Samstag, Februar 22

In der Schweiz hält sich das Interesse an der AfD-Kanzlerkandidatin in Grenzen – in Deutschland rätselt man über ihre Verbindungen zum kleinen Nachbarland.

«Hoi Alice, grüezi miteinander!» Alt-Bundesrat Ueli Maurer kennt Alice Weidel, und sie kennt ihn. Man duzt sich. Spätestens seit dem Videoauftritt des ehemaligen Schweizer Bundespräsidenten an einer AfD-Wahlkampfveranstaltung Anfang Februar diskutiert Deutschland über die Verbindungen der Kanzlerkandidatin in die Schweiz.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Partnerin, Wohnung, Beziehungen

Bekannt ist, dass sie in eingetragener Partnerschaft mit einer Schweizerin zusammenlebt und in der Schweiz auch einen Wohnsitz hat. Zu einem grossen Thema im Wahlkampf wurde deshalb die Frage, wo die erste Kanzlerkandidatin der AfD ihre Steuern zahlt. In Überlingen, sagt Alice Weidel, wo sie ihren offiziellen Wohn- und Steuersitz habe. Doch als sie von einem ZDF-Reporter gefragt wurde, wie oft sie denn tatsächlich in Überlingen übernachte, reagierte sie genervt. «Sie fragen andere Politiker ja auch nicht, wie oft sie zu Hause übernachten», sagte sie und brach das Gespräch ab.

Gegenüber der «Bild»-Zeitung zeigte sie sich vor kurzem etwas gesprächiger. Auf die Frage, ob sie im Fall einer Wahl mit ihrer Familie nach Deutschland ziehen würde, sagte sie: «Meine wunderbare Frau ist Schweizerin und bleibt in der Schweiz. Bislang. Und dementsprechend würde ich mir wünschen, dass man damit deutlich lockerer umgeht.»

Sie selber halte sich immer wieder in Überlingen auf, das sei schliesslich ihr gemeldeter Wohnsitz. «Aber wissen Sie, ich kann mich leider in Deutschland nicht mehr frei bewegen, aufgrund des ganzen Hasses und der Hetze gegen meine Person und auch gegen die Partei. Ich habe eine sehr hohe Gefährdungsstufe, und ich kann noch nicht einmal einkaufen gehen.» Deshalb habe sie auch kein Wahlkreisbüro. Aus Angst vor Anschlägen sei niemand bereit, ihr ein Büro zu vermieten.

Vor ein paar Jahren lebte Alice Weidel mit ihrer Schweizer Partnerin, der Filmproduzentin Sarah Bossard, noch in Biel. Heute bewohnt das Paar mit den beiden Kindern eine Eigentumswohnung im schwyzerischen Einsiedeln. Für Alice Weidel ist Einsiedeln demnach der Zweitwohnsitz, ihre Steuern bezahlt sie hauptsächlich in Deutschland.

Möglich macht das ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz. Dabei handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, der sicherstellt, dass Steuerpflichtige ihre Einkünfte nicht in zwei Ländern gleichzeitig versteuern müssen.

Wie gross der Steueranteil ist, der am Erst- und am Zweitwohnsitz bezahlt werden muss, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wo ist der Lebensmittelpunkt der steuerpflichtigen Person? Wie lange hält sie sich wo auf? Ist Grundeigentum vorhanden?

Bei Alice Weidel dürfte der Lebensmittelpunkt demnach eher in Einsiedeln liegen als in Deutschland. Doch steuerlich, das sagte der Vorsteher der Schwyzer Steuerverwaltung der Onlineplattform Nau.ch, sei alles in Ordnung. Man orientiere sich bei der Bundestagsabgeordneten Weidel am OECD-Musterabkommen, wonach bei Vergütungen aus öffentlichen Ämtern eine Sonderregel gelte.

«Weltwoche», SVP, anonyme deutsche Spender

In der Schweiz ist Alice Weidel nicht annähernd so bekannt wie in Deutschland, sie ist aber auch keine Unbekannte. Seit November schreibt sie ein politisches Tagebuch in Roger Köppels Wochenmagazin «Weltwoche», und 2023 war sie Gast an der Jahresversammlung der SVP im Zürcher Albisgütli. Institutionelle Verbindungen zwischen der AfD, ihrer Kanzlerkandidatin und der Schweizer SVP bestehen allerdings nicht. Der SVP-Übervater Christoph Blocher sorgt heute noch dafür, dass seine Partei nicht mit anderen politischen Organisationen aus dem Ausland zusammenarbeitet.

Als 2016 bekanntwurde, dass die langjährige Werbeagentur der SVP, das heute von Alexander Segert geführte Büro Goal, vor den deutschen Landtagswahlen Werbung für die AfD machte, distanzierte sich die SVP. Damit habe die Partei nichts zu tun, richtete das Parteisekretariat damals aus.

Wie sich später herausstellte, wurde der massive Wahlkampf der Alternative für Deutschland von einer obskuren Vereinigung mit dem Namen Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten bezahlt. Das Sekretariat der Vereinigung führte Alexander Segert von der Schweiz aus. Das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel», das die Verbindungen aufgedeckt hatte, schrieb von nun an von «Swiss Connections».

Auch Alice Weidel wurde damals von anonymen Gönnern aus der Schweiz bedacht. Von Juli bis September 2017 gingen auf dem Geschäftskonto ihres AfD-Kreisverbandes verschiedene Einzelspenden von insgesamt 132 000 Euro ein. Vermerk: «Wahlkampf Alice Weidel».

In den Fokus geriet bald ein in der Schweiz wohnhafter Unternehmer, der seine Überweisungen über Strohmänner und zwei Pharmafirmen getätigt hatte. Weil die Zuwendungen gegen das deutsche Spendengesetz verstiessen, musste die AfD im Jahr 2020 rund 500 000 Euro Strafe zahlen.

Demonstration «gegen rechts» in Einsiedeln – aber nicht von Einsiedlern

Kurz vor den Wahlen am kommenden Sonntag steht die AfD nun erneut im Mittelpunkt einer Spendenaffäre: Der österreichische Politiker Gerhard Dingler gab an, der Partei rund 2,35 Millionen Euro gespendet zu haben. So steht es in der Spendenliste, die der Deutsche Bundestag kürzlich veröffentlicht hat. Doch laut dem «Spiegel», der schon die erste AfD-Spendengeschichte recherchiert hatte, soll der ehemalige Vorarlberger FPÖ-Funktionär lediglich als Mittelsmann für denselben deutschen Milliardär fungiert haben, der schon 2017 132 000 Euro an Weidels Kreisverband überwiesen hatte.

Ob Weidel ihren Gönner überhaupt kennt, ist nicht bekannt. Auf Anfrage richtet ihr Sprecher aus: «Die AfD hält sich streng an die rechtlichen Vorgaben bei der Entgegennahme von Parteispenden und tauscht sich dabei auch eng mit der Bundestagsverwaltung aus.»

Die Medienberichte über eine allfällige weitere Spendenaffäre sind nicht der einzige Schatten, den die Wahlen vorauswerfen. Am Samstag wird in Einsiedeln gegen Weidel demonstriert und ihre «Remigration» gefordert. Wer hinter der Demonstration «gegen rechts» steht, ist nicht bekannt. Gesuchsteller sei eine Privatperson ohne Wohnsitz im Kanton Schwyz, teilten die Einsiedler Behörden mit. Man rechne mit maximal fünfzig Personen.

Exit mobile version