcher nicht.
Auf der linken Seite wurde die Neugier der FDP überhaupt nicht goutiert. Die Alternative Liste taxierte den Vorstoss als Schnüffelei. David Garcia sagte, Transparenz habe für die AL eigentlich oberste Priorität. «Aber die Grenze zwischen Transparenz und Hexenjagd ist dünn.»
Die SP-Co-Fraktionschefin Lisa Diggelmann fand, wenn, dann müssten Gemeinderätinnen und Gemeinderäte nicht nur über die Wohnform Rechenschaft ablegen, sondern über alle Mitgliedschaften mit staatlichem Bezug – zum Beispiel in Zünften, denn auch diese erhielten staatliche Unterstützung. Hierzu zeigte die FDP prompt Bereitschaft.
Matthias Probst vermutete, die FDP verfolge mit dem Vorstoss nur ein Ziel: Politiker zu diskreditieren, die sich für mehr günstigen Wohnraum einsetzen würden. Die Partei insinuiere, dass linke Gemeinderäte leichter an eine gemeinnützige Wohnung kämen.
Es sei gerade umgekehrt, so Probst: Auf der linken Seite setzten sich die Leute mehr für günstigen Wohnraum ein und gründeten zum Beispiel Genossenschaften. Das werde von der Wählerschaft honoriert.
Auf der rechten Ratsseite wurden diese Argumente als heuchlerisch klassifiziert. Der SVP-Fraktionschef Samuel Balsiger sagte, normalerweise seien die Linken stets für Transparenz, ob beim Bankgeheimnis oder bei der Parteienfinanzierung. Beim Wohnen sei es plötzlich anders.
Auf der linken Ratsseite arbeiteten viele beim Staat mit überdurchschnittlichem Lohn, und sie wohnten trotzdem in einer vergünstigten Wohnung. Balsiger forderte die Parlamentarier auf: «Wenn Sie ein soziales Herz haben, dann kündigen Sie sofort Ihre Wohnung, und machen Sie Platz für Leute, die weniger Geld haben als Sie.»
Viele Mieter bei der FDP
Das Anliegen der FDP blieb im rot-grün dominierten Stadtparlament wie erwartet chancenlos. Auch die Mitteparteien GLP sowie Mitte/EVP konnten sich nicht dafür erwärmen, weshalb der Vorstoss mit 87 zu 31 Stimmen abgelehnt wurde.
Karin Weyermann (Mitte) fand zwar, dass die FDP eine berechtigte Frage stelle. Aber eine Offenlegung der Wohnform gehe schlicht zu weit. Und sie bringe auch nicht viel. Hätte man tatsächlich den Verdacht, die Vergabepraxis der Stadt sei unfair und es würden Leute aufgrund des Parteibüchleins bevorzugt, müsste man dieses Problem aufsichtsrechtlich angehen. Doch dafür gebe es derzeit keine Anzeichen.
Während die angestrebte Wohn-Transparenz für die FDP also ein frommer Wunsch blieb, konnte niemand die Fraktion daran hindern, über sich selbst Auskunft zu geben, was Gemeinderätin Martina Zürcher denn auch tat. Von 23 Mitgliedern wohnen laut ihr 3 in einer Genossenschaft, und zwar ohne vergünstigtes Baurecht. Und die grosse Mehrheit sind, anders als von linker Seite oft unterstellt, keine Eigenheimbesitzer – sondern Mieter.